Andreas Maier: "Die Städte"

Reiseerzählungen als Fellpflege

14:19 Minuten
Andreas Maier steht in der Wetterau auf einer Brücke, auf der man die B3 überqueren kann (Foto vom 10.07.2012). Mit der B3 kann man sich auch literarisch auseinandersetzen - das tut der aus der Wetterau stammende Schriftsteller Andreas Maier. Für ihn ist die Straße ein Symbol für die Zerstörung seiner Heimat geworden.
Reisen, ohne davon zu erzählen: So hält es der Schriftsteller Andreas Maier am liebsten, wenn er nicht im Dienst ist. © picture alliance / dpa / Thomas Maier
Andreas Maier im Gespräch mit Andrea Gerk · 15.03.2021
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Auf Reisen machen Menschen Fotos, um später anderen zu zeigen, was sie gesehen haben. Andreas Maier fotografiert nicht. Er fährt auch nirgendwo hin, um sich etwas anzugucken. Trotzdem hat er jetzt ein Buch über das Reisen geschrieben.
Die Bücher der Romanreihe "Ortsumgehung" sind für Andreas Maier zu einem Lebensprojekt geworden. In dem aktuellen Roman "Die Städte" geht es ums Reisen und um die Erfahrung, auf Reisen zu sein.
"Ich habe anlässlich dieses Buches darüber nachgedacht, dass ich 1995 meine letzte touristische Reise gemacht habe", erzählt Maier. Andere Menschen machten auf Reisen Fotos und erzählten später, was sie gesehen haben. "Das ist überhaupt nicht meine Welt", sagt Maier und mutmaßt, das sei alles nur "Fellpflege", weil man gern Komplimente entgegennehme.

Reisen, um Bier zu trinken

Wenn er in den letzten Jahren überhaupt mal irgendwo hingefahren sei, dann nach Köln oder Düsseldorf, Bamberg oder Salzburg, "und zwar ausschließlich, um da in bestimmten Wirtschaften Bier zu trinken." Diese Wirtschaften müsse er nicht fotografieren, weil er sie seit vielen Jahren kenne. Und er müsse davon auch nicht erzählen.
Maiers Ich-Erzähler im Roman heißt, wie er selbst, ebenfalls Andreas. Trotzdem sei die Reihe nicht autobiografisch, sagt Maier, sondern bediene sich der Motive seines eigenen Lebens. Eines davon sei die alljährliche Reise mit der Familie nach Südtirol. Dort verbrachte Maier als Kind den Sommerurlaub in einer Ferienwohnung.

In einer Ferienwohnung eingepfercht

"Ich kann ja nichts dafür, dass ich in einem inadäquat großen Haus aufgewachsen bin", sagt Andreas Maier. Dieses dann jeden Sommer mit einer wesentlich kleineren Wohnung tauschen zu müssen, habe er nicht gut in Erinnerung. Hinzu komme, dass er ohnehin zu Soziophobie neige und dann dort mit seinen Eltern und Geschwistern "eingepfercht" gewesen sei.
Auch Andreas, der Protagonist des Romans, erlebt das so. Später geht er allein auf Reisen, fährt aus freien Stücken nach Biarritz, sagt Maier. Doch er verreise nur, weil es alle in seiner Umgebung so machen. Andreas ist 15 Jahre alt und stellt fest: Seine Eltern sind gereist, seine Schulfreunde reisen, also müsste er das doch auch wollen. Und so probiert er das Reisen für sich aus. Maier beschreibt in diesem Roman, wie es Andreas damit geht und wie er sich dabei fühlt.

Nicht die einfachste Person

Das Gefühl, im Moment nicht reisen zu können, irritiert Maier schon. "Ich bin ja auch nicht die einfachste Person und muss jetzt mit mir zurechtkommen", sagt der Schriftsteller. Er habe viele Jahre lang in zwei Städten gelebt, so dass das Reisen für ihn zum Lebensrhythmus dazugehörte. Durch die Pandemie sei dieser Rhythmus jetzt völlig dahin.
(nis)
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