"An der Garnisonkirche klebt die braune Asche Hitlers"

Von Joachim Hildebrandt · 26.10.2013
Die Garnisonkirche in Potsdam wurde 1968 gesprengt, jetzt soll sie als Ort der Versöhnung wieder aufgebaut werden - für 100 Millionen Euro. Doch das Projekt provoziert Streit weit über die Stadt hinaus. Kritiker sehen in dem Gotteshaus ein Symbol für die Verbindung von Preußen und Nationalsozialismus.
Die Bundesregierung hat den umstrittenen Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche zum Projekt von nationaler Bedeutung erklärt. Baubeginn für den Turm wird Anfang 2014 sein. Bis 2017 – dem 500. Jahrestag des Thesenanschlags von Martin Luther – soll der Turm der einstigen Barockkirche eingeweiht werden. Der Verwaltungsvorstand der Stiftung Garnisonkirche, Peter Leinemann:

"Die Garnisonkirche Potsdam besteht aus zwei Teilen: einem Turm und einem Kirchenschiff. Wir reden bis 2017 vom Turm, der allerdings so groß ist und auch eine Kapelle enthält, dass man sagen könnte, es handelt sich schon um eine Kirche. Aber es ist baulich der Turm, der mit fast 2000 Quadratmetern Nutzfläche und fast 90 Meter Höhe als Turm schon größer ist als viele Kirchen im Ganzen."

Der Wiederaufbau ist umstritten, weil am Tag von Potsdam, dem 21. März 1933, mit der Machtübergabe von Reichspräsident Hindenburg an Adolf Hitler die Kirche in Potsdam ein Symbol für die Verbindung von Preußen und Nationalsozialismus geworden ist. Immer wieder taucht die Frage auf: Warum soll diese Kirche wieder aufgebaut werden? Der Theologische Vorstand, Pfarrer Martin Vogel:

"”Wir wollen die ehemalige Garnisonkirche als Bürgerkirche für Potsdam wiedergewinnen und sind fest davon überzeugt, dass Menschen des 21. Jahrhunderts Lernorte brauchen, an denen eine Gewissensbildung stattfinden kann für zukünftige Generationen, die auch vor der Frage stehen, wie Verantwortung in ihrem Leben wahrgenommen werden kann und wie Freiheit bewahrt werden kann. Als Theologe erinnere ich sehr gern an einen Ausspruch Martin Luthers, der gesagt hat: Menschen sind immer Sünder und Gerechte zugleich. Das gilt nicht nur für unsere Vorfahren, sondern das erleben auch Zeitgenossen heute, dass sie Erfahrungen machen mit dem Scheitern, obwohl sie es gut gemeint haben, und ihnen Dinge gleichzeitig auch gut gelingen.""

Braucht Brandenburg eine weitere Gedenkstätte?
Das Nutzungskonzept der Garnisonkirche aus dem Jahre 2005 sieht vor, dass die Kirche als ein Versöhnungszentrum fungieren soll in der Tradition des Versöhnungsansatzes der Nagelkreuzgemeinde von Coventry. Dabei geht es um eine Versöhnung zwischen Siegern und Besiegten, Tätern und Opfern, Verfolgern und Verfolgten. Die Kieler Nikolaikirche wurde nach dem Zweiten Weltkrieg das erste Nagelkreuzzentrum in Deutschland.

Geplant ist, dass in der Potsdamer Garnisonkirche einmal im Jahr ein Versöhnungspreis verliehen werden soll, um in Konfliktgebieten zur Befriedung beizutragen. Außerdem ist ein Dokumentationszentrum vorgesehen. Der Linke-Kreischef Sascha Krämer, ebenfalls ein Potsdamer, hat seine Bedenken bei der Umsetzung des Versöhnungsgedankens an diesem Ort.

"Der Versöhnungsgedanke ist richtig, aber wir haben in Brandenburg diverse Gedenkstellen, wir haben KZ-Außenstellen, wir haben KZ-Lager, diverse Mahnmale, die mittlerweile kaputtgehen, verrotten und vernachlässigt werden. Wir brauchen nicht noch mal 120 Millionen auszugeben, um eine weitere Gedenkstätte zu halten."

Das Projekt Garnisonkirche sollte ausschließlich aus Spenden finanziert werden. Beim Bürgerhaushaltsverfahren, bei dem die Potsdamer über den Haushalt der Landeshauptstadt mitbestimmen, hat im vergangenen Jahr sich eine überwältigende Mehrheit dafür ausgesprochen, die Errichtung der Kirche nicht mit städtischen Mitteln zu fördern.

Sascha Krämer: "”Es gibt kaum namhafte und große Spender. Man versucht es immer wieder mit Initialzündungen, einmal die Lottomittel vor zwei Jahren, dann die Mittel aus den DDR-Partei- und Massenorganisationen, damit der Bürger spendet. Aber jede Initialzündung ist ins Leere gelaufen.""

