125 Jahre Bahnhofsmission

Ein Seismograf der Not

06:43 Minuten
Ein Mann geht mit Rucksack ind Isomatte zur Bahnhofsmission im Ostbahnhof in Berlin.
Für viele Menschen in Berlin ist die Bahnhofsmission eine wichtige Anlaufstelle. © Stephanie Pilick/dpa
Ulrike Reiher im Gespräch mit Liane von Billerbeck  · 27.09.2019
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Die erste Bahnhofsmission öffnete 1894 am heutigen Berliner Ostbahnhof ihre Tore. Bis heute finden dort arme und wohnungslose Menschen Hilfe und Unterstützung, erzählt die Leiterin Ulrike Reiher. Heute wird das Jubiläum gefeiert.
Die Bahnhofsmission wird 125 Jahre alt. Frauen aus dem Bürgertum eröffneten die erste Bahnhofsmission am heutigen Berliner Ostbahnhof, der damals noch Schlesischer Bahnhof hieß. Heute feiern die Leiterin Ulrike Reiher und ihre Mitarbeiter, aber an normalen Tagen ist der Alltag in dieser historischen Bahnhofsmission hart. Schon morgens früh würden Tee, Kaffee und Brote für die Gäste vorbereitet und Spenden gesammelt, sagt Reiher. Wenn sie um 8.30 Uhr für das Frühstück öffneten, warteten schon viele Leute vor der Tür, die Hunger hätten, sich aufwärmen oder duschen wollten.

Jeder darf kommen

Am Ostbahnhof seien es vor allem wohnungslose Menschen oder Leute mit sehr geringen Einkommen, so Reiher. "Wir fragen nicht danach, wer jemand ist und warum er kommt, sondern jeder darf kommen." Es gebe viel Stammpublikum, das auch mit den Regeln vertraut sei. Die meisten blieben 20 bis 30 Minuten, damit andere nachrücken könnten. Täglich kämen zwischen 150 und 180 bedürftige Menschen. Die Bahnhofsmission arbeite mit anderen Organisationen zusammen, um auch einen weiteren Weg weisen zu können.
Kriegsheimkehrer vor der Bahnhofsmission Berlin-Friedrichshain, Schlesischer Bahnhof.  Winter 1945/46
Im Winter 1945/46 waren es vor allem Kriegsheimkehrer, die vor der Bahnhofsmission warteten. © picture-alliance / akg-images
Vor 125 Jahren seien es junge Frauen gewesen, die aus ländlichen Gebieten kamen, um in Berlin ihr Glück zu machen, erzählt Reiher. Ihnen habe zu Anfang oft ein Ansprechpartner gefehlt, sodass sie leicht an Zuhälter gerieten und damit auf die schiefe Bahn. So sei die Initiative entstanden, um die Frauen seriös zu vermitteln. "Man sagt immer, die Bahnhofsmission ist ein Seismograf der gesellschaftlichen Not, so wie damals auch.", sagte Reiher. Nach den jungen Mädchen seien vor allem Kriegsheimkehrer unter den Gästen gewesen, später die Flüchtlinge. Die Bahnhofsmission entwickle sich mit der Gesellschaft mit und deshalb werde auch immer Hilfe gebraucht, glaubt Reiher.
(gem)
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