Annemieke Hendriks: "Zweites Grab, halber Preis"

Mit der Leiche auf dem Lastenrad

12:38 Minuten
Porträt von Annemieke Hendriks mit rotem Lippenstift.
Die Niederländerin Annemieke Hendriks war über viele Regeln im deutschen Bestattungswesen irritiert. Dann beschloss sie, es mit Humor zu nehmen. © David Aussenhofer
Moderation: Andrea Gerk · 01.10.2021
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Die Autorin Annemieke Hendriks erzählt in ihrem Buch von den Abgründen der deutschen Bestattungsbürokratie. In Holland hätte sie ihren verstorbenen Mann mit dem Lastenrad zum Friedhof bringen können, erzählt die Niederländerin humorvoll.
Als ihr Mann starb, bekam die niederländische Autorin Annemieke Hendriks von der Berliner Friedhofsverwaltung das Angebot, wenn sie für sich neben ihrem Mann eine Grabstelle kaufen wolle, bekäme sie diese zum halben Preis. Dieses Angebot fand sie so skurril, dass sie ihr Buch danach benannte.

Friedhofsgärtner und Drogendealer

Sie verbrachte sehr viel Zeit auf dem Friedhof, wo ihr Mann beerdigt wurde. Dort lernte sie Menschen kennen, schloss Freundschaft mit dem Friedhofsgärtner und beobachtete die Drogendealer, die den Friedhof als Umschlagplatz nutzten.
Sie hatte viel Zeit, sich mit den Unterschieden in der Bestattungskultur zwischen Deutschland und ihrer niederländischen Heimat zu beschäftigen. In Deutschland ist alles geregelt, erzählt sie.
"Der Transport ist etwas, was man in Deutschland nicht selbst machen darf. In Holland schon. Meine Freunde könnten mich eingepackt auf dem Cargobike zum Friedhof fahren. Hier heißt es, das sei respektlos. Aber eine Urne wird vom Krematorium als Postpaket zum Friedhof verschickt."

Das Krematorium als Theater

Zwischen Deutschland und den Niederlanden gebe es übrigens einen "Krematoriumstourismus", worüber sogar die New York Times berichtet habe. Viele Deutsche werden in den Niederlanden verbrannt, weil die Regeln nicht so streng sind. "In Deutschland sind Krematorien wie Fabriken, in Holland sind sie wie Theater. Und im Theater darf man alles."
Porträt von Annemieke Hendriks am Schreibtisch in ihrer Wohnung. Im Hintergrund ist ein Regal zu erkennen.
Annemieke Hendriks lernte, wenn Verstorbene in Deutschland nicht einer Urne beigesetzt werden, müssen sie in einem massiven Holzsarg bestattet werden.© David Aussenhofer
Trotz allem wird sie eines Tages ebenfalls in Berlin beerdigt – neben ihrem Mann. Es habe sich zwar am Ende herausgestellt, dass sie das zweite Grab doch nicht zum halben Preis bekommen könne, aber ihre Entscheidung stehe fest.
Allerdings müsse sie noch 15 Jahre weiterleben, denn um das Grab nutzen zu können, müssen die Nutzungsrechte noch verlängert und bezahlt werden. "Ich wollte morgen schon die Nutzungsrechte bezahlen, aber das darf ich nicht. Die Frist für die Verlängerung der Nutzungsrechte ist noch nicht erreicht."

Annemieke Hendriks: "Zweites Grab, halber Preis"
Eulenspiegel Verlag, Berlin 2021
176 Seiten, 14 Euro

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