Amerikanische Protestbewegung gegen Renoir

Macht Platz für bessere Kunst!

Ein Bild des französischen Impressionisten Pierre-Auguste Renoir
Eines von Renoirs Werken: "Frühstück" © dpa / picture alliance / Michael Reynolds
Von Jürgen Kalwa · 29.10.2015
Manche halten den französischen Maler Auguste Renoir für einen der besten Maler seiner Zeit - andere hassen ihn, wie der New Yorker Jurastudent Max Geller. Der führt nun sogar eine landesweite Protestbewegung an.
Es gilt als eines der populärsten Gemälde in einem der angesehensten Museen der Welt. "La Promenade". Die Nummer 30 auf der Tour durch die Frick Collection an der Fifth Avenue in New York
"Der ungewöhnliche Maßstab dieses impressionistischen Gemäldes lässt vermuten, dass es sich dabei um eines der Gesellschaftsbilder handelt, die Renoir in seinen frühen Jahren als Auftragsarbeiten malte..."
Es ist nicht der einzige Renoir mit dem Titel "La Promenade". Das Getty Museum in Los Angeles hat ein anderes Motiv, das genauso heißt. Aber dieses Bild bringt Max Geller wie kein anderes aus der Fassung. Die blonde Frau mit den zwei jungen Mädchen, die die Welt mit stierem Blick betrachten. Ortstermin im Museum am Mittwochmorgen.
"Erstens, die meisten Kinder haben Knöchel. Diese beiden sehen aus, als ob hätten sie Stuhlbeine. Und dann die schwarzen Augen. Wie mit Filzstift und mit Gewalt eingefärbt. Es ist nicht nur ein schlechtes Gemälde. Es ist ärgerlich und verstörend. Die Haut der Kinder sieht so bleich ist wie die von Toten."
Den eingeschlafenen Kunstbetrieb wachrütteln
Geller mag nicht nur diesen Renoir nicht. Der New Yorker Jura-Student, der inzwischen eine ganze Protestgruppe auf die Beine gestellt hat, findet diese Liebesaffäre zahlreicher amerikanischer Museen mit dem Franzosen einfach daneben. Die Kulturinstitutionen sollten die Bilder verkaufen, solange der Markt noch ordentliche Preise abwirft. Und Platz machen für andere, bessere Kunst. Die Initiative nennt sich "Renoir sucks at painting" und ist die erste ihrer Art seit langem in den USA, die versucht, den eingeschlafenen Kunstbetrieb wachzurütteln. Unter anderem mit Protestaktionen vor bedeutenden Museen in Boston und New York.
Man trug Schilder, rief Slogans und marschierte vor den Eingängen auf und ab. Amerikanische Medien horchten auf. Einige Autoren, etwa im Politikmagazin The Atlantic geben ihnen recht. Eigentlich würde doch jeder Renoir hassen, schrieb das Blatt. Geller sagt, wie der Kernvorwurf zu verstehen ist:
"'Sucks' bedeutet, dass jemand etwas nicht kann. Kein Begriff aus der Sprache der Künstler. Es ist ein Slang-Wort. Und das benutzen wir mit Absicht."
Pierre-Auguste Renoir ist in den USA im Laufe der Jahrzehnte immer mal wieder zur Zielscheibe geworden. Der einflussreiche Kunstkritiker Peter Schjeldahl etwa räumte neulich auf der Webseite des Wochenmagazins New Yorker ein, dass er den Maler früher ähnlich kritisch sah. Aber inzwischen hat er sich intensiver mit dem Maler beschäftigt und schätzt ihn. "Renoir hassen ist nur eine Phase", schrieb er.
"Das kann man nicht einfach ausblenden"
Diese Phase ist allerdings für die Protestgruppe keineswegs zu Ende. Geller ließ am Mittwoch durchblicken, dass man auch noch der Barnes Collection in Philadelphia einen Besuch abstatten will. Kein Museum in den USA hat nämlich so viele Renoirs an den Wänden: sage und schreibe 181. Albert C. Barnes, der Gründer, zu Lebzeiten ein selbstbewusster Antipode des Kunst-Establishments, sah in dessen Arbeiten Anschauungsunterricht dafür, wie man Kunst sehen und studieren sollte. Und er erläuterte als Co-Autor eines dicken Buches die Qualitäten seines Lieblingsmalers.
Martha Lucy ist Kuratorin in der Barnes Collection, aber keineswegs gegen eine kritische Bestandsaufnahme.
"Ich finde die Protestbewegung ziemlich amüsant. Und gut, weil sie Menschen dazu bringt, über Kunst zu reden. Auch wenn sie sie nicht mögen. Denn viele Leute wissen gar nicht, dass ihn einige seiner Zeitgenossen für den größten Maler hielten. Darunter Picasso und Matisse. Wir sind alle sehr von Renoir beeinflusst worden. Das kann man nicht einfach ausblenden. Das wäre wie Geschichte neu schreiben."
Woran bislang kein großer Bedarf steht. Renoir ist Publikumsmagnet. Übrigens auch in Deutschland. Kein Wunder, dass sich die Gruppe gerade ihn ausgesucht hat.
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