1400 Seiten Geburtstagsreden

25.10.2013
Mit den Historikern Uwe Wesel und Stefan Rebenich lässt C.H. Beck zu seinem 250-jährigen Bestehen seine Verlagsgeschichte gleich in zwei Publikationen erzählen. Der eine widmet sich der Rechtsliteratur, der andere der Kulturgeschichte, die NS-Verwicklungen benennen beide schonungslos.
Einer der größten deutschen Verlage feiert sein 250-jähriges Bestehen als Familienunternehmen – und leistet sich zur Feier gleich zwei gewichtige Darstellungen seiner Geschichte, verfasst von je verschiedenen Autoren, insgesamt mehr als 1400 Seiten. Wen, außer den Betroffenen – also Familie, Autoren, Betriebsangehörigen – interessiert das?

Einer der beiden Verfasser sieht die Verlagsgeschichte ganz offenkundig als Kulturgeschichte, und er beruft sich dabei auf Max Webers Frage, wie die "überindividuellen Kulturgüter beeinflusst" werden, was "an ihnen verschoben" und was "an Massenglauben, an Massenhoffnungen vernichtet und neu geschaffen" wird. Stefan Rebenich löst diesen Anspruch weitgehend ein, indem er unaufhörlich zwischen Zeitgeist, politischer Opportunität und öffentlichem Diskurs pendelt und Fäden spinnt.

Uwe Wesels Rekonstruktion der Verlagsgeschichte hingegen widmet sich besonders der Rechtsliteratur. Sie ist mehr oder weniger eine Registratur der administrativen, institutionellen und juristischen Zusammenhänge – umfassend, sachlich, sine ira et studio, auch wo es um delikate Fragen geht wie den Ankauf eines von jüdischen Inhabern geführten Konkurrenzverlages, der während der NS-Zeit aufgeben musste, und damit Beck die beherrschende Stellung in Sachen Rechtsliteratur sicherte: praktisch die gesamte Nazi-Gesetzgebung erschien hier.

Die frühen Stadien sind vor allem insofern interessant, als die Gründer im späten 18. Jahrhundert anscheinend ziemlich geschickt zwischen Zensur und Geschäftsinteressen lavierten. Früh entwickelten sie einen Sinn für die Aufbruchstimmung der Aufklärung, die im Bürgertum schnell Wurzeln schlug und einen Bedarf an kritischem Diskurs schuf. "In dieser Zeit vollzog sich eben auch die ‚Umwandlung der Gesellschaft in ein Lesepublikum’."

Im Laufe der zweieinhalb Jahrhunderte schwankte das protestantisch-liberale Profil immer wieder, nahm schon um 1900 durchaus nationalistische Modetrends ins Programm – Walter Flex war mit seinem ideologietriefenden Bestseller "Wanderer zwischen beiden Welten" nur ein Beispiel von vielen – und wirkte während der Nazizeit durchaus als Sachwalter der herrschenden Rechtsliteratur. Bewusst ergänzt, auch in der Belletristik, durch NS-Zeitgeistthemen, wie Rebenich anhand der Anzeigentexte zeigen kann. Keiner der Autoren beschönigt diese Phasen, und dem Verlag gebührt hohes Lob für diese Rückhaltlosigkeit, die wir bei anderen Unternehmensgeschichten so oft vermissen.

Bei der Kultur-, Sozial- und Geistesgeschichte – entwickelt aus einem Schwerpunkt Altertumswissenschaften im 19. Jahrhundert – ist bis heute ein breit gefächertes historiographisches Programm entstanden, bis hin zu Spezialreihen zur jüdischen, islamischen und europäischen Geschichte. Heute ist der Verlag tatsächlich weithin ein Universalverlag (mit Ausnahme der Naturwissenschaften), der sich vor allem, darin ganz seiner Tradition verpflichtet, an ein bildungsbürgerliches Publikum richtet. Die hier publizierten Werke sollen, wie einer seiner legendären Lektoren schrieb, zugleich strengsten wissenschaftlichen Kriterien entsprechen, aber jedem "Gebildeten" (also nicht nur für Experten) verständlich sein.

Besprochen von Eike Gebhardt

Uwe Wesel: 250 Jahre rechtswissenschaftlicher Verlag C.H. Beck
C.H. Beck, München 2013
591 Seiten, 38,00 Euro

Stefan Rebenich: C.H. Beck 1763-2013. Der kulturwissenschaftliche Verlag und seine Geschichte
C.H. Beck, München 2013
861 Seiten, 38,00 Euro
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