Adorno über Popmusik

Die ästhetischen Grausamkeiten der Beatles

08:12 Minuten
Der Philosoph und Soziologe Theodor W. Adorno / Foto um 1960.
Mochte die Beatles nicht: Der Popfeind Theodor W. Adorno. © picture-alliance / akg-images
Thomas Hecken im Gespräch mit Max Oppel  · 06.08.2019
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Adorno gilt als Feind der Popmusik. Und das, obwohl er sich nur einmal dazu geäußert hat. Kulturwissenschaftler Thomas Hecken über ein hartes, aber begründetes Urteil.
Wenn es um Massenkultur geht, spielt das Denken des Philosophen Theodor W. Adornos eine wichtige Rolle. Jazzmusik, Hollywood-Filme und Fernsehproduktionen – über all diese Phänomene hat Adorno geschrieben. In dem berüchtigten Kulturindustrie-Kapitel der "Dialektik der Aufklärung" zur "Aufklärung als Massenbetrug", aber auch darüber hinaus.
Der Kulturwissenschaftler Thomas Hecken konnte nur eine Stellungnahme finden, in der sich Adorno direkt zu Popmusik geäußert hat. Vor allem auf sie geht der Ruf Adornos als "Popfeind" zurück.

Ein Feind der Beatles

Hecken erkennt in diesem Urteil kein Ressentiment, sondern eine klare Analyse: Der Grund für die Kritik liege in der reinen Orientierung der Popmusik am Erfolg, an den Charts. In den immer gleichen Songs konnte Adorno nur "ästhetische Grausamkeiten" erkennen, so Hecken. Die Optimierung auf den nächsten Hit sei heute durch Klickzahlen und Likes auf einer persönlichen Ebene angekommen, die Analyse der Kulturindustrie deshalb weiter aktuell.
Zu den frühen Beatles sagte Adorno im Jahr 1965, sie würden sich "heruntergekommener Ausdrucksmittel" bedienen und seien Teil einer "dirigistischen Massenkultur". "Härter kann man im Urteil nicht sein", sagt Hecken. Adorno hätte dieses Urteil auch bis heute nicht revidiert, egal wie progressiv sich Popmusik gebe. Denn für Adorno sei jeder Versuch, über die Popmusik gute Botschaften oder Inhalte transportieren zu wollen, zum Scheitern verurteilt.

Kann man sich Musik auch kritisch aneignen?

In den 90er-Jahren verschwand Adorno jedoch zunehmend aus den Feuilletons. An den Universitäten setzten sich die "Cultural Studies" durch. Ihre Theoretikerinnen und Theoretiker erkannten in Popmusik und Filmen nicht mehr nur einen "Massenbetrug", sondern auch Analysegegenstände, die man sich widerständig und subversiv aneignen könne. Adorno hätte das bis heute abgelehnt, so Hecken.
(sed)
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