Achim Gruber: "Das Kuscheltierdrama"

Ein Tierpathologe packt aus

06:59 Minuten
Eine Chichilla-Katze
Haustiere: Der Umgang mit ihnen und ihren Bedürfnissen sollte gelernt sein. © picture alliance / Mary Evans Picture Library; Droemer
Von Michael Lange · 19.03.2019
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Wie unangemessen Menschen oft mit ihren Haustieren umgehen, das sieht der Tierpathologe Achim Gruber regelmäßig bei Obduktionen. Sein Buch "Das Kuscheltierdrama" ist ein Appell, Tiere doch bitte Tiere sein zu lassen.
Ein Tierpathologe gewährt Einblick in seine tägliche Arbeit. Was er bei Obduktionen zu sehen bekommt, zeigt, wie widersprüchlich wir mit unseren Haustieren umgehen: Wir lieben und vermenschlichen sie, aber wir quälen sie auch oder vernachlässigen sie. Und manchmal lieben wir sie zu Tode.

Als Tierpathologe sieht Achim Gruber leidende Tiere oft erst dann, wenn es zu spät ist. Deshalb bietet dieses Buch nur einen indirekten Blick auf unseren Umgang mit Haustieren. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Arbeit des Tierarztes und Tierpathologen. Erst wenn die Untersuchung an der Tierleiche beendet ist, wendet sich sein Blick den Tierschicksalen zu. Er schreibt leicht verständlich, manchmal etwas flapsig bis reißerisch. Leider gelegentlich auch etwas umständlich. So kündigt er immer wieder Beispiele an, die dann erst viele Seiten später ausführlicher erzählt werden. Aber die Geschichten aus dem Tierleben haben es in sich und machen das Buch trotzdem lesenswert.

Todeskuss für ein Chinchilla

Da ist zum Beispiel das kleine Mädchen, das weinend ein totes Chinchilla zum Tierarzt bringt. Das kleine mittelgroße Nagetier ist inzwischen in Haushalten mit Kindern weit häufiger zu finden als in seiner ursprünglichen Heimat, den Anden. Das Tier war an einer Gehirnentzündung gestorben. Die Ursache fand Gruber an den Lippen des Mädchens. Dort entdeckte er Herpesbläschen, die waren von den Lippen des Mädchens auf das Kuscheltier übertragen worden. Das Kind konnte ja nicht wissen, dass menschliche Herpesviren für Chinchillas und Kaninchen tödlich sind. Wahrscheinlich hat es sein Haustier "zu Tode geküsst", schreibt Achim Gruber.

Noch kurioser ist das Beispiel eines männlichen Hundes, der immer träger und lustloser wurde und dann nach und nach sein Fell verlor. Der Hormonhaushalt des Rüden war völlig durcheinandergeraten. Auch hier war die Ursache zu viel menschliche Nähe. Frauchen benutzte eine Östrogensalbe, mit der sie sich abends eincremte. Da Mensch und Haustier das Bett teilten, gelangte die Salbe in den Hund und gefährdete seine Gesundheit.

Tiere nicht vermenschlichen

Natürlich geht es auch in die andere Richtung. Pilze, Fuchsbandwürmer und andere Parasiten gelangen immer häufiger vom Hund oder von der Katze zum Menschen. Während wir im Alltag unseren Haustieren immer näherkommen, fehlt oft das Bewusstsein für die Risiken, die von ihnen ausgehen. Achim Gruber plädiert dafür, Tiere nicht zu vermenschlichen. Tierisches Leiden sollte verhindert werden, und das geht am besten, wenn Tiere auch als Haustiere Tiere sein dürfen. Der Klappentext nennt den Autor einen Anwalt der Haustiere. Talkshow-Einladungen dürften dem engagierten Tierpathologen sicher sein.

Achim Gruber: Das Kuscheltierdrama. Ein Tierpathologe über das stille Leiden der Haustiere
Droemer, München 2019
312 Seiten, 19,99 Euro

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