Akustischer Stadtplan

Wiener Spaziergänge mit den Ohren

Der akustische Onlinestadtplan von Wien wurde von der Österreichischen Mediathek entwickelt.
Der akustische Onlinestadtplan von Wien wurde von der Österreichischen Mediathek entwickelt. © Österreichische Mediathek
Von Karla Engelhard · 27.01.2016
Hören, was man nicht sieht? Mit einem akustischen Stadtplan ermöglicht die Österreichische Mediathek, Wien neu zu erleben. An Entstehungs- und Spielorten bietet der Stadtplan Archivaufnahmen aus mehr als 100 Jahren wie die Stimmen von Elfriede Jelinek oder Curd Jürgens. Zeitzeugen erzählen vom Alltag in der Innenstadt, dem historischen jüdischen Leben im 15. Bezirk oder dem Wiener Wurstelprater.
"Das ist eine Arie, auch ein Schellackaufnahme, es singt Lotte Lehmann und die Idee hinter diesem akustischen Stadtplan die war auch relativ ambitioniert, weil es musste wirklich der Ton ganz konkret etwas mit diesem Ort zu tun haben. Im Figaro- Haus ist es so, es wurde dort komponiert."
... von Amadeus Mozart, der auch in diesem Haus gewohnt hat. Das heutige Mozartmuseum liegt im Schatten des Wiener Stephansdoms. Gabriele Fröschl und Johannes Kapeller vom Technischen Museum haben gemeinsam mit dem Historiker Georg Traska einen akustischen Stadtplan entwickelt. Genauer: drei Stadtspaziergänge für Ohren, Augen und Beine.
Johannes Kapeller und Gabriele Fröschl von der Österreichischen Metdiathek testen ihren akustischen Onlinestadtplan in Wien vor dem Mozarthaus.
Johannes Kapeller und Gabriele Fröschl von der Österreichischen Metdiathek testen ihren akustischen Onlinestadtplan vor dem Mozarthaus.© Karla Engelhard
Gabriele Fröschl: "Die Idee war einfach, dass wir uns überlegt haben, wir haben so viele tolle Inhalte im Archiv, wie kann man diese Töne, diese sehr stimmungsvollen Bilder Wiens an Mann und Frau bringen."
Johannes Kapeller: "Weil es eben auch vom Blick weg geht, es handelt sich bei all diesen Aufnahmen um Archivaufnahmen, da sind Radioaufnahmen dabei, das sind Schellackaufnahmen dabei, da sind Digitalaufnahmen dabei, das ist Zeitkolorit natürlich, da ist das Rauschen einer alten Platte."
Gabriele Fröschl: "Eine dieser Aufnahmen ist von Heinrich Fischer, er war der Oberkantor des Stadttempels bis 1938. Diese Aufnahmen sind deshalb so interessant, weil sie wirklich eine untergegangene Kultur, noch am Leben halten."
Hören, was man nicht mehr sehen kann, denn die meisten Synagogen Wiens wurden 1938 zerstört. Eine Webseite für Smartphones, Tablet oder Computer, keine App, liefert den Stadtplan, die Spaziergänge oder einzelne Töne und Geschichten zu Gebäuden, Plätzen oder Straßen, mit Kopfhörern gut zu hören. Der neue Wiener Onlinestadtplan ist seit kurzem in Netz und soll weiter entwickelt werden.
Jenseits der touristischen Klischees
"Also es ist eher für Leute, die etwas entdecken wollen, also man muss jetzt kein Kenner sein und wir haben versucht, auch ein bisschen weg von den touristischen Klischees zu kommen. Es gibt Lebensgeschichtliche Interviews, wo einfach Leute erzählen über ihre Kindheit an diesen Orten."
Nach einem kleinen gemeinsamen Stadtspaziergang mit Gabriele Fröschl und Johannes Kapeller von der Österreichischen Mediathek wird klar, was Gabriele Fröschl so auf den Punkt bringt:
"Wir haben total viel Spaß beim Bauen des Stadtplans gehabt und wir haben uns selber danach immer wieder die Töne angehört und ein bisschen haben wir schon auch was Neues über Wien erfahren. Wir lieben unser eigenes Projekt, muss ich sagen ... "
Und das hört man auch. Eine leicht angestaubte Radioreportage von 1957, die die Geschichte der Stimme Österreichs, der größten und schwersten Glocke des Landes erzählt, wird zu einem wunderbares Zeitdokument für die Ohren.
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