Aline Frazão: "Insular"

"Die Inselschönheit nützt nichts, wenn du sie nicht teilst"

Die angolanische Sängerin Aline Frazão
Die angolanische Sängerin Aline Frazão © imago/GlobalImagens
Von Katrin Wilke · 21.04.2016
Auf der kleinen schottischen Insel Jura hat die Angolanerin Aline Frazão ihr neues Album "Insular" aufgenommen. Ein neuer Sound sollte hier entstehen, so die Singer-Songwriterin. Herausgekommen ist ein farbenprächtiges Werk zwischen Jazz, Rock, Noise - und akustischer Musik.
"O som do Jacarandá" – Dem Sound des Jacarandá, dieses auch in Angola vorkommenden imposanten Baumes – wird hier mit poetischen Worten und einer westafrikanisch klingenden E-Gitarre nachgespürt. Ansonsten vernimmt man auf Aline Frazãos neuem Album "Insular" nicht allzu viele Echos ihres Heimatkontinents. Die Reise ging – geografisch wie musikalisch – diesmal in ganz andere Gefilde für die kosmopolite Singersongwriterin aus Luanda, die bislang knapp 10 ihrer 27 Lebensjahre in Portugal und Spanien zubringt.
"Nach zwei sehr persönlichen Alben, deren Songs ich schrieb und selbst produzierte, versuchte ich bei diesem dritten, aus meinem eigenen Kopf, meiner Welt herauszukommen, was Ästhetik und Einflüsse angeht. Ich wollte anderes ausprobieren und lernen. Woandershin zu gehen, in den Norden, mit Jazz zu arbeiten und mit Pedro, dem E-Gitarristen all das war wichtig, um diesen angestrebten neuen Sound zu erzielen. Auch für mich selbst ich begann, E-Gitarre zu spielen, mit ihren Effekt-Pedalen zu experimentieren, mit all dieser neuen Welt an Klängen und Musik. Ein wirklich interessanter, kreativer Prozess des Lernens und Erkundens einer neuen Soundwelt, die auch der Rockmusik und Noise näher und atmosphärischer ist. Gleichzeitig hat es auch seine Wurzeln in der akustischen Musik, auch der angolanischen, was von jeher meine Bezüge waren."

Frazão: "Es geht um all das, was dich das Alleinsein lehren kann"

Gleich zu Beginn des Albums nimmt der Titeltrack "Insular" den gedanklichen Faden auf von der Insel als ein für Schönheit und Einsamkeit stehender Sehnsuchtsort. Auf eine offenbar sehr inspirierende und Ruhe spendende Insel im schon erwähnten Norden zog es Aline Frazão auch zum Aufnehmen von zehn der insgesamt elf mehr oder weniger "insularen" Songs: Jura, ein von 180 Menschen bewohntes schottisches Eiland, auf dem auch der britische Produzent Gilles Perring lebt und arbeitet. Von ihm erfuhr die Angolanerin durch einen befreundeten portugiesischen Weltmusikveranstalter.
"Wir waren dort in einem Haus, in dessen Wohnzimmer das Studio war - mit großen Fenstern zum Meer. Einfach die perfekte Kombination, der perfekte Ort, um das Album aufzunehmen, in Tuchfühlung mit der Schönheit von Jura. Eine wirklich sehr, sehr schöne Erfahrung! … Ich komme aus einer großen Stadt, kenne deren Geschäftigkeit, Millionen von Menschen, viel Verkehr und Chaos. Wenn du an Orten wie Luanda lebst, zieht es dich an einen ruhigen Ort, wo dein Geist Ruhe findet.
'Insular' erzählt davon, von jemandem, der auf einer sehr schönen Insel ankommt, die in meiner Vorstellung im Süden ist. Es geht um all das, was dich das Alleinsein lehren kann: die verschiedenen sinnlichen Aspekte, Wahrnehmungen und Gedanken. Die große Erkenntnis dieses Songs ist schließlich: Die Inselschönheit nützt nichts, wenn du sie nicht teilst. Das ist die Lehre, der Schlüssel des ganzen Albums: Wir sollten nicht aufhören miteinander zu teilen, selbst wenn es schwer ist, miteinander zu sprechen, einander zu verstehen und all die Dinge zu verhandeln, die es so im gesellschaftlichen Miteinander zu händeln gilt."

Song "Susana" als Botschaft an die angolanische Heimat

Alles andere als schwer schien dagegen die Kommunikation mit den mitwirkenden, überwiegend britischen und schottischen Musikern gewesen zu sein: zunächst mal lauter Unbekannte für die Singer-Songwriterin, die aus Lissabon lediglich Pedro Geraldes, E-Gitarrist einer populären Rockband, mit auf die Insel gebracht hatte. Unter den vom Produzenten vorgeschlagenen Instrumentalisten war auch die schottische Harfenistin Esther Swift – hier zu hören im wohlklingenden Dialog mit Aline Frazãos sinnlich-nachdenklichem Gesang. Diese hätte, wie sie schmunzelnd gesteht, nie gedacht, mal eine Harfe auf einem ihrer Alben zu haben.
Aline Frazão schwärmt von dieser hörbar gewinnbringenden Begegnung, bei der die Musiker mit ihren ganz anderen Backgrounds genau das Richtige beigesteuert hätten zum Klangreichtum von "Insular". Textlich hingegen karger, essenzieller wollte die politisch wache, reflexionsfreudige Frau nach eigener Aussage ihre Songpoesien diesmal gestalten. Für zwei davon zog sie die Texte anderer, einer portugiesischen Rapperin und einer angolanischen Dichterin heran. Die einzige Fremdkomposition des Albums – rein akustisch und als einziges in Lissabon aufgenommen – ist das in Angola sehr bekannte Traditional "Susana" – vorgetragen in der Bantusprache Kimbundu.
"Damit geht die Reise zu Ende und das ist wie Heimkommen, zurück zur akustischen Musik, gewissermaßen zu den Roots. Das bedeutet mir sehr viel, ist es doch wie eine Hommage an meinen Background, an die wunderschöne Musik, die wir in Angola haben, samt ihrer vielen verschiedenen schönen Sprachen. Das Lied ist auch sowas wie ein Versprechen. Denn viele Leute dort erwarteten, ich würde ein mehr mit Afrika, mit Angola verbandeltes Album aufnehmen. Aber dem war nicht so. Daher ist 'Susana' eine Botschaft: Ich habe es nicht vergessen und ich werde zurückkommen." (lacht)
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