150. Todestag von Michael Thonet

Genialer Erfinder des Kaffeehaus-Stuhls

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Der Stuhl Nr.14 des Designers Michael Thonet bestehend aus sechs Holzteilen, zehn Schrauben unbd zwei Muttern.
Der legendäre Stuhl Nr.14 des Designers Michael Thonet besteht aus sechs Holzteilen, zehn Schrauben und zwei Muttern. © picture alliance / Thonet / gm
Mateo Kries im Gespräch mit Gabi Wuttke · 02.03.2021
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Vor mehr als 150 Jahren erfand der Tischler Michael Thonet einen Stuhl, der nahezu auf der ganzen Welt bekannt ist. Das lag nicht nur am genialen Design, erklärt Kunsthistoriker Mateo Kries. Auch die aufkommende Kaffeehauskultur half dabei.
Mit seinem einfach designten, aus gebogenem Holz entwickelten Stuhl hat der Tischler Michael Thonet eines der bekanntesten Sitzmöbel der Welt geschaffen. Das lag nicht nur am genialen Design seines berühmten Stuhls Nr. 14, sondern auch am Zeitpunkt seiner Entwicklung, sagt der Kunsthistoriker Mateo Kries, Direktor des Vitra Design Museums in Weil am Rhein.
Der steigende Wohlstand des Bürgertums im 19. Jahrhundert und die damit verbundene Freizeit habe die Kultur des Kaffeehauses in Wien entstehen lassen. Und dazu sei Thonets berühmter Stuhl als Sitzgelegenheit 1859 zur rechten Zeit erfunden worden.
"In Wien gab es ja schon diese berühmte Kaffeehauskultur. Da gab es einen Bedarf. Das war in Deutschland noch nicht so verbreitet."

Holzbearbeitung im industriellen Maßstab

Holz zu biegen, sei schon Jahrhunderte lang üblich gewesen, sagt Kries. Aber erst ab dem 18. Jahrhundert habe man begonnen, diese Technik während der beginnenden industriellen Revolution in größerem Maßstab zu verwenden.
"Thonet hat das dann perfektioniert und auch die Formen seiner Möbel an diese Technik angepasst. Das heißt, er hat Design eigentlich zum ersten Mal im ganzheitlichen Sinne gedacht, in der Form, in der Produktion und im Material."

Schlichtes Design gut vermarktet

Der Stuhl sei preiswert, aber nicht besonders auffällig gewesen, sagt Kries. "Es ist ja eigentlich eine der einfachsten Formen, die man sich nur vorstellen kann." Thonet habe aber die Nachfrage auch durch ein ganz neues Marketing befeuert.
"Er hat Kataloge in immer neuen Auflagen und er hat Werbeposter herausgebracht. Er war wirklich auch ein Genie, nicht nur in der Entwicklung dieses Stuhls und anderer Möbel, sondern im Marketing und auch in der Logistik."
Der Stuhl sei leicht auseinandernehmbar und darum auch einfach zu verschicken: "Das hatte dann Auswirkungen darauf, dass er in hohen Stückzahlen verkauft werden konnte." Bis nach Afrika und Asien seien Thonets Möbel geliefert worden, die später mit immer gewagteren Holz-Ornamenten geformt worden seien, so Kries.
"Auch der Einfluss des Jugendstils wird sichtbar. Mit der einen Grundidee war man auf einmal in der Lage, ein ganzes Alphabet von Möbelformen auszubuchstabieren und immer weiterzuentwickeln. Und das hat zum Erfolg beigetragen."

Fortsetzung mit Möbeln aus Stahlrohr

Thonets Söhne hätten aus der Erfahrung mit Holzkonstruktionen später auch beim Möbeldesign mit Stahlrohr profitiert. Darum stehe Thonets Name auch für die Stahlrohrmöbel des Bauhauses.
"Das eine Material war das des 19. Jahrhunderts. Das Material Stahlrohr war das typische Maschinenmaterial des 20. Jahrhunderts. Aber es ist sicherlich kein Zufall, dass Thonets dann mit dem Material Stahlrohr solche Erfolge feierte, weil es eigentlich auch als Fortsetzung der Geschichte gesehen werden kann."
Verschiedenfarbige Modelle des Stahlrohrmöbel Klassikers Stuhl S43 von Mart Stam. 
Der Stuhl S43 - ein Stahlrohrmöbel-Klassiker, der eine Weiterführung von Michael Thonets Bugholzdesign ist© picture alliance / dpa / Arno Burgi
Noch heute gebe es das Thonet-Werk in Hessen am ursprünglichen Standort. Die Firma biete Produkte aus dem historischen Sortiment, entwickle aber ständig mit heutigen Designern auch neue:
"Man kann sich nicht auf der eigenen reichen Geschichte ausruhen, sondern man muss auch versuchen, diese Geschichte immer wieder neu zu interpretieren."
(mle)
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