Verfälschte Suchergebnisse?

Wenn Amazon Desinformation liefert

09:40 Minuten
Ein Paket wird in einem Amazon-Lager am 18. November 2021 in Brieselang, Deutschland, gescannt.
Im Gegensatz zu Facebook und Twitter betrachtet sich Amazon als Produktplattform: „Das heißt, man geht zu Amazon, um ein Produkt zu kaufen. Und solange dieses Produkt nicht verboten ist, darf es natürlich bei Amazon verkauft werden.“ © Getty Images / Maja Hitij
27.11.2021
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Amazon zeigt bei Suchergebnissen vorrangig Publikationen von Impfgegnern und Verschwörungserzählungen an. Matthias Spielkamp von der NGO AlgorithmWatch fordert mehr Transparenz beim Zustandekommen der Rankings.
“Virenschleuder Amazon” nennt das Onlinemedium “netzpolitik.org” den großen Onlinehändler: Wer auf der Plattform nach Begriffen wie “Impfung” oder “Corona” sucht, bekommt nach den von netzpolitik.org durchgeführten Versuchen vorrangig Bücher angezeigt, die sich der Impfgegnerschaft und Verschwörungsecke zuordnen lassen.
Das ist weder eine realistische Abbildung unserer gesellschaftlichen Verhältnisse noch unseres Wissenstandes übers Impfen. Es wird also ein verzerrtes Bild gezeigt. Ein Ergebnis des Suchalgorithmus von Amazon.
Was wissen wir überhaupt darüber, wie diese Suchergebnisse und Empfehlungen zustande kommen? Warum schafft Amazon es nicht, seriöse Artikel in seinem Angebot bevorzugt zu behandeln – oder ist das nicht gewollt? Sollte Amazon in den geplanten EU-Gesetzen aus diesem Grund auch als Inhalte-Anbieter behandelt und entsprechen reguliert werden? Darüber sprechen wir mit Matthias Spielkamp von der Initiative AlgorithmWatch.

Sind die Bewertungen überhaupt echt?

Grundsätzlich können nur begründete Vermutungen angestellt werden, wie Amazons Suchergebnisse und Rankings zustande kommen, sagt Matthias Spielkamp. So kann man schauen, wie oft ein Buch verkauft wird, welche Bewertungen und Kaufempfehlungen abgegeben werden. Ob diese Bewertungen allerdings auch echt sind, ist unklar.
Auf Nachfrage verweist Amazon gerne darauf, sie würden darauf achten, dass auf ihren Seiten nichts Illegales passiere und dass sie auf die Einhaltung ihrer Geschäftsbedingungen achten würden. Mit diesen Verweisen bezieht sich Amazon auf die national geltenden Gesetze. So ist in Deutschland Holocaust-Leugnung und die Darstellung von Hakenkreuzen verboten.

Amazon betrachtet sich als Produktplattform

Im Gegensatz zu Facebook und Twitter betrachte sich Amazon aber als Produktplattform: „Das heißt, man geht zu Amazon, um ein Produkt zu kaufen. Und solange dieses Produkt nicht verboten ist, darf es natürlich bei Amazon verkauft werden.“
„Aber die Frage danach, was ist jetzt ein guter Inhalt und sollte der weit oben in der Empfehlungsliste stehen, die ist natürlich heftig umstritten. Und wenn Amazon da jetzt eine Position beziehen würde, dann gäbe es eben Krach darum. Und das wollen die vermeiden.“

Der Konzern hat eine gesellschaftliche Verantwortung

Auch für Matthias Spielkamp gebe es immer noch einen Unterschied zwischen Sozialen Netzwerken und einem digitalen Warenhaus wie Amazon. Doch wo genau dieser verlaufe, sei schwer zu bezeichnen. Vor allem könne sich der US-amerikanische Großkonzern nicht komplett aus der Verantwortung stehlen – gerade in Zeiten einer globalen Pandemie.
„Eine Plattform, die so unfassbar einflussreich ist, weil sie eben von so vielen Menschen genutzt wird wie Amazon, hat auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Das heißt, sie sollte sich dieser Frage auch stellen: Ist es denn okay, wenn wir hier Desinformationen und Verschwörungsmythen verbreiten? Und da sehe ich jetzt erst mal nicht so sehr eine rechtliche Handhabe, sondern eher eine ethische. Das heißt, Amazon sollte wirklich selber den Standard haben und den Anspruch haben, dass sie das eben nicht tun.“
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