25 Jahre Streichung des §175

Als Männer endlich Männer lieben durften

Hand in Hand für einen gemeinsamen Lebensweg. Vor 25 Jahren endete die strafrechtliche Verfolgung Homosexueller.
64.000 Verurteilte, zerstörte Beziehungen, ruinierte Existenzen - der §175 brachte in den über 100 Jahren seines Bestehens homosexuellen Männern viel Leid. © Eyeem/ Enrique Estrada
Jenny Friedrich-Freksa im Gespräch mit Anke Schaefer · 11.06.2019
Es dauerte lange, bis zum 11. Juni 1994, bis homosexuelle Handlungen von Männern in Deutschland endgültig nicht mehr strafbar waren. Die Journalistin Jenny Friedrich-Freksa wundert sich, dass man bis heute von den Opfern des § 175 so wenig hört.
Gerade einmal 25 Jahre ist es her, dass homosexuelle Handlungen unter Männern in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr strafbar sind: Am 11. Juni 1994 strich der Deutsche Bundestag den sogenannten "Schwulenparagrafen" 175 aus dem Strafgesetzbuch.
"Das war natürlich der Auftakt zu einer großen Öffnung in den letzten Jahren und Jahrzehnten", sagt Jenny Friedrich-Freksa, Chefredakteurin des Magazins "Kulturaustausch".
Angesichts der "unglaublichen Diskriminierung" durch den § 175 StGB wundert es die Journalistin, dass man von den Opfern relativ wenig hört, obwohl nach Schätzungen des Justizministeriums insgesamt etwa 64.000 Männer wegen dieses Paragrafen verurteilt wurden.

Kaum Entschädigungsansprüche geltend gemacht

Auch die seit 2017 bestehende Möglichkeit, Entschädigung für eine Verurteilung nach §175 in Anspruch zu nehmen, wird von den Opfern kaum in Anspruch genommen.
"Da ist beim einzelnen wahrscheinlich auch viel Scham dahinter in dieser erniedrigenden Geschichte, wie da mit einem umgegangen wurde", vermutet Friedrich-Freksa. "Insofern kann ich das absolut nachvollziehen." Vielleicht wüssten auch nicht alle um die Möglichkeit einer Entschädigung. Und natürlich dürfte ein Großteil der Opfer inzwischen gestorben sein.
Jenny Friedrich-Freksa
Jenny Friedrich-Freksa, Chefredakteurin der Zeitschrift "Kulturaustausch", zu Gast im Deutschlandfunk Kultur.© Deutschlandfunk Kultur/Jana Demnitz
Dennoch wünscht sich die Chefredakteurin der Zeitschrift "Kulturaustausch", dass mehr darüber gesprochen würde:
"Ich glaube, man darf auch gar nicht unterschätzen, wie das zum Beispiel anderen Ländern, die nicht so eine freie Gesetzgebung inzwischen zu diesen Themen haben, wie viel Vorbildfunktion da so ein Land wie Deutschland auch hat, Gesetzesänderungen durchzuführen, gesellschaftlichen Diskurs anzukurbeln", sagt sie. "Und da macht es zum Beispiel auch einen Unterschied, ob man einen schwulen Gesundheitsminister hat wie Jens Spahn heute."

Jens Spahn will Konversionstherapien verbieten

Der heute, am 25. Jahrestag der Streichung des § 175 StGB, ankündigte, noch in diesem Jahr ein Verbot von Konversionstherapien zur Veränderung der sexuellen Orientierung auf den Weg zu bringen. "Homosexualität ist keine Krankheit und damit auch nicht behandlungsbedürftig", so der Gesundheitsminister.
(uko)

Die Journalistin Jenny Friedrich-Freksa, geboren 1974 in Berlin, studierte Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste Berlin. Nach Auslandsaufenthalten in Paris, Genf und Rom arbeitete sie mehrere Jahre für die "Süddeutsche Zeitung" in München. Seit 2005 ist sie Chefredakteurin der Zeitschrift "Kulturaustausch" in Berlin. Herausgeber des monatlich erscheinenden Magazins ist das Institut für Auslandsbeziehungen.

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