Rechtsextremismus

Ein Verbotsantrag gegen die AfD wäre falsch

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Das Logo der AfD Bundestagsfraktion, aufgenommen vor einer Fraktionssitzung der AfD im Reichstagsgebäude in Berlin.
Die AfD ist derzeit mit 78 Abgeordneten im Bundestag vertreten. Seit der Bundestagswahl 2021 haben fünf gewählte Mandatsträger ihren Austritt aus der Fraktion erklärt. © picture alliance / dpa / Michael Kappeler
Von Henry Bernhard · 15.12.2022
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Nach der Razzia gegen die "Reichsbürger" ist die Forderung nach einem Verbotsverfahren lauter zu hören: Sollte man die AfD verbieten? Nein, sagt unser Thüringen-Korrespondent Henry Bernhard. Die AfD mache nur sichtbar, was vorher im Verborgenen war.
Gerade aus Thüringen ist diese Forderung nachvollziehbar, wo doch der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke seit Jahren kontinuierlich an der Grenze zur Volksverhetzung segelt, wenn er in seinen Bürgerkriegs- und Deportationsfantasien den Islam aus Europa vertreiben und die aktuelle Staatselite „entsorgen“ will, mit „deutscher Unbedingtheit“ und „kompromisslos“ auf dem Weg zum „vollständigen Sieg“.

Totalitäre Fantasien eines Extremisten

Dies alles sind Zitate aus Reden und einem Buch Höckes. Das sind totalitäre Fantasien, die nicht zufällig an das Wort „Machtergreifung“ denken lassen. Und Höcke, der sich im Landtag immer so gern als Bewahrer des Bürgertums aufplustert, ist nur einer von vielen Rechtsextremisten in der AfD.
Auf Demonstrationen marschiert die AfD mit allen, die noch weiter rechts als sie selbst stehen, obwohl es da manchmal schon eng wird. Sollte man also einen Verbotsantrag an das Bundesverfassungsgericht stellen, um die Demokratie vor schwerem Schaden zu bewahren?
Nein, ein Verbotsantrag wäre falsch. Einerseits, weil das Bundesverfassungsgericht die Grenzen für ein Parteiverbot eng gezogen hat. Es verlangte im NPD-Verbotsverfahren „konkrete Anhaltspunkte von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen“, dass die Partei Erfolg haben könnte, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen.

Planvolles Handeln muss erkennbar sein

Dabei reichte dem Verfassungsgericht nicht das Formulieren der verfassungsfeindlichen Ziele, sondern es verlangte „planvolles Handeln“. Ein Erfolg müsse zumindest möglich erscheinen. Diese Erfolgschance sah das Verfassungsgericht bei der NPD nicht. Und sie besteht auch bei der AfD nicht.
Sicher, Umfragen zeigen die Partei im Osten oft nah an 30 Prozent. Aber solange sich die AfD nicht in größerem Maße als mit Einzelpersonen an Umsturzplänen beteiligt, sollten Demokraten mit ihr fertig werden. Der Verfassungsschutz hat ja in allen Bundesländern ein Auge auf die Partei, in einigen Ländern auch zwei.

Kein Steuergeld für AfD-Stiftung ermöglichen

Vor allem aber müssten die anderen Parteien ihre Hausaufgaben machen. Jede Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen – nicht nur in den Parlamenten, auch auf lokaler Ebene. Endlich die Finanzierung der parteinahen Stiftungen gesetzlich regeln, sodass die AfD-nahe Stiftung keine Aussicht auf Steuergelder hat. Gesetze verfassungskonform so gestalten, dass die parlamentarischen Kontrollgremien des Verfassungsschutzes ohne AfD-Vertreter auskommen.
Die Parteien sollten vor allem auch an den Gründen arbeiten, warum die AfD vor allem im Osten so viel Zustimmung erfährt, und nicht nur jährlich am 3. Oktober und bei Landtagswahlen genauer hinschauen.
Was hieße denn ein Verbot für die Wähler der AfD? Sicher, viele haben sich längst selbst in die rechte Ecke gekuschelt, in die sie nicht gestellt werden wollen. Aber die meisten haben vorher andere Parteien gewählt, von denen sie sich irgendwann nicht mehr repräsentiert sahen. Das kann sich auch wieder ändern. Aber dafür müssen die Parteien was tun. Die AfD macht nur sichtbar, was vorher im Verborgenen war. Ein Verbot würde nichts an den Ursachen ändern.
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