Afghanistan

Was geht gerade verloren?

58:12 Minuten
Auf dm Foto vom 21. Juli 2015 malen afghanische Künstlerinnen und Freiwillige das Motiv der Augen einer Frau auf eine Sperrmauer am Präsidentenpalast in Kabul.
Der freie künstlerische Ausdruck wird in Afghanistan vermutlich bald nicht mehr geduldet werden. © AFP / Wakil Kohsar
Von Christine Watty, Julius Stucke und Johannes Nichelmann |
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Afghanistan ist an die Taliban zurückgefallen. Was geht für Kultur und Gesellschaft verloren? Wir fragen Emran Feroz, Silke Diettrich, Khesrau Behroz, Nabard Faiz, Moshtari Hilal, Shikiba Babori und Zamarin Wahdad.
Im Kulturpodcast geben wir dieses Mal vielen Stimmen von Menschen mit einem Bezug zu Afghanistan Raum. Wir wollen von den Kulturschaffenden und Journalistinnen und Journalisten wissen, was dieses Land ausmacht. Verstehen wir die aktuellen politischen Debatten besser, wenn wir das Land begreifbarer machen?

Positive Geschichten wurden kaum erzählt

In den letzten zwanzig Jahren hätten die wenigsten Medien über Afghanistan ein Bild abseits von Blutvergießen und Terror gezeichnet, findet der österreichisch-afghanische Journalist Emran Feroz. "Wenn man sich auch auf andere Dinge fokussiert hätte, hätte man das Land besser verstanden", vermutet er. Warum dies, nach seiner Auffassung, sogar die jetzige Situation verhindert hätte, erläutert der 30-jährige im Interview.
Moshtari Hilal ist freischaffende Künstlerin, geboren in Kabul, sie lebt in Deutschland. In Kabul hat sie vor einigen Jahren Kontakte zur Künstlerszene geknüpft. Ihre Eindrücke von dort: "Diese Widerständigkeit, die die Menschen 20 Jahre lang an den Tag gelegt haben, auch die Künstler*innen, hat mich sehr beeindruckt. Sie haben diese Zustände natürlich auch in ihrer Kunst verarbeitet."

Heimat, bekannt nur aus Erzählungen

Der Arzt Nabard Faiz verbindet mit Afghanistan vor allem etwas Schönes und Gutes: "Familie, Kultur, Luft, das Essen, das frisch gebackene Brot, die Menschen, das Lachen, die Hoffnung, die Berge". Die aktuellen Ereignisse würden all das überschatten. Er befürchtet, dass die Weltöffentlichkeit schon bald ihre Augen wieder woandershin richten wird.
Der Journalist Khesrau Behroz wurde 1987 in Afghanistan geboren und ist mit seinen Eltern wenige Jahre später nach Deutschland geflohen. Er kennt das Land nur aus Berichten, hat keine greifbaren Erinnerungen. "Mein Vater hat mir erzählt, dass wir - bevor die Taliban sie zerstört haben - oft die Bamyian-Buddha-Statuen besucht haben." Er habe inzwischen das Gefühl, sich tatsächlich bildlich an sie erinnern zu können. Eigentlich hatte Khesrau Behroz vor, bald sein Geburtsland zu besuchen.

Zwischen Paradies und Patriarchat

Auch die 32-jährige Regisseurin und Kamerafrau Zamarin Wahdat hat fast ihr ganzes Leben lang Afghanistan nur aus Erzählungen ihrer Mutter und ihrer Großeltern gekannt. Vor vier Jahren war sie dann das erste Mal selbst dort: "Es sah immer aus wie ein Paradies, so, wie sie es beschrieben haben. Ein großer Garten voller Früchte und Bäume mit einem Fluss, und die Sonne schien immer und es wirkte sehr friedlich."
Die Ethnologin und Journalistin Shikiba Babori sieht nun vor allem die Freiheit der Frauen in Gefahr: "Wenn in den letzten 20 Jahren, die die NATO-Mächte in Afghanistan waren, so viel Geld da war, auch im Namen dieser Frauen, um sie zu unterstützen, und man es nicht geschafft hat: Wie soll das jetzt sein – wo das Militär weg ist, die afghanische Regierung quasi nicht vorhanden und nicht in der Lage ist, diesen Frauen Schutz zu bieten? Jetzt sind die natürlich Freiwild."

Der Blick der Korrespondentin zurück

Silke Diettrich, ARD-Korrespondentin in Südasien, bereist Afghanistan seit 2015 immer wieder. Vor wenigen Wochen war sie als Journalistin beim Abzug der Bundeswehr dabei. Wie dieser Moment aus heutiger Sicht war, welche Rollen Freundschaft und das Gefühl des Alleingelassen-Werdens in Afghanistan spielen, und was sie am meisten vermissen wird, erzählt Diettrich im Kulturpodcast.
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