Absurde Kriminalkomödie
Der britische Romanschriftsteller Tim Binding gilt als Spezialist für etwas schräge Kriminalkomödien. Mit seinem neuesten Streich, "Fischnapping", liefert Binding die Fortsetzung von "Cliffhanger" ab, und die ist mindestens so absurd wie ihr Vorgänger.
Al greift beherzt nach der Wade seiner aktuellen Sexpartnerin und denkt: Mann, was für stahlharte Muskeln, das Fitnessstudio ist doch zu was gut! Bei genauerer Prüfung gehört zu dem Bein jedoch noch Tochter Carol, und die griffige Wade ist eine Prothese, denn Carol hat bei einem Haiangriff ein Bein verloren. So wird aus einer zunächst relativ harmlosen Situation eine mittelschwere Katastrophe - und damit sind wir schon beim Grundmuster dieses prächtig vergnüglichen Romans.
"Fischnapping" ist die Fortsetzung von Cliffhanger, einer Kriminalkomödie von Tim Binding mit einer bösen Grundidee. Der Taxifahrer Al Greenwood hat seine ewig nörgelnde, immer dicker und unausstehlicher werdende Gattin Audrey satt. Eine Scheidung ist Al zu umständlich, er ist sowieso mehr für praktische Lösungen. Als Audrey mal wieder auf die steile Klippe hoch überm Strand hinaufspaziert, schleicht er hinterher und stößt sie vom Felsen. Erledigt! Glaubt er jedenfalls. Als er nach Hause kommt, rekelt sich seine Audrey lüstern vorm Kamin. Bleibt die Frage: Welche in einen gelben Regenmantel gehüllte Gestalt hat er da nur von der Klippe geschubst?
Dieses Problem treibt nun auch die Fortsetzung voran. Freundlicherweise rekapituliert Tim Binding in "Fischnapping" kurz die Vorgeschichte, so dass man als Neueinsteiger mitkommt. Dann geht der britische Autor in die Vollen: Al Greenwood unternimmt Tretbootangriffe, entführt japanische Edelkarpfen und entsorgt unliebsame Schwiegersöhne. Außerdem entdeckt er eine neue Berufung als Künstler: mit Kettensäge und Farbeimer verwandelt er Holzstücke in schreiend kitschige Fischskulpturen. Al ist im Knast zur Kunsttherapie gegangen und hat dabei den Fischbildhauer in sich gefunden.
Tim Binding hat seine neue Kriminalgroteske als verqueres Duell aufgezogen. Auf der einen Seite der etwas schlichte, aber dafür hemmungslose Al. Seine Gegenspielerin ist Michaela Rump, die Tim Binding mit einem denkwürdigen Formulierung einführt: "Stellen Sie sich eine junge, nachdenkliche Mia Farrow vor, die auf einem Büschel Disteln rumkaut." Michaela akzeptiert den anatomisch überzeugenden Al zwar als Mann fürs Bett, sie spannt ihn aber auch für einen Rachefeldzug gegen ihren Ex-Mann ein. Ob sie Al damit erneut in den Knast bringen will, ob sie ihm tatsächlich enthüllen kann, wen er denn nun damals von der Klippe gestoßen hat, all das bleibt bis zum Ende offen.
"Fischnapping" lebt von immer neuen, aberwitzigen Drehungen der Geschichte und vom krachenden Scheitern all der ausgefuchsten Pläne, die Al ersinnt. Ihm zur Seite steht wieder ein Ensemble skurriler Figuren, allen voran seine Nachbarin "Schnüffelnase", eine ältere Lady, die sich für berauschende Substanzen genauso engagiert interessiert wir für Als Frauengeschichten. Dieses Buch ist großer Klamauk, grundiert von einer leisen Melancholie: Denn eigentlich würde man dem ewigen Verlierer Al Greenwood, einem echten Kumpeltyp, auch mal ein eine kleine Ecke Glück gönnen.
Besprochen von Frank Meyer
Tim Binding: Fischnapping
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Marebuchverlag, Hamburg 2011
336 Seiten, 19,90 Euro
"Fischnapping" ist die Fortsetzung von Cliffhanger, einer Kriminalkomödie von Tim Binding mit einer bösen Grundidee. Der Taxifahrer Al Greenwood hat seine ewig nörgelnde, immer dicker und unausstehlicher werdende Gattin Audrey satt. Eine Scheidung ist Al zu umständlich, er ist sowieso mehr für praktische Lösungen. Als Audrey mal wieder auf die steile Klippe hoch überm Strand hinaufspaziert, schleicht er hinterher und stößt sie vom Felsen. Erledigt! Glaubt er jedenfalls. Als er nach Hause kommt, rekelt sich seine Audrey lüstern vorm Kamin. Bleibt die Frage: Welche in einen gelben Regenmantel gehüllte Gestalt hat er da nur von der Klippe geschubst?
Dieses Problem treibt nun auch die Fortsetzung voran. Freundlicherweise rekapituliert Tim Binding in "Fischnapping" kurz die Vorgeschichte, so dass man als Neueinsteiger mitkommt. Dann geht der britische Autor in die Vollen: Al Greenwood unternimmt Tretbootangriffe, entführt japanische Edelkarpfen und entsorgt unliebsame Schwiegersöhne. Außerdem entdeckt er eine neue Berufung als Künstler: mit Kettensäge und Farbeimer verwandelt er Holzstücke in schreiend kitschige Fischskulpturen. Al ist im Knast zur Kunsttherapie gegangen und hat dabei den Fischbildhauer in sich gefunden.
Tim Binding hat seine neue Kriminalgroteske als verqueres Duell aufgezogen. Auf der einen Seite der etwas schlichte, aber dafür hemmungslose Al. Seine Gegenspielerin ist Michaela Rump, die Tim Binding mit einem denkwürdigen Formulierung einführt: "Stellen Sie sich eine junge, nachdenkliche Mia Farrow vor, die auf einem Büschel Disteln rumkaut." Michaela akzeptiert den anatomisch überzeugenden Al zwar als Mann fürs Bett, sie spannt ihn aber auch für einen Rachefeldzug gegen ihren Ex-Mann ein. Ob sie Al damit erneut in den Knast bringen will, ob sie ihm tatsächlich enthüllen kann, wen er denn nun damals von der Klippe gestoßen hat, all das bleibt bis zum Ende offen.
"Fischnapping" lebt von immer neuen, aberwitzigen Drehungen der Geschichte und vom krachenden Scheitern all der ausgefuchsten Pläne, die Al ersinnt. Ihm zur Seite steht wieder ein Ensemble skurriler Figuren, allen voran seine Nachbarin "Schnüffelnase", eine ältere Lady, die sich für berauschende Substanzen genauso engagiert interessiert wir für Als Frauengeschichten. Dieses Buch ist großer Klamauk, grundiert von einer leisen Melancholie: Denn eigentlich würde man dem ewigen Verlierer Al Greenwood, einem echten Kumpeltyp, auch mal ein eine kleine Ecke Glück gönnen.
Besprochen von Frank Meyer
Tim Binding: Fischnapping
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Marebuchverlag, Hamburg 2011
336 Seiten, 19,90 Euro