Alban Bergs Violinkonzert

Die Uraufführung wird zum Requiem

Der österreichische Komponist Alban Berg
Der österreichische Komponist Alban Berg © dpa/picture alliance/Ullstein
Von Albrecht Dümling · 19.04.2016
Sein Violinenkonzert "Dem Andenken eines Engels" widmete Alban Berg einer früh verstorbenen Tochter Alma Mahlers. Kurz danach starb der Komponist selbst an einer Blutvergiftung. Die Uraufführung in Barcelona heute vor 80 Jahren wurde so zu einer Totenfeier.
"Tönen der Zwölftonreihe, mit der ich das ganze Konzert baue."
Bergs Zwölftonreihe verbindet tonale und atonale Elemente. Sie endet mit eben den Ganztonschritten, mit denen der Choral beginnt.
Kunstvolle Variationen über den Bach-Choral "Es ist genug" bilden den Schluss des Violinkonzerts, an dem der Komponist wie besessen arbeitete. Schon im August konnte er die Partitur vollenden und Alma Mahler überreichen.
Nur wenig später erlitt Alban Berg nach einem Insektenstich eine Blutvergiftung, der er im Dezember 1935, erst 50-jährig, erlag. Die Uraufführung seines Violinkonzerts am 19. April 1936 bei einem internationalen Musikfest in Barcelona wurde so zu einem Requiem nicht nur für Manon Gropius, sondern auch für den Komponisten. Louis Krasner spielte den Solopart. Anton Webern hatte eigentlich das Konzert dirigieren sollen, musste diese Aufgabe dann aber kurzfristig an Hermann Scherchen abgeben. Für viele Zuhörer, nicht zuletzt für die aus Wien angereiste Witwe des Komponisten, war es ein bewegendes Ereignis. Bergs Schüler Willi Reich schrieb in seiner Rezension:
"Die Uraufführung des letzten vollendeten Werks Bergs, des ‚dem Andenken eines Engels‘ gewidmeten Violinkonzerts, bedeutete eine wahre Sensation. Hermann Scherchen, der die Leitung mit ganz kurzer Probenzeit übernommen hatte, vollbrachte eine nachschöpferische Meisterleistung."
Bergs Violinkonzert wurde seine meistgespielte Komposition. Am Schluss klingt noch einmal der Bach-Choral an, bevor das Werk in sphärischem B-Dur endet. Mit dem Ton B, dem Anfangsbuchstaben seines Namens, hatte Alban Berg das Konzert auch beginnen lassen. Hatte er geahnt, dass es seine letzte Komposition sein würde?
Zensur Bergs in Nazi-Deutschland
"Diese Kokain-Musik bedeutet uns eine Krankheit. Wir erleben den musikalischen Bolschewismus in Reinkultur."
So verdammte der Musikkritiker Paul Zschorlich Orchesterstücke von Alban Berg, die Erich Kleiber am 30. November 1934 in Berlin uraufgeführt hatte. Die Nationalsozialisten inszenierten einen Skandal, der Dirigent trat von seinem Amt zurück. Musik von Berg durfte seitdem in Hitler-Deutschland nicht mehr gespielt werden, was den Wiener Komponisten in finanzielle Bedrängnis brachte. Er nahm deshalb dankbar an, als drei Monate später der amerikanische Geiger Louis Krasner bei ihm ein Violinkonzert bestellte und als Honorar 1.500 US-Dollar anbot.
Violinkonzert Manon Gropius gewidmet
Kurze Zeit später, im April 1935, starb in Wien Manon Gropius, die 18-jährige Tochter des Architekten Walter Gropius und seiner Frau Alma Mahler an Kinderlähmung. Berg, ein Freund der Witwe Gustav Mahlers, hatte dieses schöne und heitere Mädchen besonders geliebt. Er beschloss deshalb, sein neues Werk der Toten zu widmen. An deren Mutter schrieb er:
"Eines Tages mag Dir aus einer Partitur, die 'dem Andenken eines Engels' geweiht sein wird, das erklingen, was ich fühle und wofür ich heute keinen Ausdruck finde."
Seinem Violinkonzert gab Berg eine zweiteilige Form. Nach Art einer symphonischen Dichtung schilderte er im ersten Teil den unbeschwerten Charakter des jungen Mädchens, im zweiten Teil ihren Todeskampf und die Erlösung. Für den Adagio-Schluss verwendete er den Sterbe-Choral aus der Bach-Kantate "O Ewigkeit, du Donnerwort", in dem es heißt:
"Es ist genug! Herr, wenn es Dir gefällt, so spanne mich doch aus! Nun gute Nacht, o Welt."
Diesen Choral hatte Berg auch wegen der ungewöhnlichen Melodie ausgewählt.
"Die ersten vier Töne des Chorals, eine Ganztonfolge, entsprechen genau den letzten vier."
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