Arbeitsmarkt

Personalgespräche auf dem Sofa

Moderation: Katrin Heise |
Schreibtisch-Dorf mit Häuptling, Wanderarbeit mit Rollcontainer oder einfach im Konferenzgarten lümmeln: Wie sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus? Alexander Rieck vom Fraunhofer-Institut für Arbeitsorganisation erklärt, warum es auch für klassische Personalgespräche Alternativen gibt.
Katrin Heise: Morgen läuft ja der Film "Stromberg" in den deutschen Kinos an, gleichzeitig Finale und Ende der gleichnamigen TV-Serie. Näheres gibt es übrigens in unseren Kinotipps hier im "Radiofeuilleton" um kurz nach halb elf. "Stromberg" ist ja die deutsche Version der erfolgreichen britischen Serie "The Office", und genau das zeigt "Stromberg" ja auch: das Büro in all seinen Schrecklichkeiten mit Intrigen, Selbstverleugnung, Muff, Tristesse. Das ist sehr lustig, meinen unsere Filmkritiker. Es lohnt sich aber auch noch aus einem anderen Grund, den Film zu sehen.
Glaubt man nämlich den Architekturpsychologen, wird es solche Büros bald gar nicht mehr geben. Es wird weltweit geforscht und experimentiert am Büromodell der Zukunft, das den Mitarbeiter dann zufriedener, kreativer und deshalb natürlich viel leistungsfähiger macht. Der Architekt Alexander Rieck beschäftigt sich unter anderem für das Fraunhofer-Institut für Arbeitsorganisation in Stuttgart damit. Schönen guten Tag, Herr Rieck!
Alexander Rieck: Guten Morgen.
Heise: Sie haben in Stuttgart im Fraunhofer-Institut Testbüros, Testlabore aufgebaut. Was wird denn da getestet? Geht es da von der kleinen Einzelzelle mit Schreibtisch übers Großraumbüro oder bis zum Netzwerk nach draußen? Sind das so die Ideen?
Rieck: Ja, genau. Es geht letztendlich darum, tatsächlich eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der wir uns zunächst mal wohl fühlen, aber durch das wohl fühlen natürlich dann auch mehr Freude an der Arbeit haben und dann damit auch leistungsfähiger und kreativer sind.
Heise: Eine Idee wird in dem von mir erwähnten Kinofilm "Stromberg" eine Rolle spielen, eine Idee, wie man sich wohl fühlt. Stromberg trifft den Hausmeister und der werkelt irgendwas:
O-Ton Stromberg:
Heise: Was wollen die mit einer Lounge? Strombergs Versicherung will eigentlich gar nichts damit. Aber geht das in die richtige Richtung, eine Lounge? Wenn wir uns wohl fühlen wollen, stellen wir Sofas auf, oder? Büros mit Wohlfühlecken, ist das so was?
Rieck: Das ist eine gute Frage letztendlich, wo das hingeht. Ich glaube, man muss so ein bisschen wegkommen davon, dass wir das immer alles verallgemeinernd auf einen Punkt treffen. Aber am Ende des Tages, wenn Sie gute Ideen und gute Gespräche und das bessere Personalgespräch auf einem Sofa führen können, warum denn nicht, und ich würde auch mal tippen, dass heute ein nicht unerheblicher Anteil von wichtigen Geschäften tatsächlich in den Hotel-Lounges und in Flughafen-Lounges abgewickelt wird. Also hat das schon etwas damit zu tun, denke ich.
Heise: Wie groß ist denn der Zusammenhang zwischen Kreativität und Umgebung? Zum Beispiel Google versucht ja, Golfplätze aufzubauen im Büro, U-Bahn-Waggons werden da reingeschafft, ich habe von Booten gelesen oder Fotos gesehen. Im Fraunhofer-Institut, da versuchen Sie es mit Licht und Geräuschen. Wie wirkt Umgebung auf das Arbeitsklima?
Rieck: Ja. Zunächst einmal, denke ich, ist es schon so, dass eine natürliche Umgebung etwas ist, was uns allgemein gut tut. Das liegt in der Natur des Menschen. Wir kommen letztendlich evolutionär gesehen seit Tausenden, Millionen von Jahren aus der Natur und aus der natürlichen Umgebung und sind mit allen Sinnen letztendlich darauf ausgerichtet, dass wir uns in einer natürlichen Umgebung zurechtfinden und einfach nicht an einem Ort, wo zunächst mal alles gleich ist, wo man von morgens bis abends genau das gleiche Licht hat, wo man genau die gleiche Beschallung hat, wo man genau die räumlichen Strukturen hat.
