Alles für die Staatsräson
Seine Feinde zeichneten von ihm das Bild eines Ungeheuers - tatsächlich aber war Philipp II. ein staatskluger, höflicher und feinsinniger König. Friedrich Edelmayer erinnert an einen Monarchen, in dem die Spanier einst nicht zu Unrecht einen "neuen Salomon" erkannten.
"Man erwartet – ich weiß nicht welches? Ungeheuer, sobald von Philipp dem Zweiten die Rede ist – mein Stück fällt zusammen, sobald man ein solches darin findet", gab Schiller den Lesern seines "Don Carlos" zu bedenken. Um der dramatischen Wahrheit willen rechtfertigte er den Menschen, der im König steckte. Das ist ihm gelungen, und Verdi gelang es später, die schmelzende Wirkung in seinem musikalischen Drama noch zu steigern. Seither ist Philipp II. als einsamer Mensch bekannt, als Opfer seines Systems, der vergeblich nach Freundschaft, nach Liebe verlangte und in diesem Begehren fürchterlich enttäuscht wird.
Doch der wirkliche, reich veranlagte König und Mensch hat nichts mit diesem populär gewordenen "Bühnenbild" zu tun. Daran erinnert Friedrich Edelmayer in seiner Biografie dieses ersten modernen Weltherrschers. Allein war der nie. Seine Töchter und seine deutschen, völlig hispanisierten Neffen verschafften ihm die Gemütlichkeit, anders lässt es sich nicht sagen, die ihm ein Bedürfnis war. Die Familie bot dem Großherzigen Erholung. Befand er sich auf Reisen, schrieb er den Kindern herzliche Briefe.
"In dieser Korrespondenz findet sich nicht der angeblich infame, mitleidlose.....und verschlossene Bürokrat auf dem spanischen Throne, sondern der liebende, besorgte Vater, der sich Zeit nahm, mit seinen Töchtern über Probleme des täglichen Lebens zu sprechen und sich eingehend nach den Enkelkindern zu erkundigen."
Das Verhältnis zu seinem Sohn Carlos wurde unweigerlich distanziert und angespannt, seitdem Philipp II. sich keine Illusionen mehr über dessen bleibende Unreife und Regierungsunfähigkeit machen konnte. In Spanien war es bislang noch nie vorkommen, einen Thronfolger zu entmündigen und zu internieren. Auch geisteskranke Monarchen, wie Philipps Großmutter, wurden nicht abgesetzt. Philipp II. ordnete alles der Staatsräson unter, um den königlichen Staat vor einem unzurechnungsfähigen König und vor dann unvermeidlichen Adelscliquen zu bewahren. Er handelte entschlossen, wohl wissend, dass er nicht unbedingt verstanden werde. Er rechtfertigte sich nur kurz bei seinem Vetter, Kaiser Maximilian II. oder beim Papst und unterrichtete knapp seine verschiedenen Botschafter.
"Allen gab er zu verstehen, er habe so handeln müssen wegen des Dienstes an Gott und an seinen Reichen. Doch zeigte er auch Emotionen: Seine Entscheidung habe er mit Tränen in den Augen getroffen."
Nach spanischen Anschauungen galt eine Monarchie ohne Schriftlichkeit soviel wie ein Reich ohne Licht. Kastilien ist der erste durchrationalisierte, effiziente Verwaltungsstaat der Moderne. Spanien hatte damit einen erheblichen Vorsprung gewonnen gegenüber den anderen Staaten, beunruhigt durch Bürger- und Konfessionskriege. Philipp II., der immer bei offener Tür arbeitete, schaffte die Anrede Majestät ab und ließ sich im amtlichen Verkehr mit Senor, also mit Herr anreden. Er begriff sein Amt als Dienst und sich selbst als ersten Diener des Staates, beauftragt für das gemeine Wohl und Spaniens Weltherrschaft zu arbeiten. Der König ließ sich über alles gründlich berichten.
"Eine endgültige Resolution behielt er sich immer selbst vor. Daher sind von Philipp II. abertausend Anmerkungen auf Bergen von Akten erhalten, denn mit eiserner Disziplin las er ab den frühen Morgenstunden all jene Papiere, die ihm übermittelt wurden."
Dennoch fand er Zeit, eine große Bibliothek anzulegen und mit sehr selbständigem Geschmack Bilder zu erwerben, seine Gartenanlagen in den Landschlössern zu entwerfen und als ausgebildeter Architekt beim Bau des Escorial sachkundig mitzureden. Theater interessierte ihn überhaupt nicht, bald die wichtigste Leidenschaft der Spanier. Er beschäftigte sich aber ausdauernd mit Naturwissenschaften und schon damals mit Statistik. Er war nicht zum religiösen Fanatiker erzogen worden und richtete sich nach den staatspolitischen Erfordernissen im Umgang mit protestantischen Fürsten oder mohammedanischen Fürsten. Deutsche Lutheraner – wie der sächsische und brandenburgische Kurfürst - ließen sich mit Hilfe spanischer Gelder davon abhalten, Opposition im Reich und gegen Spanien zu treiben.
