60 Jahre DDR-Ampelmännchen

Vom Ost-West-Konfliktstoff zur selbstironischen Spielerei

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Ein grünes Piktogramm des DDR-Ampelmännchens läuft auf einem roten Teppich.
Nach der Wiedervereinigung sollte das DDR-Ampelmännchen aus dem Straßenbild verschwinden. Heute ist es eine Kultfigur. © imago / PEMAX
Wolfgang Kaschuba im Gespräch mit Axel Rahmlow |
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Fast wäre das DDR-Ampelmännchen ein Opfer der Wende geworden. Doch nach Protesten durfte es bleiben und feiert jetzt seinen 60. Geburtstag. Heute ist die Ost-West-Front in der Ampelfrage aufgebrochen, sagt der Kulturwissenschaftler Wolfgang Kaschuba.
Knollennase, Hut und ein leichter Bauchansatz: So sah das Ampelmännchen aus, das der DDR-Verkehrspsychologe Karl Peglau 1961 entwarf und am 13. Oktober des Jahres beim DDR-Verkehrsministerium einreichte.
Der Entwurf wurde angenommen und ab 1969 wurden die Fußgängerampeln in der DDR mit dem Ampelmann bestückt. Mit seinen 60 Jahren ist er immer noch an vielen Ampeln zu finden, nicht nur in Ostdeutschland – obwohl er fast ein Opfer der Wende geworden wäre.
"Zunächst war ja wie in vielen anderen Bereichen die Idee: Das Ost-Ampelmännchen wird durch das West-Ampelmännchen ersetzt", erinnert sich der Kulturwissenschaftler und Ethnologe Wolfgang Kaschuba. Doch dagegen regten sich Proteste – auch weil das gemütliche Ampelmännchen Ost und das eher geradlinige Strichmännchen auf den westdeutschen Ampeln "sozusagen Symbol für eine ganz bestimmte Ästhetik des Umgangs mit Verkehr" sind, wie Kaschuba betont. "Dann hat man eben schnell umgeschaltet und es wurde im Grunde genommen reimportiert."

"Ihr habt ja noch das Ampelmännchen"

Auch in anderer Hinsicht ist der DDR-Ampelmann symbolpolitisch bedeutsam, als "Hinweis darauf, wie viel am Alltag in Deutschland im Osten verändert worden ist, umgedreht worden ist, ausgetauscht worden ist, und wie wenig im Grunde genommen Übernahmen von Ost nach West passiert sind", sagt der Kulturwissenschaftler. "Das Ampelmännchen ist insofern Symbolpolitik, weil immer wieder darauf hingewiesen wird, wenn darüber geklagt wird, dass diese Vereinigung ja sehr ungleich verlaufen ist: Aber ihr habt ja noch das Ampelmännchen."
Ampelmännchen in Köln zeigen gleichgeschlechtliche Paare. 
Inzwischen gibt es auch Ampeln - wie hier Köln - mit gleichgeschlechtlichen Paaren als Ampelpärchen.© picture alliance / Geisler-Fotopress / Christoph Hardt/Geisler-Fotopress
Heute ist die Ampelmännchenlandschaft in Deutschland vielfältig geworden: Es gibt Ampelfrauen, Ampelpärchen, auch gleichgeschlechtliche, Ampelskifahrer, auch Beethoven und andere berühmte Persönlichkeiten zieren Ampeln.
"Es ist heute ein spielerisches Element geworden", so Kaschuba. "Das ist ganz interessant, dass aus so einer Debatte über Ost und West eine im Grunde genommen selbstironische Spielerei wird, und mit diesen vielen Varianten ist natürlich die Ost-West-Front beim Ampelmännchen auch etwas aufgebrochen."

Der Ethnologe und Kulturwissenschaftler Wolfgang Kaschuba ist Abteilungsleiter im Institut für Migrationsforschung (BiM) der Berliner Humboldt-Universität. Er ist zudem Vorstandsmitglied der Deutschen Unesco-Kommission und sitzt im Rat für Migration.

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