Das würde nicht unserer natürlichen Entwicklung entsprechen, biologisch gesehen. Auf der anderen Seite haben wir dann noch soziale Gesichtspunkte, die uns dann zum Menschen machen. Da geht es um so was wie Gruppenbildung oder Teamfunktionen oder die Flagge, die Fahne, die soziale Gemeinschaft, die dann wichtig wird.
Heise: Bevor wir auf die soziale Gemeinschaft kommen, würde ich gerne noch ein bisschen über den Büroraum an sich sprechen. Wird es die Büroräume an sich überhaupt noch geben? Brauchen wir die Anbindung an eine Firma, oder gehen wir mit unserem Laptop dann gleich in die Hotel-Lounge?
Rieck: Ja, genau! Das ist genau die richtige Frage. Früher war das ganz logisch, dass ich ins Büro ging, weil dort war die gesamte Infrastruktur, angefangen von der Telefonleitung bis zur Mailbox, bis zum Brief und der Sekretärin und der Ablage. Das habe ich natürlich heute alles in meinem iPhone oder iPad oder meinem Laptop dabei. Warum muss ich noch ins Büro gehen? Und da kommt natürlich genau dieses Thema: Da ist die soziale Gemeinschaft.
Während ich vielleicht draußen in der Natur kreativer und freier bin, habe ich meine Arbeitsgemeinschaft, meine Arbeitsgruppe, meine Kameraden, die Kameradschaft sozusagen, die habe ich im Büro und gehe eigentlich deshalb in das Büro, um die Leute dort zu treffen. Wir nennen das so ein bisschen "spirit of work". Das heißt, diese Arbeitsumgebung: Ich gehe an einen bestimmten Ort, um etwas bestimmtes an diesem Ort zu machen. Wenn ich jetzt mich dort aber an diesem bestimmten Ort, wo ich eigentlich ja hingehe, um meine Kameraden und meine Kollegen zu treffen und auszutauschen, wenn ich mich dann da wieder in mein Einzelzimmerchen einschließe, dann läuft etwas falsch.
Heise: Das heißt, wie will man diese, wie Sie es nennen, Kameradschaft oder vielleicht zweite Familie im Büro der Zukunft nutzen?
Rieck: Na ja. Einmal wissen wir auch, dass wir jetzt nicht das Büro total auflösen können und sagen können, na ja, jetzt geht alle bitte gefälligst spazieren und, wenn ihr gute Ideen habt, dann kommt ihr ins Büro und dann treffen wir uns. So einfach wird das nicht sein, sondern – das haben Sie vorhin angesprochen -, wir versuchen, gewisse Reize und Sinnesreize aus der Natur in das Büro zu übernehmen.
"Wir treffen uns im Boot"
Das bedeutet beispielsweise die Lichtwechselraten, akustische Dinge und so etwas, dass wir das ins Büro reinnehmen, dass wir uns dort auch wohl fühlen können im Büro, und dann aber tatsächlich Orte im Büro haben, an denen wir uns treffen und mit denen wir uns auch identifizieren. Das ist glaube ich das, was ein bisschen bei Google passiert – unter anderem, das machen wir in anderen Büros auch -, dass man Orte schafft und sagt, wir treffen uns im Boot.
Es ist nicht das Boot, was einen anregt und der sagt, ich fühle mich wie auf dem Meer und bin jetzt wahnsinnig kreativ, weil ich bin ja eigentlich auf dem Meer, sondern die Assoziation ist vielmehr, das ist die Gruppe, das ist das Tierchen oder die Flagge oder die Bezeichnung einer Gruppe, die sich da trifft, so wie früher es die Sonnenblumenkinder gab oder die Bienchenkinder oder so was. Eine Identifizierung mit einem gewissen Ort, um einen gewissen Ort herum, und das macht dann die Gruppe aus.
Heise: Das Büro der Zukunft – zweite Heimat oder Fluchtgrund? Darüber spreche ich mit Alexander Rieck vom Fraunhofer Institut. Herr Rieck, das Team haben wir jetzt immer wieder angesprochen, das Team, die Motivationsgruppe. Die könnte natürlich auch wirklich virtuell stattfinden, quasi per Sozialnetzwerk, per Videokonferenz, 3D-Hologramm wird die Konferenz-Lounge daneben gebeamt. Dieser virtuelle Kontakt und der persönliche, wird der gleichwertig wahrgenommen werden?