Die prächtige Zeit Philipps II. und das Bild seines Protagonisten war durch die Schwarze Legende seiner Feinde verdunkelt worden. Seit gut 20 Jahren werden die Übermalungen abgetragen und aus dem Ungeheuer wird, was Philipp II. war: ein staatskluger, höflicher und feinsinniger König. Es ist das Verdienst Friedrich Edelmayers, die Deutschen an einen Monarchen zu erinnern, in dem die Spanier einst gar nicht zu Unrecht einen "neuen Salomon" erkannten.
Friedrich Edelmayer: Philipp II. Biografie eines Weltherrschers
Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2009
Doch der wirkliche, reich veranlagte König und Mensch hat nichts mit diesem populär gewordenen "Bühnenbild" zu tun. Daran erinnert Friedrich Edelmayer in seiner Biografie dieses ersten modernen Weltherrschers. Allein war der nie. Seine Töchter und seine deutschen, völlig hispanisierten Neffen verschafften ihm die Gemütlichkeit, anders lässt es sich nicht sagen, die ihm ein Bedürfnis war. Die Familie bot dem Großherzigen Erholung. Befand er sich auf Reisen, schrieb er den Kindern herzliche Briefe.
"In dieser Korrespondenz findet sich nicht der angeblich infame, mitleidlose.....und verschlossene Bürokrat auf dem spanischen Throne, sondern der liebende, besorgte Vater, der sich Zeit nahm, mit seinen Töchtern über Probleme des täglichen Lebens zu sprechen und sich eingehend nach den Enkelkindern zu erkundigen."
Das Verhältnis zu seinem Sohn Carlos wurde unweigerlich distanziert und angespannt, seitdem Philipp II. sich keine Illusionen mehr über dessen bleibende Unreife und Regierungsunfähigkeit machen konnte. In Spanien war es bislang noch nie vorkommen, einen Thronfolger zu entmündigen und zu internieren. Auch geisteskranke Monarchen, wie Philipps Großmutter, wurden nicht abgesetzt. Philipp II. ordnete alles der Staatsräson unter, um den königlichen Staat vor einem unzurechnungsfähigen König und vor dann unvermeidlichen Adelscliquen zu bewahren. Er handelte entschlossen, wohl wissend, dass er nicht unbedingt verstanden werde. Er rechtfertigte sich nur kurz bei seinem Vetter, Kaiser Maximilian II. oder beim Papst und unterrichtete knapp seine verschiedenen Botschafter.
"Allen gab er zu verstehen, er habe so handeln müssen wegen des Dienstes an Gott und an seinen Reichen. Doch zeigte er auch Emotionen: Seine Entscheidung habe er mit Tränen in den Augen getroffen."
Nach spanischen Anschauungen galt eine Monarchie ohne Schriftlichkeit soviel wie ein Reich ohne Licht. Kastilien ist der erste durchrationalisierte, effiziente Verwaltungsstaat der Moderne. Spanien hatte damit einen erheblichen Vorsprung gewonnen gegenüber den anderen Staaten, beunruhigt durch Bürger- und Konfessionskriege. Philipp II., der immer bei offener Tür arbeitete, schaffte die Anrede Majestät ab und ließ sich im amtlichen Verkehr mit Senor, also mit Herr anreden. Er begriff sein Amt als Dienst und sich selbst als ersten Diener des Staates, beauftragt für das gemeine Wohl und Spaniens Weltherrschaft zu arbeiten. Der König ließ sich über alles gründlich berichten.
"Eine endgültige Resolution behielt er sich immer selbst vor. Daher sind von Philipp II. abertausend Anmerkungen auf Bergen von Akten erhalten, denn mit eiserner Disziplin las er ab den frühen Morgenstunden all jene Papiere, die ihm übermittelt wurden."
Dennoch fand er Zeit, eine große Bibliothek anzulegen und mit sehr selbständigem Geschmack Bilder zu erwerben, seine Gartenanlagen in den Landschlössern zu entwerfen und als ausgebildeter Architekt beim Bau des Escorial sachkundig mitzureden. Theater interessierte ihn überhaupt nicht, bald die wichtigste Leidenschaft der Spanier. Er beschäftigte sich aber ausdauernd mit Naturwissenschaften und schon damals mit Statistik. Er war nicht zum religiösen Fanatiker erzogen worden und richtete sich nach den staatspolitischen Erfordernissen im Umgang mit protestantischen Fürsten oder mohammedanischen Fürsten. Deutsche Lutheraner – wie der sächsische und brandenburgische Kurfürst - ließen sich mit Hilfe spanischer Gelder davon abhalten, Opposition im Reich und gegen Spanien zu treiben.
Die prächtige Zeit Philipps II. und das Bild seines Protagonisten war durch die Schwarze Legende seiner Feinde verdunkelt worden. Seit gut 20 Jahren werden die Übermalungen abgetragen und aus dem Ungeheuer wird, was Philipp II. war: ein staatskluger, höflicher und feinsinniger König. Es ist das Verdienst Friedrich Edelmayers, die Deutschen an einen Monarchen zu erinnern, in dem die Spanier einst gar nicht zu Unrecht einen "neuen Salomon" erkannten.
Friedrich Edelmayer: Philipp II. Biografie eines Weltherrschers
Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2009

Buchcover "Philipp II . Biographie eines Weltherrschers" von Friedrich Edelmayer© W.Kohlhammer Verlag