Abi Daré: "Das Mädchen mit der lauternen Stimme"

Geschichte einer Selbstermächtigung

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Cover von "Das Mädchen mit der lauternen Stimme" vor orangefarbenem Aquarellhintergrund. Das bunte, collagenhafte Cover zeigte eine junge schwarze Frau zwischen Blumen aus Buchseiten.
In ihrem Debüt "Das Mädchen mit der lauternen Stimme" erzählt Abi Daré von einer jungen Nigerianerin, die ein selbstbestimmtes Leben führen will. © Deutschlandradio / Eichborn Verlag
Von Birgit Koß · 07.10.2021
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Abi Daré erzählt in ihrem Debütroman von einer 14-jährigen bildungshungrigen Nigerianerin: Aus Zwangsehe und Sklaverei findet sie ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Die Schriftstellerin gibt der jungen Frau eine eigene unverwechselbare Stimme.
Abi Daré ist in Lagos in Nigeria aufgewachsen, lebt aber seit vielen Jahren mit ihrer Familie in Großbritannien. In ihrem Debüt erzählt sie von einer aufgeweckten 14-Jährigen – wie sie sagt, inspiriert durch ihre beiden Töchter.
Schon der Titel "Das Mädchen mit der lauternen Stimme" zeigt die ungewöhnliche Sprache dieses Romans. Mit Neologismen, schrägen Worten und teilweise grammatikalisch falschem Satzbau gibt die Autorin ihrer Protagonistin Adunni eine ganz eigene Erzählstimme. Das Ganze ist genial übersetzt von Simone Jakob, die in einem Nachwort ihre Übersetzung erklärt.

Adunni wird kurzerhand verheiratet

Adunni ist Halbwaise. Ihre Mutter hat mit aller Kraft dafür gesorgt, dass ihre Tochter die Schule besucht. Doch nun ist sie verstorben. Jetzt versorgt Adunni ihren alkoholkranken Vater und die beiden Brüder.
Als der Familie endgültig das Geld ausgeht, wird Adunni kurzerhand verheiratet – als dritte Ehefrau des über 50-jährigen wohlhabenden Taxifahrers Morufu. Eine bis heute durchaus übliche Praxis im ländlichen, muslimisch geprägten Nigeria. Als Morufus zweite Ehefrau stirbt, die einzige, die Adunni wohlgesonnen ist, flieht sie nach Lagos.

Ein Leben wie eine Sklavin

Sie wird über einen Agenten an eine sehr reiche Familie als Dienstmädchen vermittelt. Hier lebt sie wie eine Sklavin: Arbeit von Sonnenaufgang bis oft Mitternacht mit nur einer einzigen Mahlzeit pro Tag.
Adunni ist aber trotz allem wissbegierig und neugierig und verliert nur selten ihr Lachen. Oft stellt sie Fragen und handelt sich damit heftige Schläge von der Hausherrin ein, während der Hausherr versucht, ihr nachzustellen. Doch sie erfährt auch Unterstützung von Kofi, dem netten Koch aus Ghana, und der Nachbarin Tia, die in England studiert hat und nun in Lagos verheiratet ist und zur High Society gehört.

Auf der Suche nach Bildung

Außerdem bildet sich Adunni so oft sie kann in der Bibliothek der Familie fort, indem sie dort im Wörterbuch oder den "Fakten über Nigeria: Von der Vergangenheit bis heute" liest. Diese Fakten zitiert die Autorin häufig zum Anfang eines Kapitels. So zeichnet sie ein sehr vielfältiges Bild von der nigerianischen Gesellschaft. Auch wenn Adunnis Schicksal teilweise unvorstellbar grausam ist, so zeichnet Abi Daré eine junge Frau mit großem Lebensmut und Optimismus.
Die gewagte sprachliche Form, die anfangs etwas befremdlich scheint, geht auf. Durch Adunnis unverwechselbare Sprache wird man beim Lesen immer wieder direkt in ihre Lebenswelt hineingezogen.

Abi Daré: "Das Mädchen mit der lauternen Stimme"
Aus dem Englischen von Simone Jakob
Eichborn, Köln 2021
368 Seiten, 22 Euro

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