Altenpflege im Roman

Wie "Heimliteratur" den Menschen Würde gibt

Eine Friseurin frisiert in einem eine alte Frau, die im Rollstuhl sitzt.
Wie empfindet ein pflegebedürftiger Mensch? Einige Belletristik-Neuerscheinungen widmen sich dem Thema. © imago / photothek
Sieglinde Geisel im Gespräch mit Andrea Gerk · 12.02.2019
Es gibt viele Ratgeber und Berichte über das Leben mit Pflegebedürftigen. Seit ein paar Jahren wagen sich verschiedene Autoren auch an die Verarbeitung des Themas in Romanform. Unsere Kritikerin hat sich einige Neuerscheinungen angeschaut.
Beim Thema Pflege, Alter, Krankheit denkt man erst einmal an Sachbücher, doch in den letzten Jahren ist es auch in der Belletristik ein Thema geworden, man spricht bereits von "Heimliteratur".
Literaturkritikerin Sieglinde Geisel hat ein paar der Werke gelesen: Bei allen Autoren, sagt Geisel, stünden persönliche Erfahrungen mit pflegebedürftigen Verwandten oder Freunden im Hintergrund. Insofern hätten die Bücher oft etwas Autobiografisches, ähnlich etwa Arno Geigers "Der alte König in seinem Exil". Mit dem Unterschied jedoch, dass Geigers Buch eine Dokumentation seines Lebens mit dem demenzkranken Vater ist, während viele neuere Bücher sich dem Thema tatsächlich als Erzählung oder Roman nähern.

Annäherung an Gefühle und Gedanken der Betroffenen

Der literarische Mehrwert dieser Annäherung an das Thema sei etwa das Spielen mit Perspektiven. Und dass die Geschichten versuchten, den betroffenen Menschen als Persönlichkeit mit Gefühlen und Gedanken zu zeigen.
"Der Fokus ist nicht auf den Pflegenden, der Fokus ist wirklich auf den Menschen, die die Pflege brauchen. Und das ist auch etwas, das Literatur leisten kann, was eben die Sachbücher nicht leisten: Sie geben den Menschen die Würde zurück."
Ganz neu sei die Verarbeitung des Themas Pflege und Hinfälligkeit natürlich nicht, sagt Sieglinde Geisel. Es gebe prominente Vorbilder: etwa Thomas Manns "Zauberberg" oder Samuel Becketts "Malone stirbt".

Die Bücher zum Thema:

Martina Bergmann, "Mein Leben mit Martha"
Eisele Verlag, erscheint am 22. Februar 2019, 224 Seiten, 18 Euro

Daniel Wisser, "Königin der Berge"
Jung und Jung, 2018, 400 Seiten, 24 Euro

Gerasimos Bekas, "Alle Guten waren tot"
Rowohlt, 2018, 256 Seiten, 20 Euro

Martina Hefter,"Es könnte auch schön werden"
Kookbooks, 2018, 112 Seiten, 19,90 Euro

Jaroslav Rudiš, "Winterbergs letzte Reise"
Luchterhand, erscheint am 25. Februar 2019, 544 Seiten, 24 Euro

Elias Hirschl, "Hundert schwarze Nähmaschinen"
Jung & Jung, 2017, 336 Seiten, 24 Euro
ab 9. Juli 2019 im btb Verlag auch als Taschenbuch erhältlich

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