Rieck: Auch das ist tatsächlich eine der wesentlichen und interessanten Fragen, der wir nachgehen, weil sich da momentan auch so eine Verschiebung andeutet. Ich glaube auch, dass es eine gewisse Generationsfrage ist. Unsere Generation, meine Generation, wir sind zwar aufgewachsen mit der E-Mail, aber wir stehen schon noch so mit diesem persönlichen Kontakt.
Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass zukünftige Generationen sich deutlich leichter tun, digitale Netzwerke zu bilden und sich in diesen dann auch auszutauschen. Am Ende des Tages aber – und das zeigen alle unsere Untersuchungen – kommunizieren wir wahnsinnig viel über Telefon und Handy und Skype und E-Mail, treffen uns aber noch viel mehr physisch.
Früher gab es mal die Werbung von einem großen deutschen Telekommunikationsanbieter, der gesagt hat, wenn ihr alle wahnsinnig schnelle Internet-Verbindungen habt, dann braucht ihr gar nicht mehr viel reisen. Momentan zeichnet sich das überhaupt nicht ab. Momentan sind die Züge immer noch überlastet und die Flugzeuge sind auch ausgebucht und die Autobahnen sind auch voll von Menschen, die sich von A nach B bewegen, um dort jemand zu treffen, und sei es nur für eine Stunde.
Heise: Auge in Auge redet es sich vielleicht doch besser. Wenn wir bei der Technik mal eben bleiben: Es gibt ja manche Firmen, die auf diese mobilen Endgeräte sehr setzen. Manche wollen aber auch, dass ihre Mitarbeiter – Sie haben eben das Wort "Am Ende des Tages" gesagt – diese Geräte auch mal abschalten. Es muss auch Ideen geben, damit die Technik zwar eine best ausgenutzte Hilfe ist, aber nicht zur Belastung wird, oder?
Rieck: Ja, das ist genau richtig. Das ist auch die Frage, glaube ich, eine absolut gesellschaftlich kritische Frage momentan, wo wir uns auseinandersetzen müssen momentan, was ist die Arbeit, was bedeutet das. Unser Verständnis von Arbeit kommt eigentlich letztendlich aus einem Dampfmaschinen-Zeitalter, wo morgens Druck auf den Kessel gesetzt wurde und abends wurde der Druck dann abgelassen, und während der zeit war es Arbeit und danach gab es keine Arbeit. Tausende Jahre davor gab es diese Unterscheidung gar nicht. Ein Bauer oder ein Höhlenmensch, der hatte nicht von Arbeit gesprochen, sondern das war sein Leben. Jetzt will ich nicht sagen, dass wir dahin wieder zurückkommen.
Die Frage für uns muss sein: Was ist Arbeit und lässt sie sich in Zeiten festsetzen? Wenn ich abends nicht schlafen kann, sondern wenn mich ein Gedanke umtreibt, eine Lösung umtreibt und ich mich damit beschäftige, ist das Arbeit oder bin ich nur selber schuld, weil ich nachts nicht schlafen kann? Wenn ich nachts eine Lösung habe und ich komme morgens ins Büro, auch bei Fraunhofer, und sage, liebe Leute, ich habe jetzt heute Nacht wahnsinnig viel bewegt geistig, deshalb habe ich mein Arbeitspensum von neun Stunden eigentlich schon erledigt, das funktioniert bei uns auch nicht, auch nicht bei Fraunhofer.
Da entsprechen die Strukturen nicht dieser rein geistigen Arbeit. Ich glaube, da müssen wir uns oder werden wir uns sicherlich auch gesellschaftlich bewegen, um herauszufinden, was ist Arbeit und was ist der Wert der Arbeit. Das hat nachher auch was mit Entlohnung natürlich zu tun, wer bekommt für was wie viel Geld, ist es Verantwortung, ist es Bewegen von Milliarden, oder ist es Zusammenschrauben oder sind es kleine feine Dinge, wo ich mich mit jemand im sozialen Kontext auch nachts lang beschäftige und mit dem telefoniere. Schwierig! Schwierig, das von nine to five, also von neun bis um fünf Uhr einzuzwängen.
Heise: Wenn man also über die optimale Ausnutzung des Büros der Zukunft nachdenkt, muss man vor allem darüber nachdenken, was ist Arbeit eigentlich. Alexander Rieck, Architekt beim Fraunhofer-Institut für Arbeitsorganisation. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Rieck: Dankeschön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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