Anne Gröger: „Hey, ich bin der kleine Tod“

Lass uns das Leben feiern!

Zu sehen ist das Cover des Buches "Hey, ich bin der kleine Tod" von Anne Gröger.
Kinder werden intuitiv verstehen, dass Frida, "der kleine Tod", das Wissen um die Endlichkeit des Lebens und damit die Freude am Leben verkörpert. © Deutschlandradio /dtv
Von Sylvia Schwab · 12.10.2021
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Krankheit, Sterben und Tod gehören schon lange auch ins Kinder- und Jugendbuch. Die Perspektive in Anne Grögers Buch allerdings ist mehr als ungewöhnlich: Ein krankes Kind erzählt von seinem möglichen Tod. Ein fantastischer Kinderroman.
Salopp kommt dieses Kinderbuch daher, obwohl - oder vielleicht auch weil - es ein dramatisches Thema anpackt. Es geht um einen schwer kranken Jungen, dessen Sorgen und Ängste, aber auch um seine schrittweise Rückkehr ins Leben.
Diese Gratwanderung zwischen Coolness und Verzagtheit ist so frisch und humorvoll erzählt, dass sie trotz ihres spürbaren Gewichts federleicht wirkt.

Ein Immunsystem löchriger als ein alter Zaun

Samuels Immunsystem ist "wie ein löchriger alter Zaun". Der Junge "liegt" nicht im Krankenhaus, er "lebt" dort. Raus darf er nur selten und dann verpackt wie ein Astronaut. Als ausgewiesener Spezialist in Sachen Immunschwäche muss er, als ihm sein Arzt bescheinigt, dass er nach Hause darf, die gute Nachricht erst mal verkraften.
Denn "draußen" lauern in seinen Augen unzählige Gefahren: Verletzungen und Infektionen, Kinder und Tiere. Das normale Leben muss - in seinen Augen - tödlich enden. In dieser Situation taucht im Leben des Elfjährigen Frida auf, "der kleine Tod", ein nur für Samuel sichtbares Mädchen mit Sichel und schwarzem Kraushaar.

Vom "großen" Tod geschickt

Frida wurde vom "großen Tod" geschickt, um von Samuel das Leben zu lernen, ihn dann aber auch in den Tod "abzuholen". Sie ist eine völlig unerzogene Göre mit frech funkelnden Augen und einem weichen Herzen, eine Nervensäge par excellence. Eine chaotische Verwandte von Paul Maars Sams, das sich auch wie ein unerzogenes Kind benimmt und Herrn Taschenbier dadurch das Leben lehrt.
Samuel zeigt Frida widerwillig "das Leben", weil er sie möglichst schnell wieder loswerden will. Er geht mit ihr auf Pfadfindertour, lernt eine Horde abenteuerlustiger Freundinnen und Freunde kennen und beschließt schließlich sogar, mit ihnen und Frida auf einen Berg zu steigen, was er seinem besten Freund vor dessen Tod versprochen hat.
Immer mehr verliert der Elfjährige so seine Lebensangst. Er und Frida werden beste Freunde, was allerdings auch bedeutet, dass Frida schließlich ohne Samuel verschwindet, denn der soll leben.

Witzige Konstellation

Anne Grögers fantastischer Kinderroman ist großartig. Nicht nur die Grundkonstellation - hier der verängstigte Kranke, dort die neugierig nervige Frida - ist total witzig und eine Fundgrube für komische Situationen, flapsige Dialoge und ernste Gespräche. Ton und Tempo sind mehr als flott, der hypersensible Junge geht so ironisch und zugleich selbstbewusst mit seiner Krankheit und allen Folgeproblemen um, dass man aus dem Lachen nicht rauskommt.
So wirkt die Verzahnung von realistischen und surrealen Motiven unangestrengt und sehr natürlich. Das unterstreichen auch die listig lustigen Illustrationen von Fréderic Bertrand.
Kinder werden intuitiv verstehen, dass Frida, "der kleine Tod", das Wissen um die Endlichkeit des Lebens und damit die Freude am Leben verkörpert. Frida macht Samuel Mut, sich seinen Ängsten zu stellen und sie zu bewältigen. Dass sie sich selbst damit überflüssig macht, ist ihr schönster Freundschaftsdienst. Ein wunderbar lesenswertes Buch.

Anne Gröger: "Hey, ich bin der kleine Tod. Aber du kannst auch Frida zu mir sagen"
dtv, München 2021
201 Seiten, 13 Euro
ab 10 Jahren

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