"Renoir"

Von Hans-Ulrich Pönack · 06.02.2013
Gilles Bourdos' Film zeigt den Maler Renoir in seiner letzten kreativen Lebensphase. Er ist schon alt und gebrechlich, findet aber in der schönen Marktfrau Andrée Heuschling noch eine Muse - und spätere Schwiegertochter. Eine Leinwand-Pracht.
Auch ein Meister wird alt und gebrechlich. Als wir den großen Franzosen Pierre-Auguste Renoir, den Maler des Impressionismus, erstmals erblicken, ist sein Körper nur noch ein Wrack. Die Arthritis bereitet dem 74-Jährigen starke Schmerzen. Er kann kaum laufen und hält sich in einem Tragsessel aufrecht. Materiell sind er und die Seinen um ihn herum, seine Söhne und das weibliche Personal, sich zusammensetzend aus ehemaligen Modellen, Dienstmädchen-Verehrerinnen, Ex-Geliebten, abgesichert. Man residiert in einem prächtigen Landhaus mit wunderschöner Terrasse und üppigem Garten an der malerischen Cote d’Azur, weit weg vom Krieg anno 1915.

Renoir leidet unter dem Verlust seiner kürzlich verstorbenen Ehefrau; arbeitet unaufhörlich, stets umhegt und gepflegt von seinem Bewunderer-Umfeld. Er trifft auf seine letzte Muse, Andrée Heuschling, eine schöne junge rothaarige Landfrau, die er als Modell engagiert. Sie inspiriert ihn.

Der französische Produzent, Drehbuch-Autor und Regisseur Gilles Bourdos, Jahrgang 1963, liebt vor allem die atmosphärische Bildersprache. Mit seinem vierten Kinofilm (zuletzt: "Danach", 2008, mit John Malkovich) erzählt er ruhig und besonnen von seinem begnadeten Landsmann in der letzten kreativen Lebensphase, stellt dessen neue Muse in den optischen Mittelpunkt und entwickelt sanft die aufkommende Liebesgeschichte zwischen dem desillusionierten Renoir-Sohn Jean, dem späteren begnadeten Cineasten und Filmemacher ("Die große Illusion"), der verwundet aus dem Krieg gekommen ist und seiner Genesung harrt, und der schönen Andrée. Wir wissen, sie wird später seine Ehefrau und übernimmt dann in den 20ern in mehreren seiner Filme unter dem Künstlernamen Catherine Hessling die Hauptrolle.

Sanft heißt hier das emotionale Verständigungsmittel. Zwischen Schönheit und Gedanken. Gilles Bourdos und sein aus Taiwan stammender Kameramann Mark Li Ping Bing schwelgen in einem faszinierenden emotionsvollen Bilderreichtum. Ein Wasserfall wird zum Motiv-Ereignis. "Renoir" ist eine filmisch dichte, sonnige, faszinierende bildliche Einzigartigkeit. Jede Einstellung strahlt "wie gemalt".
Ein wunderbarer Film zum Zeit-Nehmen, zum Innehalten, zum genüsslichen Schauen. Michel Bouquet fesselt augenblicklich- in jedem Moment seines melancholischen wie schmerzhaften Ausdrucks von Schaffen und Endlichkeit. Christa Theret als lebensfrohe Andrée findet beschwingt wie sinnlich zu diesem "Meister". Sowohl auf dem Fahrrad wie dann vor Ort. Als gescheites Modell.

Eine konventionelle, schöne Leinwand-Pracht, zum lustvollen Sattsehen, inmitten süchtig machender Ruhe. Herrlich: Der Film "Renoir" ist stimmungsvolle Kino-Gegenhektik pur.


Belgien/Frankreich 2011. Regie: Gilles Bourdos. Nach dem Buch "Le tableau amoureux" von Jacques Renoir; mit Michel Bouquet, Christa Théret, Vincent Rottiers. 111 Minuten.

Webseite "Renoir"
Auguste Renoir (Michel Bouquet) malt seine Muse Andrée Heuschling (Christa Théret)
Auguste Renoir (Michel Bouquet) malt seine Muse Andrée Heuschling (Christa Théret)© Arsenal Filmverleih