Faust-Preis für Regisseur Achim Freyer

Kunst als Weg und Ausweg

12:33 Minuten
Regisseur Achim Freyer vor der von ihm angefertigten Skulptur "Ödipuskomplex" vor dem Festspielhaus der Salzburger Festspiele.
Der Ursprung seines Schaffens ist die Malerei: Regisseur und Bühnenbildner Achim Freyer. © picture alliance / BARBARA GINDL / APA
Achim Freyer im Gespräch mit André Mumot · 26.11.2022
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Regisseur und Bühnenbildner Achim Freyer erhält den Faust-Theaterpreis des Deutschen Bühnenvereins – für Lebensweg und Lebenswerk. Der 88-jährige frühere Meisterschüler Brechts erklärt, warum die Malerei der Ursprung seines Schaffens ist.
Die Malerei ist die Haupttätigkeit, aus der heraus alles andere entsprungen ist, erzählt Achim Freyer. Schon mit 15 Jahren habe er ein großes Schmetterlingsbuch gemalt, ganz akribisch. „Wer kann denn so gut malen?", hätte sein Umfeld gesagt. "Du musst studieren!" Dem ist er gefolgt.
Am Theater war er zunächst Quereinsteiger, denn: "Das Bildnerische kann immer wieder Anwendung am Theater finden", sagt Freyer. So könne er ein Publikum erreichen, mit dem malerisch Geschöpften theatralisch Geschichten erzählen.

Mein Traum von der Malerei ist, das Bild zu malen als eigenen Kosmos und nicht als Abbild von Wirklichkeit oder Welt. Parallel zur Welt, ein Gleichnis, das allen Reichtum der Welt dadurch verkörpern kann.

Achim Freyer, Regisseur und Bühnenbildner

Das sei ein schöpferischer Prozess, der nur kollektiv funktioniere, sagt er. Beim Verfassen seiner Danksagung für den Faust-Theaterpreis merkte er, "wie vielen Menschen man dankbar sein muss für das, was man gemacht hat mit großem Erfolg". Und immer wieder stehe nur der eine Name da, "was sehr ungerecht ist". 

"Ich glaube, dass das ein langer Prozess ist"

Bereits 1972 floh Freyer aus der DDR in den Westen. Warum sind Ost- und West auch 50 Jahre später noch Thema? "Ich glaube, dass das ein langer Prozess ist", sagt er. Die wenigen Jahre DDR-Experiment hätten auch sehr viel Positives gehabt, "was wir nicht wieder aufgegriffen haben und nicht nutzen".
Wenn er in die ehemalige DDR fahre, erlebe er völlig andere Menschen, sagt Regisseur Freyer. „Und zwar die, die ich früher gekannt habe.“ Das übertrage sich auch auf die Kinder, auch wenn sie in Düsseldorf oder New York studieren. "Das hat auch was mit Menschlichkeit zu tun, es ist eine andere Beziehung der Menschen untereinander."
Freyer stattete seine Figuren mit allen Mitteln der Kunst aus, wie er sagt. "Ein vergrößerter Kopf, eine Nase oder ein Ohr kann ganz viel erzählen." Die Wirkung hänge aber vom Umfeld ab: Auf der Straße wäre die Figur vielleicht ein Spaßmacher. "Auf der Bühne kann es eine tragische Figur werden." Denn:

Die Bühne ist das Gegenbild zur Welt oder macht Welt sichtbar. Ich erkenne durch die Gleichnisse, die die Kunst schafft, das Phänomen des Daseins.

Achim Freyer, Regisseur und Bühnenbildner

Freyer sagt weiter: „Ich finde es eine Katastrophe, dass Theater so eine Wegwerfgesellschaft bedient." So seien "hochkünstlerische Erfindungen, die noch lange nicht kollektiv wahrgenommen sind und in der Gesellschaft Wirkung haben", schon wieder verschwunden.

Die Kunstwerke bereichern einander

In seinem Kunsthaus hängen die berühmtesten Künstler der Welt neben den unbekanntesten. "Diese Arbeiten untereinander sind eine Bereicherung. Die Bilder haben viel mehr zu sagen und haben untereinander eine Kreativität", meint Freyer. "Das wäre auch ein Gesellschaftsmodell."
"Wir müssen alle Menschen erreichen", das war schon in der DDR Freyers Anliegen. "Wie können wir mit Kunst unsere Gesellschaft bereichern, verändern, fördern und zu einem großen Erlebnis machen?", fragt er.
Für ihn zumindest war die Kunst immer wieder auch Rettung: "Kunst ist unerschöpflich, sie ist immer Hilfe, Rettung, Ausweg. Aber kein Falscher. Sondern immer Weg zugleich."

Der Faust-Theaterpreis des Deutschen Bühnenvereins aus dem Düsseldorfer Schauspielhaus wird am 26.11.2022 ab 19 Uhr hier live übertragen.

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