Aeneas Rooch: „Die Entdeckung der Unendlichkeit“

Von der Schönheit mathematischer Probleme

05:57 Minuten
Aeneas Rooch: „Die Entdeckung der Unendlichkeit“
© Heyne Verlag

Aeneas Rooch

Die Entdeckung der Unendlichkeit. Das Jahrhundert, in dem die Mathematik sich neu erfand 1870 – 1970Heyne Verlag, München 2022

416 Seiten

22,00 Euro

Von Hans von Trotha · 25.07.2022
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Der Bestsellerautor und Wissenschaftsjournalist Aeneas Rooch will einem breiteren Publikum das Problem der Unendlichkeit in der Mathematik nahebringen – und deren Neubegründung im 19. und 20. Jahrhundert. Keine einfache Lektüre, aber lohnenswert.
Nachdem er einen Vortrag gehört hatte über die fundamentale Bedeutung des Unendlichen für Literatur, Malerei und Musik in der Romantik, bemerkte einmal ein emeritierter Mathematiker, er habe es immer für eine arithmetische Notwendigkeit gehalten, dass sein Fach sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Unendlichkeit zuwandte. Nun aber habe er lernen müssen, dass die Mathematik am Ende nur einer Mode hinterhergehinkt sei.

Mathematik im historischen Kontext

Auch der Mathematiker Aeneas Rooch bettet seine Geschichte der „Entdeckung der Unendlichkeit“ in der Mathematik in ihren zeit- und kulturhistorischen Kontext ein. Dabei folgt er den theoretischen Entwicklungen in der Mathematik selbst nachvollziehbar und strukturiert. Einerseits personalisiert er die Forschungsgeschichte, erklärt Innovationen im Rahmen der Biografien, parallel dazu leitet er sie innerhalb der argumentativen Genealogie des Fachs ab. Das geht erstaunlich gut.

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Die Einordnung innovativer Fragen, Antworten und Entdeckungen einzelner Männer – ja, es sind alles Männer – selbst in dem schwierigen Feld der höheren Mathematik geht dem versierten Sachbuchautor und eloquenten Wissenschaftsjournalisten so leicht von der Hand, dass man bisweilen zu glauben versucht ist, man verstünde tatsächlich, was da verhandelt wird. Die konkrete Arbeit an der Formel, die rein mathematische Argumentation ist allerdings am Ende auch bei der gewieftesten Darstellung nicht immer etwas für jede oder jeden.
Autor und Verlag heben das unnötig hervor. Neben den hilfreichen Abbildungen, Formeln und Grafiken sollen ornamentale Spielereien rund um das Unendlichkeitszeichen das Bild auflockern. Das passt zur unterhaltsamen, aber konzentrierten Erzählweise ebenso wenig wie die regelmäßig in fette Großbuchstaben gesetzte Triggerwarnung: „ACHTUNG. SIE BETRETEN DIE NERD-ZONE.“ Das merkt man beim Lesen schon selbst.

Besteigen abstrakter Höhenzüge

Auch wer nicht allen Argumentationsketten großer mathematischer Innovatoren – von Georg Cantor und David Hilbert über Bertrand Russell bis zu Kurt Gödel und Paul Cohen – im Detail folgen kann (oder mag), kann sich hier mit viel Gewinn in die bisweilen erstaunlich konkreten Umstände rund um abstrakte Probleme hineindenken und in deren Folgen für das Verständnis der Welt.
Fürs Besteigen solcher abstrakter Höhenzüge ist Aeneas Rooch ein denkbar geeigneter Bergführer, zumal er uns jeweils auch wieder in die Niederungen des Alltags begleitet, in denen die mathematischen Probleme dann überraschend relevant erscheinen. Geht es am Ende nicht immer um das Vertrauen, das man – noch, nicht mehr, wieder – in die Welt haben kann? Also in gewisser Weise um alles? 
In den Beschreibungen der Argumente und Formeln ist viel von Eleganz, Wagemut und Schönheit bei der Lösung mathematischer Probleme die Rede. Manche Erkenntnis liest sich fast schon simpel und vermag dann doch das ganze Gebäude der Mathematik ins Wanken zu bringen. Es lohnt sich, diese Geschichte zu kennen und ihr hinterherzudenken, auch wenn das nicht immer ganz unbeschwerlich ist. Viel einfacher wird man es nicht bekommen.
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