Abitur 2020

Der Corona-Jahrgang steht vor ganz neuen Prüfungen

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Eine Teenagerin sitzt in einem Sessel und sieht gelangweilt aus (Symbolfoto)
Viele Abiturienten können in Zeiten der Corona-Krise nicht den nächsten Schritt in ihrem Leben machen. Stattdessen ist Warten angesagt. (Symbolfoto). © Imago / Westend61
26.03.2020
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Schüler aus Rheinland-Pfalz haben ihr Abi in der Tasche, denn dort gibt es die Hochschulreife nach achteinhalb Jahren Sekundarstufe. Und nun? Feiern dürfen sie nicht. Das Zeugnis kommt per Post. Praktika, Jobs, Freiwilligendienste und Reisen fallen aus.
Lea Wolff und Melina Hendricks gehören wie alle rheinland-pfälzischen G9-Gymnasiasten zu den ersten Abiturienten bundesweit. Und 2020 zu den wenigen, die ihre Prüfungen noch weitgehend unbeeinträchtigt von der Corona-Pandemie ablegen konnten. Soeben haben die beiden das Mündliche bestanden. Doch ihre Glücksgefühle gemeinsam mit den anderen Absolventen auszuleben: verboten. Kein Zusammenstehen danach, keine Umarmungen. Kein Trost für diejenigen, die es nicht packten.
Es ist ein Abschied in physischer Distanz, macht Melina klar: "Meine Lehrerin hätte mir noch mal die Hand gegeben. Aber das war dann mehr so mit Abstand – das fiel halt flach."
Und Lea ergänzt: "Und wir kriegen unser Zeugnis per Post, das heißt, es ist alles total unpersönlich."

Der Abiball fällt aus

Es gebe zwar nette Mails von Lehrern und einen Brief der Schulleitung, aber es gibt keine akademische Feier und keine Partys. Der Abiball mit 600 Gästen fällt aus. Das Ballkleid bleibt im Schrank, das aufwendig ausgearbeitete Festprogramm in der Schublade. Tränen und Leere statt Jubel – so war es bei vielen, erzählen die frisch gebackenen Abiturientinnen.

Während die Schüler in Rheinland-Pfalz das Abitur schon in der Tasche haben, laufen in Hessen gerade die Prüfungen. Ludger Fittkau berichtet aus dem Nachbarland und schildert die besonderen Bedingungen, die für die Prüfungen gelten.

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Und doch ist ihnen klar, dass sie vergleichsweise gut dran sind. Die 19-jährige Melina kennt G8-Schülerinnen, die ihr sagten: "'Sei froh, dass du nur noch das Mündliche vor dir hast und dass das stattfindet.' Ich kenne viele, die sagen: 'Jetzt wurde mein Schriftliches auf Mai verlegt, aber selbst da sagen die Lehrer, sie wissen gar nicht, ob das stattfinden kann, auch im Mai'."
Lea Wolff hat wie Hendricks das Mainzer Gutenberg-Gymnasium besucht. Altersgenossinnen, die das Abitur noch vor sich haben, sieht die 18-Jährige in einer Zwickmühle. "Wenn man jetzt sagt: 'Es wird ja sowieso nicht im Mai stattfinden, ich lehne mich jetzt zurück' und dann am Ende kommt man nicht mit dem Stoff hinterher, das ist ja dann auch ein Problem."

Zukunftspläne im Wartestand

Schwierig, sich zum Lernen aufzuraffen, wenn die Schule geschlossen ist, digitaler Unterricht nur mäßig funktioniert, Lehrkräfte sehr unterschiedlich ansprechbar sind und jeder Termin unter Coronavorbehalt steht. Wolff und Hendricks bedauern jedenfalls alle, die das Abitur noch vor sich haben.
Dabei haben die Absolventinnen es selbst nicht leicht. Ihre Zukunftspläne – von der Pandemie vorerst zunichte gemacht. "Ich wollte ein Praktikum im Bundestag machen", sagt Lea Wolff. "Aber da der jetzt auch nur noch auf Sparflamme läuft, denke ich nicht, dass das zustande kommen kann. Danach wollte ich eine Interrail-Reise durch Europa machen. Und solche Sachen gehen gar nicht."

Semesterbeginn ungeklärt

Melina Hendricks jobbt in einer Bäckerei. Sie will Lehramt studieren, doch das geplante Praktikum an einer Grundschule wird sie nach den Osterferien ebenso wenig antreten können wie danach den Job im Ganztagsschulbereich ihres Gymnasiums und den Freiwilligendienst ab Ende Juli in Afrika.
Studieren will auch Lea Wolff – ab Wintersemester in Mainz. "Rechtswissenschaften hätte ich oder werde ich hoffentlich anfangen, wenn alles klappt und alles wieder am Laufen ist."
Melina Hendricks sagt: "Ich will trotzdem auch noch zum Wintersemester anfangen und kann mir vorstellen, dass sich die Fristen noch verändern." Sie fährt fort: "Die rheinland-pfälzischen Unis werden darauf achten, dass alle mit ins Boot können oder dass sie zumindest die Chance haben, zu dem Zeitpunkt, der sehr wahrscheinlich neu festgelegt wird, anzufangen."

Politik sucht noch nach Lösungen

Tastsächlich hat die rheinland-pfälzische Schulministerin Stefanie Hubig den für die Hochschulen zuständigen Ressortchef im Mainzer Kabinett schon darauf angesprochen. "Ich habe mich mit dem Kollegen Wolf schon abgestimmt, dass wir darauf achten, das tun auch die anderen Wissenschaftsminister", sagt Hubig. "Auch die haben das zugesagt, dass die Zulassungstermine an den Universitäten so gewählt sind, dass Schülerinnen und Schüler, selbst wenn sie ihr Abitur nicht zum letzten Schultag, sondern vielleicht erst in den ersten Ferientagen haben, trotzdem ohne Schwierigkeiten zum Wintersemester anfangen können zu studieren."
Das heißt allerdings auch: Je nachdem, wie weit Abiprüfungen wegen der Corona-Pandemie noch verschoben werden müssen, könnte zumindest das Mündliche in die Sommerferien fallen.
Lea Wolff und Melina Hendricks haben es da besser. Sie können ohne Stress ins Wintersemester starten. Wenn das Wintersemester wie geplant stattfindet.
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