Alexandra Riedel über "Sonne Mond Zinn"

"Dinge geschehen, Menschen auch"

10:31 Minuten
Alexandra Riedel ist auf einer Straße zu sehen, sie wendet ihren Kopf über die rechte Schulter halb zurück und blickt in Richtung Kamera. Sie trägt Mantel und hat einen Schal um, die Haare trägt sie kurz.
Alexandra Riedel lässt Gustav Zinn das Leben seiner Mutter erzählen, einer unehelichen Tochter. © Copyright: Nane Diehl
Alexandra Riedel im Gespräch mit Joachim Scholl |
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In ihrem Debütroman entfaltet Alexandra Riedel eine Familientragödie an einem einzigen Nachmittag: Der Großvater ist gestorben und wird beerdigt, seine uneheliche Tochter fehlt, aber der Enkel ist dabei – und erzählt vom Leben seiner Mutter.
Der Debütroman von Alexandra Riedel spielt an einem einzigen Nachmittag, auf einer Familien-Trauerfeier: "Sonne Mond Zinn" heißt der Roman, und beerdigt wird der Großvater von Gustav Zinn. In Gustav Zinns Leben haben Väter bislang keine große Rolle gespielt, weder der eigene noch der der Mutter, der nun verstorbene Großvater.
Unser Moderator Joachim Scholl sagt, er sei in den letzten Wochen selten so gefangen gewesen von einer Geschichte und rät dringend zur Lektüre. Er ist fasziniert von der Sprache Riedels, die am Literaturinstitut Leipzig studiert hat. Es klinge tiefgehend und gleichzeitig so leicht und zwischendurch so cool - und trotzdem merke man, dass da eine menschliche Tragödie entfaltet werde.

Distanz und Nähe

Riedel lässt Gustav Zinn die Geschichte seiner Mutter erzählen, der unehelichen Tochter des Toten, die auf der Beerdigung nicht anwesend ist, und er spricht seine Mutter beim Erzählen mit Du an. Mit dieser direkten Ansprache habe sie Nähe schaffen wollen, sagt Riedel: "Was bietet sich da mehr an, als Liebe darzustellen? Und die lässt sich wiederum gut erzählen durch diese direkte Ansprache."
Zugleich sei es ihr aber auch wichtig gewesen, eine Distanz zu haben: "Es sollte eben nicht so ein ganz großes emotionales Zusammentreffen sein", sagt Riedel. "Wenn man sich vorstellt, die Tochter selbst wäre da gewesen, das hätte mir für sie, für die Figur, auch sehr leidgetan."
So sei es zu der Konstellation gekommen, dass der Enkel des Verstorbenen die Geschichte seiner Mutter erzählt, dass der Abstand um eine Generation vergrößert wird. "Ich brauchte eine Distanz, weil ich eben nicht so einen dramatischen Familienroman schreiben wollte, in dem es dann viele Emotionen gibt und einen Tusch und eine Aufklärung und eine Wahrheit."

Tragischer und humoristischer Auslöser-Satz

Ein Schlüsselsatz des Romans lautet "Dinge passieren, Menschen auch", er war auch der Auslöser für das Schreiben dieses Buches: "Der Satz ist einerseits ja sehr tragisch, wenn man sich selbst mit einem Ding vergleicht. Er hat aber auch etwas Humoristisches für mich", wägt Riedel. "Man ist so ein bisschen entsetzt, wenn man diesen Satz hört. Gleichzeitig kann man sich aber auch eine Figur vorstellen, die das lächelnd sagt. Das war genau das, was mir für die Mutter passend erschien."
Sie gibt diesen Satz an Gustav Zinn weiter, der ihn übernimmt. Mit dem Satz und der Situation umzugehen, falle dem Sohn aber wesentlich schwerer als der Mutter, so Riedel.
(mfu)

Alexandra Riedel: "Sonne Mond Zinn"
Verbrecher Verlag, Berlin 2020
112 Seiten, 19 Euro

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