Aktienhandel

Grüne kritisieren geheimen Wertpapierhandel

Aktienhändler verfolgen an der Börse in Frankfurt am Main auf ihren Monitoren die Kursentwicklung (Aufnahme mit Zoomeffekt).
Nicht alle Aktienverkäufe finden an der regulären Börse statt. Zu den Dark Pools haben nur Großanleger Zugang. © picture alliance / dpa / Boris Roessler
Gerhard Schick im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 29.09.2014
Im Schatten der Börse hat sich ein intransparenter Parallelhandel etabliert. Die sogenannten Dark Pools gehen auf Kosten der Kleinanleger, kritisiert der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick. Er sieht nun die EU in der Pflicht.
von Billerbeck: Herr Schick, ich grüße Sie, guten Morgen!
Gerhard Schick: Guten Morgen!
von Billerbeck: Vor zehn Jahren fanden noch 80 Prozent des Handels mit amerikanischen Aktien an der New York Stock Exchange statt, heute sind es nur noch 20 Prozent. Der Rest ist auf konkurrierende Börsen verteilt und auf diese privat betriebenen Plattformen, die sogenannten Dark Pools, die wir eben erklärt haben. Wie sinnvoll sind die eigentlich?
Schick: Das hat Vorteile für die einzelnen Händler, gerade für die großen zum Beispiel Pensionsfonds. Denn es gibt zunächst einmal geringere Gebühren und, wie das ja auch gerade dargestellt worden ist, man kann größere Volumina auch abwickeln, ohne dass es den Kurs beeinflusst. Und für manche mag es sicher auch ein Vorteil sein, dass es eben weniger transparent ist, dass also Unternehmen gar nicht wissen, ob sie und von wem sie gerade gekauft und verkauft werden.
von Billerbeck: Aber lassen sich denn mit diesen Dark Pools überhaupt noch die tatsächlichen Preise von Aktien gewährleisten und zeigen?
Schick: Das ist genau das Problem, die Transparenz an den Finanzmärkten sinkt, wenn immer mehr über intransparente Handelsplattformen, die meistens von den Banken organisiert werden, abgewickelt wird. Und eigentlich wollen wir ja einen transparenten Finanzmarkt, bei dem man weiß, wie kommen Preise zustande. Und dazu kommt ein großes Problem bei den Dark Pools, es kann Interessenskonflikte geben der Banken, die diese selber organisieren.
Denn wer sagt denn, ob die die Informationen, die sie in dem Dark Pool bekommen, nicht dann anderweitig auch nutzen? Die Banken sagen zwar, dass sie das trennen, aber wir haben in den letzten Jahren immer wieder festgestellt, dass, wo es die Möglichkeit von Interessenskonflikten gibt, dass dann das auch genutzt wird.
von Billerbeck: Es gibt ja aktuell in den USA gerade Ermittlungen gegen Goldman Sachs und Morgan Stanley, eben Investmentbanken, wegen dieser Dark Pools, und in Europa gegen Barclays, die Deutsche Bank und UBS. Aber wie kommen denn die Ermittler an ihre Informationen, wenn das Ganze im Geheimen passiert?
In den Dark Pools wird der Handel nicht überwacht
Schick: Das ist genau die Schwierigkeit. Es gibt keine Handelsüberwachung, wie wir sie von den normalen Börsen kennen. Und deswegen haben wir auch relativ wenig Information über das, was in den Dark Pools wirklich geschieht. Also, vieles ist sozusagen die Befürchtung, dass es geschieht, aber die konkreten Fälle hier beziehen sich darauf, zum Beispiel bei Barclays, die hatten angegeben, dass keine Hochfrequenzhändler im Pool sind, es sind aber offensichtlich doch welche zugelassen. So weit ist das natürlich, wenn man in die Banken als Aufsicht reingeht, durchaus nachvollziehbar.
von Billerbeck: Hochfrequenzhändler, also diese superschnellen Computer, die da Aktienhandel betreiben in ganz kurzer Zeit?
Schick: Genau.
von Billerbeck: Wie gefährlich ist denn dieses Schattenhafte für den ganzen Wirtschaftsprozess, wenn da also gehandelt wird und niemand weiß eigentlich, was da geschieht?
Schick: Insgesamt ist Intransparenz ein Problem für den Finanzmarkt. Trotzdem würde ich jetzt nicht sagen, dass Dark Pools jetzt irgendwie der Auslöser der nächsten Finanzkrise werden würden. Es sind Handelsplattformen. Wenn eine Bank kippt, hat das ganz große systemische Auswirkungen. Wenn jetzt einzelne Aktienpakete intransparent den Besitzer wechseln, dann ist das nicht direkt dieselbe Gefährdung.
Trotzdem, finde ich, ist es ein großes Problem, wenn Finanzmärkte nicht transparent sind. Und es ist die Gefahr, dass es eben zu unfairer Preisbildung kommt. Und das benachteiligt dann insbesondere kleinere Akteure, also auch Kleinanleger, die dann gar nicht wissen, was für sie eigentlich der richtige Handelsweg ist, und die am ehesten darunter leiden, wenn sehr potente Hochfrequenzhändler mit ihren Computersystemen eben sich Vorteile verschaffen können im Markt. Also, von der Intransparenz profitieren ja letztlich vor allem diejenigen, die besonders gut ausgerüstet sind.
von Billerbeck: Nun haben Sie ja gesagt, es wäre gut, wenn es da Transparenz gäbe. Das heißt ja, man braucht auch eine Aufsicht über diesen Markt. In Deutschland muss die Finanzaufsicht Bafin, diese Plattform, beaufsichtigen, aber eben nur, wenn diese auch ihren Sitz in Deutschland haben. Nun sitzen aber die meisten Plattformen in London. Da kann man doch von Deutschland aus gar nicht viel tun?
Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen) spricht am 01.12.2012 in Böblingen (Baden-Württemberg) auf dem Parteitag der baden-württembergischen Grünen. Abgestimmt wurde über die ersten beiden Listenplätze der Landesliste zur Bundestagswahl 2013. 
Der Finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick© Franziska Kraufmann / dpa
EU-Kommission muss neue Richtlinie umsetzen
Schick: Das ist richtig, das ließe sich nur europäisch dann organisieren. Und die rechtliche Grundlage für den Wertpapierhandel ist ja auch weitgehend durch die europäischen Richtlinien gebildet worden und da findet jetzt auch gerade ein Prozess statt, hier nachzusteuern, weil doch viele jetzt zu der Ansicht gekommen sind, dass die Liberalisierung im Wertpapierhandel zu weit gegangen ist und dass man diese intransparenten Handelsplattformen wieder einschränken soll. Das sieht jetzt auch die neue europäische Richtlinie für den Wertpapierhandel, die sogenannte vor.
Jetzt muss man sehen, ob das bei der Ausgestaltung, die die Kommission vornimmt, dann auch wirklich so kommt. Auf jeden Fall, der Weg ist der richtige, hier mehr Transparenz zu schaffen.
von Billerbeck: Na ja, werden wir sehen. Der neue EU-Kommissar für Finanzen kommt vom Finanzplatz London. Mal sehen, ob der das mitträgt.
Schick: Genau, das ist die Gefahr, die ich gerade angedeutet habe. Die sogenannte Level-II-Vorschriften, also die Umsetzungsvorschriften, die die Europäische Kommission selber erlässt auf der Grundlage dieser Richtlinie, die sind noch nicht fertig. Und der neue Finanzkommissar könnte hier noch mal Einfluss nehmen. Er kommt aus London, hat viel für die Finanzbranche gearbeitet, da befürchte ich Schlimmstes.
von Billerbeck: Nun hat ja jede größere Investmentbank eine solche Plattform, so einen Dark Pool, auch die Deutsche Bank, gegen die ja inzwischen auch ermittelt wird. Die betreibt zwei dieser außerbörslichen Plattformen. Aber, Herr Schick, wenn wir so wenig über diese Dark Pools wissen, wissen wir denn überhaupt etwas darüber, was auch die Deutsche Bank da treibt?
Schick: Nein, das wissen wir im Einzelnen nicht, das ist ja genau das Problem. Und deswegen muss man versuchen, in Zukunft das wieder zurückzuführen auf das, wofür es früher mal da war. Und damals waren das dann aber auch wirklich kleine Volumina, die dort abgewickelt worden sind, das heißt, man hat nur bei wenigen Großaufträgen, wo man eine kursschonende Abwicklung brauchte, um den Markt durcheinanderzubringen, solche intransparenten Strukturen genutzt, und das war dann im Verhältnis zu dem gesamten Handelsvolumen der Märkte wenig. Wenn man das wieder darauf zurückführt, dann ist man, glaube ich, auf dem richtigen Weg. Wir wissen im Moment zu wenig, was da stattfindet.
von Billerbeck: Sie, Herr Schick, Sie haben sich mal mit dem einen der Chefs der Deutschen Bank in einer Diskussion gefetzt, Jürgen Fitschen hat sie danach eingeladen, doch mal an einer Vorstandssitzung teilzunehmen, damit Sie mal mitkriegen, wie es da so läuft. Was stünde denn ganz oben auf der Tagesordnung einer Vorstandssitzung, wenn Sie bestimmen könnten, was da ablaufen soll?
Handlungsbedarf auf Seiten der Bank
Schick: Das Wichtigste ist für mich nach wie vor die Eigenkapitalausstattung der Banken. Also ist es so, dass die Banken genug eigenes Kapital haben, um auch bei größeren Verlusten das selber auffangen zu müssen, sodass nicht der Steuerzahler dran muss? Das ist für mich das wichtigste Thema mit den Banken. Aber das zweitwichtigste wäre dann direkt die ganzen Fragen von Interessenskonflikten und Punkten, wo man sich dann am Rande des Rechtssystems bewegt. Die Deutsche Bank hat ja sehr, sehr viele Rechtsstreitigkeiten, weil in den letzten Jahren an vielen Stellen gegen die Gesetze offenbar verstoßen worden ist. Die Verfahren laufen noch, man weiß nicht, wie es im Einzelnen ausgeht.
Aber das zeigt natürlich, dass es da einen Handlungsbedarf gibt vonseiten der Bank, die eigenen Prozesse so zu gestalten, dass man nicht überall mit in Probleme mit der Justiz kommt. Und da gehören genau gerade so intransparente Sachen, wo Interessenskonflikte möglich sind wie die Dark Pools, natürlich auch dazu.
von Billerbeck: Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher von Bündnis 90/Grüne im Bundestag, ich danke Ihnen!
Schick: Ja, vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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