Medizinethikerin Alena Buyx

"Ethik ist nicht für den 15-Sekunden-O-Ton geeignet"

34:29 Minuten
Porträtfoto von Alena Buyx. Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats hat schulterlange blonde Haare, trägt eine schwarze Brille und ein weiß-beige gestreiftes Oberteil. Sie blickt freundlich in die Kamera.
Die Pandemie hat nach Meinung von Alena Buyx gezeigt, dass es „ein enormes Potenzial für solidarisches Handeln in der Gesellschaft“ gibt. © Deutscher Ethikrat/Fotograf Reiner Zensen
Moderation: Britta Bürger · 24.02.2022
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Die Medizinethikerin Alena Buyx ist Vorsitzende und Gesicht des Deutschen Ethikrates. Dessen Empfehlungen, etwa zur Impfpflicht, sollen auch die Öffentlichkeit informieren. Doch Ethik passt für Buyx eigentlich nicht in kurze Talkshow-Statements.
Präimplantationsdiagnostik, Intersexualität, Suizid oder Big Data, es sind komplexe Themen wie diese, mit denen sich der Deutsche Ethikrat beschäftigt. Vor der Pandemie hat ihn ein großes Publikum wohl in Ferdinand von Schirachs Fernsehspiel „Gott“ wahrgenommen, da ging es um die Sterbehilfe.
In den vergangenen zwei Jahren war der Ethikrat, besonders seine Vorsitzende Alena Buyx, vor allem rund um das Thema Corona gefragt.

Ausführliche Stellungnahmen, kurze Statements

Umfassen die Stellungnahmen für die Politik mitunter mehrere Hundert Seiten, waren in den Interviews zum Virus schnelle und besonders kurze Antworten gewünscht. Für die Medizinerin eine besondere Herausforderung:
„In der Tat ist Ethik eigentlich überhaupt nicht für den 15-Sekunden O-Ton geeignet. Auch nicht für die zwei Minuten, die man in der Talkshow hat. Und gleichzeitig ist es aber der gesetzliche Auftrag des Ethikrats, öffentliche Debatten über ethische Themen zu befördern und zu informieren. Das heißt, wir müssen raus in die Öffentlichkeit.“
Zudem habe man die Aufgabe, „Empfehlungen für die Politik zu ethischen Fragen zu erarbeiten“, aber sich auch „mit anderen nationalen Ethikräten und Ethikgremien auf der ganzen Welt“ zu vernetzen, sagt Alena Buyx.

Keine "Ethik-Polizei"

Was die Medizinethikerin in letzter Zeit aber schon mehrfach betont hat: „Wir sind nicht die Ethik-Polizei.“ Man sei nicht dafür zuständig, darauf zu achten, „was überall falsch läuft“, sondern es gehe vielmehr darum zu schauen, „wie sollte man etwas in Zukunft machen“.
Nie, so die Vorsitzende, würde der Ethikrat dabei auf Einzelfälle schauen. So aber hatte es von Schirachs Fernsehspiel „Gott“ suggeriert.
Ethik, das ist für Alena Buyx zusammengefasst: „Die Theorie der Moral. Das Nachdenken, das Analysieren der moralischen Regeln, der Normen, der Prinzipien, die wir alle in unserem Leben, in unserer Gesellschaft haben. Und die Ethik ist die Wissenschaft davon.“
Ihre Aufgabe im Ethikrat finde sie auch deshalb reizvoll, weil hier Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Fachbereichen zusammenkommen. „Das sind die Sozialwissenschaftler, die theologischen Kollegen, und ich gehöre zu denjenigen, die diese philosophische Ausbildung haben“, erzählt Buyx.

Schwerpunkt Solidarität

Die Wissenschaftlerin studierte Medizin, Philosophie, Soziologie, dazu auch Gesundheitswissenschaften. 2014 wurde sie in Kiel als Professorin für Medizinethik berufen, 2018 wechselte sie an die TU München. Seit zwei Jahren ist sie Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, 2021 wurde die Medizinethikerin mit dem Deutschen Nationalpreis ausgezeichnet.
Einer ihrer wissenschaftlichen Schwerpunkte ist die Solidarität, die Verteilungsgerechtigkeit im Gesundheitswesen. Alena Buyx hat sich damit bereits in ihrer philosophischen Magisterarbeit beschäftigt.
Ganz besonders die Pandemie habe gezeigt, dass es „ein enormes Potenzial für solidarisches Handeln in der Gesellschaft“ gibt. Auch wenn dieses nach zwei Jahren abnehme, sei das eine „enorme Leistung“, findet sie.

Geänderte Empfehlung zur Impfpflicht

Dass auch der Ethikrat seine Empfehlungen im Laufe der Zeit anpassen müsse, hat ihrer Ansicht nach die Debatte um die Impfpflicht gezeigt. Denn zunächst sprach man sich dagegen aus. Von „umschwenken“ will Buyx nicht sprechen, „das ist ein suboptimales Wort“. Noch vor zwölf Monaten sei man davon ausgegangen, dass man viel niedrigere Impfquoten brauche und sich die meisten Menschen impfen lassen würden.
„Über ein Jahr später schaut man sich das an. Und wir können nicht ignorieren, dass sich der Sachstand deutlich verändert hat“, sagt sie. Nach zwei Jahren Pandemie, die für die meisten Menschen als „Ausnahmesituation“ wahrgenommen wird, kann Alena Buyx aber auch positive Aspekte erkennen, „wo wir uns als Gesellschaft weiterentwickelt haben“.
Neben der schon beschriebenen Solidarität habe zudem das Vertrauen in die Wissenschaft zugenommen. „Es ist auch mehr Verständnis dafür entstanden, wie Regeln in unserem Gemeinwesen gemacht werden.“
(ful)

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