25 Jahre Flüchtlingscamp Kakuma

Wo knappe Essensrationen sich fast wie Luxus anfühlen

Ein Junge der Volksgruppe Turkana wartet im Flüchtlingslager Kakuma auf seine Mutter.
Ein Junge der Volksgruppe Turkana wartet im Flüchtlingslager Kakuma auf seine Mutter. Kakuma ist weniger bekannt als das große Lager Dadaab. © dpa/ picture-alliance/ Dai Kurokawa
Von Linda Staude |
Fast 25 Jahre besteht das Flüchtlingscamp Kakuma im Norden Kenias schon, rund 100 Kilometer von der Grenze zum Südsudan entfernt. Ein Ende für seinen Bedarf ist nicht in Sicht. Etwa 186.000 Menschen leben dort momentan. Probleme gibt es viele. Doch für viele ist es im Lager immer noch besser als Zuhause.
Im Aufnahmezentrum des Lagers tobt eine ganze Horde Kinder herum. Unbeeindruckt von der brütenden Hitze und dem allgegenwärtigen Staub, den der Wind in jede Ritze weht. Hier ist auch Apolonia Iringo Ominong vorläufig untergekommen:
"Eine Nachbarin hat mir vom Flüchtlingslager in Kakuma erzählt. Sie war schon mal hier und ist ins Dorf zurückgekehrt. Sie hat mir gesagt, dass ich dort Hilfe bekomme."
Eine Nacht lang ist sie mit ihren fünf Kindern in die nächste größere Stadt gelaufen. Der Älteste ist zehn, der jüngste liegt noch an der Brust. Danach hat sie Glück: Sie findet immer wieder Leute, die sie mit dem Auto mitnehmen - ein paar hundert Kilometer weit, bis zur Grenze:
"Dort haben wir ein Transit-Center. Dort bleiben die Flüchtlinge für Impfungen und medizinische Untersuchungen. Und einmal in der Woche schicken wir einen Bus, der sie abholt und ins Lager bringt."
Erklärt Camp-Manager Bernhard Ole Kipury. Normalerweise bleiben Neuankömmlinge nur eine Woche in dem kleinen Aufnahmezentrum, bis ihnen eine feste Unterkunft zugeteilt werden kann. Aber im Moment ist das unmöglich. Kakuma platzt aus allen Nähten:
"Eine Menge Menschen sind ab dem Jahreswechsel 2013/2014 gekommen, als die schweren Kämpfe im Südsudan ausgebrochen sind. In dieser Zeit haben wir 60- bis 70.000 Neuankömmlinge aufgenommen. Einige Teile des Lagers sind völlig überfüllt. Und das ist gefährlich. Falls Krankheiten ausbrechen oder ein Feuer, kann man das schwer eindämmen."
Es gibt nicht genug Unterkünfte für alle Flüchtlinge
Die kleinen Häuschen der Flüchtlinge stehen dicht an dicht auf einer Fläche von 15 Quadratkilometern.
Einige sind aus Backstein oder Lehmziegeln gebaut, mit einem Dach aus Wellblech. Andere bestehen komplett aus Metall. Auf vielen Dächern liegen große Blätter gegen die Hitze und fast alle sind von einem Zaun aus getrockneten Büschen umgeben, als Windschutz. Aber es gibt längst nicht genug Unterkünfte:
"Das Lager ist über seine Kapazitätsgrenze hinaus. Deshalb haben wir mit der Regionalregierung verhandelt, um neues Land zu bekommen. Und das haben wir geschafft. Wir hoffen, dass wir die Menschen in das neue Areal umsiedeln können - ab Anfang nächsten Jahres."
So Catherine Wachiaya vom Flüchtlingshilfswerk UNHCR. So lange wird es dauern, bis die Umweltverträglichkeitsstudien abgeschlossen sind. Vor allem Wasser ist knapp in der staubtrockenen Gegend, in der außer Dornenbüschen nicht viel wächst. Aber auch die Versorgung der Flüchtlinge macht Probleme:
"Im Moment sind die Essensrationen um zehn Prozent gekürzt. Die vielen aktuellen Krisen in der ganzen Welt wirken sich auf unsere Geldmittel aus. Es sind dieselben Geber, die alle unsere Operationen finanzieren, um mit diesen Krisen fertig zu werden."
Überfülltes Lager für Kinder besser als barfuß auf Feldern zu arbeiten
Für die Neuankömmlinge ist das Leben im Lager trotz aller Schwierigkeiten geradezu paradiesisch sagt Josephine Icha Jeremano:
"Die Unterkünfte sind besser als zu Hause. Hier bekommen die Kinder zu essen, sie haben neue Kleider, die es bei uns nicht gibt. Das Leben dort ist schrecklich. Die Kinder mussten barfuß gehen und auf den Feldern arbeiten. Es war ein Kampf, Essen zu beschaffen. Das Leben hier ist viel besser."
Die junge Mutter ist mit ihren vier kleinen Kindern aus der Umgebung der Stadt Torit im Südsudan gekommen. Der endlose Bürgerkrieg - erst gegen den arabisch dominierten Norden und dann zwischen den Volksgruppen im Südsudan selbst - hat ihr alles genommen:
"Ich hatte eine Farm zusammen mit meinem Mann. Wir haben das Land gemeinsam bestellt. Aber dann ist er Soldat geworden im Bürgerkrieg und hat uns verlassen."
Ihr Mann ist gefallen, als sie mit ihren beiden Jüngsten, einem Zwillingspärchen, schwanger war. Ungefähr fünf Jahre ist das jetzt her. Seither hat sie ihre Familie nur noch gerade so über Wasser gehalten:
"Es hat immer wieder Kämpfe in meinem Dorf gegeben. Einige Leute wurden getötet. Wir sind weggelaufen und haben uns im Busch versteckt, bis es wieder ruhig war. Dann sind wir zurückgekommen."
Die ständige Angst und jetzt die Dürre haben sie schließlich in die Flucht getrieben – vermutlich für eine sehr lange Zeit. Apolonia Iringo Ominong träumt noch von einer baldigen Heimkehr:
"Ich werde eine Weile hierbleiben, aber wenn ich höre, dass wieder Regen fällt, bitte ich die UN um Hilfe und kehre auf meine Farm zurück."
Josephine Icha Jeremano hatte vor vier Jahren einmal die Hoffnung auf ein gutes Leben im Südsudan, kurz nach der Unabhängigkeit. Aber das ist vorbei:
"Ich habe keine Hoffnung. Ich glaube nicht mehr, dass mein Land jemals wieder sicher und ok sein wird. Es hat Kämpfe und Tote gegeben, seit ich klein war. Bis jetzt. Ich habe keine Hoffnung."
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