AfD nach der Parlamentswahl in Berlin

Ab sofort kein Alkohol mehr - es wartet Arbeit

Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland (AfD) für Berlin, Georg Pazderski, am 18.09.2016 in Berlin bei der Bekanntgabe der Ergebnisse zum Abgeordnetenhaus.
Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland in Berlin, Georg Pazderski, am 18. September 2016 bei der Bekanntgabe der Ergebnisse zum Abgeordnetenhaus © picture alliance / dpa / Michael Kappeler
Von Wolf-Sören Treusch · 19.09.2016
14 Prozent bei der Berlin-Wahl - das wertet der AfD-Spitzenkandidat Pazderski als "großen Vertrauensbeweis". Er wünschte sich am Wahlabend, dass in Berlin wieder "Recht und Ordnung" einkehren. Erst einmal muss sich Berliner Fraktion für die Arbeit im Abgeordnetenhaus nun selbst organisieren.
Heftig, aber kurz fällt er aus, der Jubel der AfD-Mitglieder und Anhänger, als um 18 Uhr die Prognose bekannt gegeben wird. 11,5 Prozent? Der eine oder die andere hatte mehr erwartet.

Frau: "Aber für den Einstand finde ich es wunderbar."
Mann: "Ich hätte mir natürlich ein Ergebnis von über 20 gewünscht, aber das ist natürlich ein bisschen utopisch, aber ja, 13 wären schon schön."
Frau: "Ja, noch so éinen richtigen Knaller habe ich mir erhofft."
Der "richtige Knaller" hat an diesem Abend Ladehemmung. Auch die ersten Worte von Spitzenkandidat Georg Pazderski, vor allem die Reaktionen darauf fallen verhalten aus. Euphorie klingt anders.
Pazderski:
"Wir haben erneut einen großen Vertrauensbeweis der Wähler erhalten. Wir freuen uns darüber sehr, aber ich muss auch sagen: Wir dürfen nicht abheben. Es ist nur ein Zwischenschritt zu einem viel, viel größeren Ziel. Wir wollen, dass hier in die Bundesrepublik Deutschland, nach Berlin wieder Recht und Ordnung und Freiheit einkehren. Und dafür kämpfen wir."
Dann setzt er noch ein "Wir schaffen das" hinterher. Ein Kalauer, der nicht wirklich zündet bei den gut 200 AfD-Sympathisanten, die sich in einer von der Polizei großzügig abgesperrten Charlottenburger Gaststätte eingefunden haben.
Gegen 20 Uhr ist zu erahnen, dass der "richtige Knaller" noch kommt. In den Hochrechnungen liegt die AfD nun weit über 13 Prozent. Frank Scheermesser, Listenplatz 19, steht kurz davor, ins Abgeordnetenhaus einzuziehen.
"Aber ich will noch nicht euphorisch sein, ich bin da ganz gespannt und erwarte einfach das Beste für diesen Abend."
Dabei ist Frank Scheermesser noch etwas wacklig auf den Beinen, wie er sagt. Vor wenigen Tagen bekam er beim Aufhängen eines Wahlplakates eine Flasche über den Kopf gezogen. Ort des Geschehens: Kreuzberg - hier befindet sich die AfD in der politischen Diaspora.
Frank Scheermesser hat reagiert: Im Halbdunkel neben ihm steht ein Personenschützer. Der wird ihn künftig öfters begleiten.

"Ich verstehe jetzt die Fußballspieler - jetzt kann ich diese Emotionen verstehen"

Dann der "richtige Knaller": Die 14 vor dem Komma erscheint erstmalig auf dem Bildschirm. Jetzt hat es Frank Scheermesser geschafft. Zudem dringen Meldungen durch, die AfD habe sogar fünf Direktmandate erzielt. Einer der Gewinner, Christian Buchholz, Wahlbezirk Pankow 1, kann es kaum fassen.
"Ich verstehe jetzt die Fußballspieler, wenn die irgendwie interviewt werden nach einem gewonnenen Pokalspiel. Also völlig überraschend, 'ne, und denken 'es ist der absolute Wahnsinn', aber es ist wirklich so: Jetzt kann ich diese Emotionen verstehen. Das ist sehr überraschend, und es ist Wahnsinn."
Als das Ergebnis absehbar gewesen sei, habe er sofort keinen Alkohol mehr getrunken, erzählt er. Nüchtern will er bleiben, am Mittwoch beginnt die Arbeit. Was er als erstes anpacken wird im Abgeordnetenhaus?
"Das weiß ich jetzt noch nicht. Das ist zu überraschend. Wahrscheinlich erstmal die interne Organisation. Die Organisation der Fraktion. Dass man sich um die Satzung und Aufgabenverteilung und die Fraktionsführung kümmert."
Und noch eine Aufgabe kommt auf die AfD-Fraktion zu. Sie muss klären, wie sie es mit Kay Nerstheimer hält. Der hat ein Direktmandat im Bezirk Lichtenberg gewonnen und steht in Verdacht, Mitglied in einer islamfeindlichen Organisation zu sein, die vom Verfassungsschutz überwacht wird.
AfD-Pressesprecher Ronald Gläser sieht die Angelegenheit gelassen:
"Nachdem wir mit ihm gesprochen haben, stellte sich das so dar, dass er ein Jahr, bevor der Verfassungsschutz diese Organisation überwacht hat, schon ausgetreten war, sodass wir ihm keinen Vorwurf machen können. Und selbst wenn wir wollten: Das würde nicht reichen für ein Parteiausschlussverfahren, dafür müsste er der Partei schwerwiegenden Schaden zugefügt haben, das liegt ja offensichtlich noch nicht vor."
Trotz des am Ende großartigen Wahlergebnisses, war es keine feucht-fröhliche Siegesfeier gestern Abend. Den Verantwortlichen in der AfD scheint klar zu sein, dass viel Arbeit auf sie zukommt.
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