Kommentar zur Generation Z

Junge Leute verändern den Arbeitsmarkt - zum Wohle aller!

04:19 Minuten
Illustration einer Frau, die entspannt auf dem Sofa an einem Laptop arbeitet.
Unser Autor David Gutensohn kennt nach eigenen Angaben keinen Menschen unter 30, der keine Lust auf Leistung hat. Auch er selbst arbeite viel - "aber auch nicht zu viel". © picture alliance / Westend61 / Amr Bo Shanab
Ein Kommentar von David Gutensohn |
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Dass junge Leute heute anders arbeiten wollen als ihre Eltern, ist für David Gutensohn eine gute Nachricht. Die Arbeitswelt wandele sich auf diese Weise von einem bisweilen selbstzerstörerischen Umfeld zu einem normalen Lebensbestandteil.
“Die heutige Jugend ist gottlos und faul”, stand schon auf babylonischen Tontafeln. “Die Jugend schwatzt, wo sie arbeiten sollte”, schrieb Sokrates. Und auch Aristoteles soll gesagt haben: “Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen.”
Pauschale Kritik an jungen Menschen gab es schon immer – und auch jetzt wird meiner Generation fleißig unterstellt, dass sie nicht mehr fleißig, sondern faul sei. Andrea Nahles spricht vom “Ponyhof”, Jens Spahn vom “Freizeitpark Deutschland” und Steffen Kampeter vom Arbeitgeberverband fordert “mehr Bock auf Arbeit”, so als sei die Lust auf Leistung abhandengekommen.

Wir wollen nicht ausbrennen

Ja, die Jungen wollen anders arbeiten. Sie bestehen auf einer Work-Life-Balance, auf flexiblen Arbeitszeiten und - wenn möglich - Homeoffice. Sie sind bereit für Überstunden, aber sehen sie nicht als gottgegeben an und wollen sie ausgleichen. Sie wollen echte Freizeit und richtige Pausen, in denen sie nicht erreichbar sein müssen. Sie wollen Arbeit und Privatleben stärker trennen und achten stärker auf ihre mentale Gesundheit.
Dass die Jungen anders arbeiten wollen, ist keine schlechte, sondern eine gute Nachricht. Sie wollen nicht ausbrennen – eben, weil sie ihre Jobs nicht nur ein paar Jahre, sondern ein Arbeitsleben lang ausüben wollen.
Ich kenne keinen Menschen unter 30, der keine Lust auf Leistung hat. Auch ich arbeite viel, aber auch nicht zu viel. Ich achte darauf, Überstunden auszugleichen und genug Freizeit zu haben. Eben, weil mir mein Beruf so wichtig ist und ich ihn noch möglichst lange mit Freude ausüben möchte.

Ein anderes Verständnis von Leistung

Die Jungen haben ein anderes Verständnis von Leistung und setzen diese nicht pauschal mit ihrer Arbeitszeit gleich. Entscheidend sind nicht die Stunden, die man absitzt, sondern die Ergebnisse, die man liefert.
Wir müssen daher wegkommen von einer gesellschaftlichen Debatte, die pauschale Urteile fällt und die Jüngeren nicht versteht. Es geht nicht um mehr Netflix und TikTok, sondern um ein gesundes Arbeitsleben. Und das sollte im Interesse aller sein. Wenn wir eines gerade nicht brauchen - in Zeiten, in denen die Demokratie und das Klima und der Frieden gefährdet sind - dann ist es ein weiterer Generationenkonflikt.
Vor allem, weil dieser nur auf einem Gefühl beruht, dass es schon seit vielen Jahrhunderten wie in einem Muster gibt und immer wieder auftaucht: Die Jungen sind anders. Doch das sind Klischees und Vorurteile, wie der Blick in die Datenlage zeigt.
Umfragen machen deutlich, dass die Jungen sehr wohl dazu bereit sind, etwas zu leisten und sich mit ihrer Arbeit identifizieren. Vielmehr als das suchen sie sogar Jobs, die sinnstiftend sind und beispielsweise dem Klima nicht schaden.
Genau mit diesen Ansprüchen verändern die Jungen gerade den Arbeitsmarkt zum Besseren. Damit führen sie den Kampf weiter, den ihre Eltern und Großeltern geführt haben. Sie waren es, die den Achtstundentag oder die 40-Stunden-Woche durchgesetzt haben. Oder die die Elternzeit, den Mindestlohn oder das Recht auf Teilzeit in Gesetze gegossen haben.

Ein Beispiel für die Älteren

Und doch hat sich etwas Grundsätzliches verändert: die Lage am Arbeitsmarkt. Mussten frühere Generationen froh sein, überhaupt einen Job zu bekommen, können sich die Jungen ihre Arbeitsstellen aufgrund des Fachkräftemangels quasi aussuchen. Genau das versetzt sie in die Lage, in Bewerbungsgesprächen und im Job neue Ansprüche zu stellen.
Dass die Jungen diese Chance ergreifen, kann man ihnen nicht vorwerfen. Im Gegenteil: Man sollte stattdessen anerkennen, dass sich dadurch die Arbeitswelt von einem bisweilen selbstzerstörerischen Umfeld zu einem normalen Lebensbestandteil für alle wandelt. Und daran könnten sich auch die Älteren ein Beispiel nehmen.

David Gutensohn (30) studierte Sozialwissenschaften und ist als stellvertretender Leiter des Ressorts "Arbeit" bei Zeit Online tätig. 2021 veröffentlichte er das Buch „Pflege in der Krise“. In diesem Jahr folgte sein Buch „Generation Anspruch“.

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