"Die Kirche steht für Militarismus"
Die Bundesregierung hat Mitte August eine Förderung von 12 Millionen Euro für den Wiederaufbau zugesagt. Die Kosten der Rekonstruktion des Gotteshauses werden mit 100 Millionen Euro veranschlagt.

Sascha Krämer: "”Welchen Schritt hat die Bundesregierung jetzt vor? In einem demokratischen Staat wird Geld in diese Kirche investiert, die eigentlich nicht für Demokratie steht. Nicht für Weltoffenheit und nicht für Toleranz. Sie steht eher für Militarismus und dann für den Übergang in den Nationalsozialismus. Man könnte an dieser Stelle etwas anderes machen. Man könnte etwas Neues machen, zum Beispiel die Wehrmachtausstellung dorthin holen.""

Die Initiative "Potsdam ohne Garnisonkirche" spricht sich dafür aus, an diesem Ort einen Garten der Erinnerung oder eine Stele der Mahnung zu errichten und auf diese Weise zur Versöhnung beizutragen. Im Keller, im alten Gewölbe der jetzigen Ruine, könnte eine Ausstellung stattfinden. Günter zu Nieden von der Bürgerinitiative:

"Der Ort ist richtig. Aber die Form und der Inhalt müssen zusammenpassen. Ein barockes Gebäude kommt ja nicht aus dem Versöhnungsgedanken, sondern es ist eine Sehnsucht, die dahintersteckt. Dieselbe Sehnsucht wie bei dem Aufbau des Stadtschlosses. Und es ist eben nicht die Kraft und der Mut, eine neue Form zu wagen."

Der Theologe Friedrich Schorlemmer sagt, die Garnisonkirche war eine Militärkirche. Für eine kritische Selbstbesinnung würden wir keine Militärkirche brauchen, sondern eine Friedenskirche, meint Schorlemmer. Und die gibt es schon in Potsdam. Die Friedenskirche am Park Sanssouci. Er sagt auch "an der Garnisonkirche klebt die braune Asche Hitlers". Das ist ein Punkt, der im öffentlichen Bewusstsein vorhanden ist. Pfarrer Martin Vogel:

"Wir haben Friedrich Schorlemmer mehrfach nach Potsdam eingeladen, um mit ihm das direkte Gespräch zu suchen. Leider hat er bisher keine Zeit gefunden, um uns zu besuchen."

Der Aufbau der Kirche ist mehr oder weniger beschlossene Sache. Der Turm ist abgesegnet; die Baugenehmigung für den Wiederaufbau der Kapelle und den Turm der Garnisonkirche hat die Stadt Potsdam erteilt. Der Streit über die Gestaltung der Kapelle ist beigelegt. Statt achteckig wird sie nun kreuzförmig sein und weniger hoch als ursprünglich geplant. Sie soll nicht mehr so monumental und pathetisch wirken. Vor allem hell soll es innen sein.

Millionen vom Bund und dem Land Brandenburg
Im Turmfuß der Ruine der Garnisonkirche ist in den 50er-Jahren eine provisorische Kapelle eingerichtet worden: die Heilig-Kreuz-Kapelle. Doch 1968 wurde im Auftrag der DDR-Regierung die Kirche gesprengt, weil sie nicht in das sozialistische Stadtbild passte. Nun soll die alte Kirche wieder aufgebaut werden – doch das wird teuer. Von insgesamt 18,5 Millionen Euro an gesammeltem Geld kommen 12,4 Millionen vom Bund und zwei Millionen Euro vom Land Brandenburg. Bislang sind somit tatsächlich weitaus mehr öffentliche als private Gelder in das Projekt geflossen. Das kritisiert die Stadtfraktion der Linken und auch die Initiative "Potsdam ohne Garnisonkirche".
Peter Leinemann: "Insgesamt wollen wir jede Geldquelle gerne nutzen und werben auch weiterhin um private Gelder. Nur, den Vorwurf, dass wir keine öffentlichen Gelder benutzen wollen, den teilen wir nicht. Als Stiftung haben wir das auch nie so gesagt."

Die Gegner des Projekts befürchten, die neu aufgebaute Garnisonkirche könnte zu einem Symbol für die schlechten Seiten des alten Preußen und des Militarismus werden. Die Befürworter betonen dagegen den Gedanken der Versöhnung, die sie mit der Kirche stiften wollen.

Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg wird für die Dauer von sechs Jahren eine landeskirchliche Pfarrstelle bereitstellen, um das Projekt Garnisonkirche theologisch und geistlich zu unterstützen. Ein Ort der Versöhnung soll geschaffen werden, der aber jetzt schon die Stadt Potsdam spaltet.
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