200 Jahre "Italienische Reise"

Florenz oder gutes Regieren

Blick auf Florenz.
Blick auf Florenz. © Deutschlandradio / Jan-Christoph Kitzler
Von Jan-Christoph Kitzler · 08.06.2016
Vor 200 Jahren ist der erste Band von Johann Wolfgang von Goethes "Italienischen Reise" erschienen. Was ist noch übrig von Goethes Italien? Jan Christoph Kitzler reist auf des Dichters Spuren.
Florenz ist die Stadt, an der sich, zusammen mit Venedig, vielleicht die größte Italien-Sehnsucht zeigt. 370.000 Einwohner hat die Hauptstadt der Toskana, jedes Jahr kommen zehnmal so viele Touristen hinzu. Johann Wolfgang von Goethe hielt sich hier nicht lange auf. In den wenigen Stunden, die er in Florenz weilte, geriet er aber ins Schwärmen.
Man möchte gleich an Matteo Renzi denken. Er kommt ja aus Florenz, war hier fünf Jahr lang Bürgermeister, also zuständig dafür, dass "belebende Sorgfalt" herrscht, wie Goethe schreibt.
Nachfolger Renzis zu sein, als Bürgermeister von Florenz, ist vermutlich keine leichte Aufgabe. Dario Nardella trägt die Bürde recht burschikos. Er empfängt in Jeans und schlichtem roten Pullover.
"Das Prinzip des 'Guten Regierens' kann sich vom Humanismus, der ja hier in Florenz entstanden ist, inspirieren lassen - von den Werten des Menschen also, die im Mittelpunkt der Gesellschaft stehen sollten. Renzi - der nicht zufällig der Bürgermeister von Florenz war - bringt jetzt in seine Regierungsarbeit für Italien das ein, was er hier in Florenz kennengelernt und gepflegt hat."

Es geht voran in Florenz

Nardellas Büro liegt im Palazzo Vecchio, mitten im alten Zentrum von Florenz. An Wänden und der Decke prangen Renaissance-Fresken. Der Bürgermeister gibt sich, ganz wie Matteo Renzi, hemdsärmlig. Und er bittet um Entschuldigung: Man habe gerade über 1.000 Baustellen in der Stadt, das Fortkommen sei deshalb nicht immer bequem. Aber es geht voran in Florenz, das ist die Botschaft. Zwei Milliarden Euro fließen gerade in neue Infrastrukturprojekte. Dass Renzi jetzt Regierungschef in Rom ist, hat sicher seine Vorteile. Dario Nardella beschwört den Florentiner Geist – am Ende, so sagt der 40-Jährige, komme es hier gar nicht so sehr auf den Bürgermeister an:
"Das 'Gute Regieren' ist von der Tatsache geprägt, dass es nicht nur den gibt, der regiert, ob es nun der Großherzog oder der Bürgermeister ist, sondern auch davon, dass es eine starke reaktionsfreudige, rührige Gesellschaft gibt mit einem großen Bürgersinn."
Matteo Renzis Lieblings-Hashtag auf Twitter heißt #lavoltabuona, was so viel bedeutet wie "Wende zum Guten". Renzi versuche, gutes Regieren alla fiorentina zu einem Regierungsstil für ganz Italien zu machen, sagt Giuliano da Empoli. Er war dessen Kulturassessor in Florenz. Inzwischen leitet er einen Thinktank.

Gutes Regieren in Florenz lernen

Giuliano da Empoli: "In der Renzi-Regierung kann man die Spur dieses Florentiner Charakters wiedererkennen. Ich habe das Gefühl, dass man auch auf nationaler Ebene versucht, diesen Charakter zu prägen - was den Stil angeht - also immer direkt, schnell und reaktionsfreudig - aber ich hoffe auch in der Substanz."
Dario Nardella sitzt in seinem prächtigen Arbeitszimmer und findet es offenbar gar nicht schlimm, dass er immer auf seinen Vorgänger Renzi angesprochen wird, den sie am Anfang "Sindaco d’Italia", Bürgermeister Italiens, genannt haben. Er weiß, dass der Job in Florenz ihn für höhere Aufgaben qualifiziert. Und in Zeiten wie diesen ist eine Nähe zu Renzi nicht verkehrt. Gutes Regieren, so Nardella, könne man eben besonders gut in Florenz lernen:
"Florenz ist ein hervorragendes Trainingslager. Hier muss man sich sowohl an den großen internationalen Themen messen, als auch an den kleinen Dingen. Alles, was in Florenz geschieht, wird auch auf internationaler Ebene diskutiert. Im Guten und im Schlechten. Deshalb neigt man dazu, sich mit dem Rest der Welt zu vergleichen und hat auch den Ehrgeiz, die Welt zu beeinflussen - wie das in der Renaissance passiert ist."
Mehr zum Thema