9. Oktober 1989

Leipzig feiert die Friedliche Revolution

Bundespräsident Joachim Gauck begrüßt anlässlich der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der "Friedlichen Revolution" Bürger in Leipzig (Sachsen); 9. Oktober 2014
Bundespräsident Joachim Gauck begrüßt anlässlich der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der "Friedlichen Revolution" Bürger in Leipzig © picture alliance / dpa
Von Nadine Lindner · 09.10.2014
Sie riefen "Gorbi, Gorbi!" und den inzwischen historischen Satz "Wir sind das Volk". Heute vor 25 Jahren zogen 70.000 Menschen durch die Leipziger Innenstadt. Eine davon war Gesine Oltmanns - der Bundespräsident hat sie nun zum Mittagessen eingeladen.
"Wir sind das Volk, schließt euch an, Gorbi, Gorbi!"
Es sind diese Rufe, diese Szenen jenes Abends am 9. Oktobers in Leipzig, die sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Es waren 70.000 Menschen, die an diesem Herbstabend durch die Leipziger Innenstadt zogen. Voller Angst vor dem harten Durchgriff der Ordnungskräfte, aber auch voller Hoffnung.
"Die Menschen haben damals etwas geschafft, wo viele damals geglaubt haben, das geht nicht, das wird sich nie ändern. Und dass man begreift, dass der einzelne mit seiner Rolle doch auch dazu beiträgt."
Peter Wensierski ist einer derjenigen, die wesentlichen Anteil daran hatten, dass der 9. Oktober überhaupt erst so wirkmächtig werden konnte.
Denn der Spiegel-Journalist brachte heimlich gedrehtes Bildmaterial zu westlichen Fernsehsendern. Über diesen Umweg erreichten die Bilder die Bürger in der DDR.
"Es war total wichtig, Öffentlichkeit herzustellen, die DDR wollte nicht diese Bilder. Die hier in Leipzig zu sehen waren. Und deshalb mussten diese Bilder öffentlich werden, dass anderswo in der DDR Menschen auf die Straße gehen. Dass sie begreifen, dass es mit der DDR zu Ende geht."
Jetzt zeigt er einige seiner vielen Dokumentarfilme beim so genannten Herbstsalon. Einem kleinen Filmfestival, das von der Stiftung Friedliche Revolution organisiert wurde. Es soll Raum bieten für Diskussionen, fürs Erinnern.
"Es gab dann Montag für Montag immer mehr Menschen, die bereit waren, auf die Straße zu gehen. Und der 9. Oktober war ein ganz besonderer Tag, weil wir in den Tagen davor sehr viele staatliche Gewalt gespürt haben. In Leipzig, Berlin, Dresden."
"Für ein offenes Land mit freien Menschen, das ist unsere Losung"
Ja, damals vor 25 Jahren. Es sind bewegende, aber auch hektische Tage für Gesine Oltmanns, die den Herbstsalon mit organisiert und mit auf dem Ring demonstriert hat. Sie ist eine zierliche Frau mit nachdenklichen Augen hinter den Brillengläsern, die trotzdem große Entschlossenheit ausstrahlt. Vor 25 Jahren trug sie im September in Leipzig eines der ersten Transparente – nur wenige Momente war es zu sehen.
"Für ein offenes Land mit freien Menschen, das ist unsere Losung. Das war aus einer inneren Empfindung heraus geboren. Freiheit für das Land. Freiheit für die Menschen."
Morgen ist sie, als eine von 89 Bürgerrechtlerinnen zu einem Mittagessen mit Bundespräsident Joachim Gauck eingeladen.
Auch an diesem 9. Oktober werden wieder Tausende Menschen in der Leipziger Innenstadt unterwegs sein.
Das Programm ist umfangreich: Am Vormittag lädt Bundespräsident Joachim Gauck zum Festakt ins Gewandhaus. Am Nachmittag findet in der Nikolaikirche ein Friedensgebet statt. Abends schließlich werden 150.000 zum Lichtfest auf dem Ring erwartet. Mit zahlreichen Kunstinstallationen auf der alten Demonstrationsroute.
Am Vorabend bleibt noch ein wenig Zeit für die ruhigen Töne ein Gespräch, Gesine Oltmanns und Peter Wensierski kennen viele der Gäste persönlich. Man steht zusammen, plaudert.
Eine kleine Ironie der Geschichte – der Herbstsalon findet auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz, am Rande der Leipziger City statt. Also genau dort, wo eigentlich das geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal stehen sollte.
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