Abgewrackt - Nachrichten von gestern auf Papier sind nix mehr wert

Die Verlagsgruppe Holtzbrinck hat den nächsten Versuch gestoppt, junge Leser mit Verlagsmitteln zu erreichen.
Die Verlagsgruppe Holtzbrinck hat den nächsten Versuch gestoppt, junge Leser mit Verlagsmitteln zu erreichen. Nachdem das Newsportal Zoomer eingestellt wurde, werden jetzt auch die auf jugendlich getrimmten Billigzeitungen "20cent Saar" und "20cent Lausitz" vom Markt verschwinden. Schuld sind laut Holtzbrinck die rückläufigen Anzeigen. Turi2 meint, dass das gesamte Konzept, mit Discount-Preisen die junge Leserschaft in den regionalen Zeitungsmärkten zurückzuerobern, nicht funktioniert hat. "Noch hoffen viele, dass Jugendliche, die Zeitungen bislang ignorieren, später doch die Lust am Gedruckten entdecken", schreibt Lutz Knappmann auf ftd.de. Er stellt außerdem fest, dass deutsche Verleger im Gegensatz zu US-Verlegern vor radikalen Maßnahmen noch zurückschrecken.
"Das ängstliche Klammern an lieb gewonnene Strukturen, das den Journalismus derzeit prägt, kann angesichts der ernsten Probleme keine Antwort sein", meint Mercedes Bunz. Die Chefredakteurin von Tagesspiegel online plädiert auf carta.info für eine "Poesie der Neugier". "Tägliche Nachrichten auf Papier zu bringen, ist schlicht absurd", sagt Telerunch-Chef Michael Arrington. Noch einen drauf setzt Medienblogger Nicholas Carlson im Silicon Alley Insider: "Nachrichten zu drucken ist nicht einfach teuer und ineffizient - es ist lächerlich teuer und ineffizient."
Die gute, alte dpa, das Flaggschiff der deutschen Nachrichtenagenturen, scheint von der ganzen Entwicklung seltsam unberührt. "Es gibt Sumpfblüten, die schnell wieder verschwinden, und es gibt ein paar wichtige Blogs. Aber ich würde all das nicht als Journalismus bezeichnen", sagte dpa-Chefredakteur Wilm Herlyn, 64, im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.
"Um auch nur ansatzweise zu erkennen, wie schnell sich die Welt um uns herum entwickelt und verändert, sollte man ein Gespräch mit 12 bis 14-jährigen Schülern suchen (…), sagt Heiko Hebig, Head of Digital Media bei Hubert Burda Media. "Diese heranwachsende Generation versteht nicht, warum man um 20.15 Uhr einen Film im Fernsehen schauen sollte, wenn man den Film doch auch um 19.17 Uhr im Internet abrufen kann, sie versteht nicht, warum das Tauschen von Musik illegal sein sollte und sie versteht nicht den Mehrwert von gedrucktem Papier mit den Nachrichten von gestern."
Foto: habi/CC