100 Jahre in 100 Minuten
Der Festakt zum 100. Geburtstag des Verlegers Axel Springer sollte nicht durch kluge oder auch bloß freundliche Reden verdorben werden. Daher wurde sein Leben als Revue aufgeführt. Die Show stellte die Widersprüche Springer heraus - ein Schock war sie aber auch nicht.
Vor allem ganz anders sollte alles - keine klugen oder auch bloß freundlichen Reden, keine Mitstreiter und Weggefährten, kein Lob bloß um des Gehudels willen. "Bunt, verrückt und widersprüchlich", so die Eigenwerbung des Axel-Springer-Verlags mit den Worten des aktuellen Vorstandschefs Mathias Döpfner, sollte der Festakt zum 100. Geburtstag des Verlagsgründers geraten: "Ein Leben als Revue!"
Dafür hatte Döpfner das Team um Ulrich Waller engagiert, dem Intendanten des Hamburger St.-Pauli-Theaters, der in Berlin seit vorigem Jahr das Udo-Lindenberg-Musical "Hinterm Horizont" zeigt. Und der wiederum ließ im Vorhinein verkünden, in dieser Revue dürfe er "alles sagen, was man schon immer gegen Springer" sagen konnte. Das klang mutig - und Döpfner hatte sich auch noch selber als Prolog inszenieren lassen: im Hippie-Outfit von anno dazumal, als er noch Musik-Kritiken für die FAZ schrieb und ihm der unerhört erfolgreiche und von vielen zutiefst gehasste Verleger Axel Springer erklärtermaßen "völlig egal" war.
So schrieb Döpfner nun, zum 100. Geburtstag, einen Brief "nach oben", an den vor 27 Jahren verstorbenen Ex-Hausherrn, und nach skrupulösem Auftakt wurde (natürlich!) eine Ehrenrede daraus. Das sah zunächst ein wenig eitel aus, danach aber war tatsächlich vielleicht nicht alles, aber vieles anders - vor allem des wüsten Durcheinanders wegen, das den Lebensweg des guten Menschen von Altona geprägt hatte. Die Revue zeigte ihn, was und wie er war: Heiliger und Hallodri, Gutmensch und Giftmischer, Swing-Heini und verhinderter Operettensänger; Hai im deutschen Karpfenteich.
Für die Revue hatten die Autoren Benjamin von Stuckrad-Barre, Peter Huth und Ulrich Waller Stichproben dieses Rummelplatzlebens genommen. Gelegentlich frech und polemisch, vor allem aber chronologisch - zu Beginn mit einem der schönsten Chansons, das in den ersten Nachkriegsmonaten in Hamburg entstand, und Springers Bewerbungsgespräch beim Presse-Offizier der englisch Besatzer. Darin ist ja auch der legendäre Antwortsatz des Jungverlegers auf die Frage des Engländers danach verbürgt, wer ihn, Springer, denn verfolgt habe: Die Frauen, sagt der Verleger in spe, immer nur die Frauen.
Herbert Knaup schlängelt sich in der Titelpartie der Springer-Revue elegant von Presseball zu Presseball, gibt sich richtig (wie das bei Hans Albers hieß) aasig und spannt den hanseatischen Honoratioren regelmäßig die Gattinnen aus. Es menschelt beträchtlich, vielleicht ein bisschen zu sehr im ersten Teil der Revue.
Die Politik kommt im Grunde erst auf Sylt ins Spiel, wo der Erfolgsmensch Springer Seit' an Seite neben dem anderen Hamburger Erfolgsmenschen jener Jahre, Rudolf Augstein, im Strandkorb hockt, fleißig Schampus schlürft und über die Weltlage räsoniert. Das werden die schönsten Momente des Abends - Knaup als Springer und Peter Jordan als Augstein liefern einander kleinere und feinere, größere und gröbere Wortgefechte, als säßen sie wie Waldorf und Statler selig in der Rangloge des Welttheaters und müssten immerzu zuschauen.
Die meisten Dialoge sind wohl bekannt und Kennern vertraut - die Autoren haben sich zugänglicher Quellen bedient, der investigative Eifer der Recherche tendiert gegen Null. Aber an ein paar echte Kuriositäten wird ja auch erinnert - etwa an die Sylter Schnapsidee von Axel und Rudi, mal eben nach Moskau zu reisen, um dem Herrn Chruschtschow zu erklären, wie die deutsche Frage zu lösen wäre: durch Neutralität, will Springer, der Prophet der Wiedervereinigung, im Kreml ernsthaft anbieten. Augstein ist gar nicht erst mitgefahren und macht sich darum auch nicht lächerlich.
Viel zu viel Zeit verwendet Wallers Revue auf die Bespitzelung durch die Stasi - und führt dabei nur einen (von heute aus) sehr ulkigen Desinformations-Film aus DEFA-Produktion vor Augen und Ohren. Aber immerhin: Nie zuvor sicherlich wurde in der Konzern-Zentrale so lauthals "Enteignet Springer!" getönt - in musikalische Arrangements gegossen und von Matthias Stötzels Band ziemlich prächtig präsentiert, bereichert übrigens durch Gastauftritte von Udo Lindenberg und Max Raabe, stürzt sich die Revue für eine Weile in den szenischen Straßenkampf von 1968. 21 Jahre später, und am Ende der Revue, fällt die Mauer, und Springer ist schon vier Jahre tot.
Das letzte Wort gehört dann Gattin und Erbverwalterin Friede Springer - es klinge vielleicht komisch, aber sie habe immer nur sein, Axel Cäsars Leben gelebt, das eigene nie. Die richtige Witwe sitzt natürlich in der ersten Reihe, als Leslie Malton sie auf der Bühne zitiert; und ihr hat's sichtlich gefallen. Die Herren Gauck, Genscher und von Weizsäcker dagegen saßen eher stumm drum herum und sahen nicht ganz so amused aus - alternativ hätten ja womöglich sie die Festreden halten müssen.
So betrachtet war's natürlich besser so - auch wenn Waller kein wirkliches neues Springer-Bild beschwören konnte. Aber mal sehen - vielleicht wird ja auch noch ein Fernsehfilm draus.
Dafür hatte Döpfner das Team um Ulrich Waller engagiert, dem Intendanten des Hamburger St.-Pauli-Theaters, der in Berlin seit vorigem Jahr das Udo-Lindenberg-Musical "Hinterm Horizont" zeigt. Und der wiederum ließ im Vorhinein verkünden, in dieser Revue dürfe er "alles sagen, was man schon immer gegen Springer" sagen konnte. Das klang mutig - und Döpfner hatte sich auch noch selber als Prolog inszenieren lassen: im Hippie-Outfit von anno dazumal, als er noch Musik-Kritiken für die FAZ schrieb und ihm der unerhört erfolgreiche und von vielen zutiefst gehasste Verleger Axel Springer erklärtermaßen "völlig egal" war.
So schrieb Döpfner nun, zum 100. Geburtstag, einen Brief "nach oben", an den vor 27 Jahren verstorbenen Ex-Hausherrn, und nach skrupulösem Auftakt wurde (natürlich!) eine Ehrenrede daraus. Das sah zunächst ein wenig eitel aus, danach aber war tatsächlich vielleicht nicht alles, aber vieles anders - vor allem des wüsten Durcheinanders wegen, das den Lebensweg des guten Menschen von Altona geprägt hatte. Die Revue zeigte ihn, was und wie er war: Heiliger und Hallodri, Gutmensch und Giftmischer, Swing-Heini und verhinderter Operettensänger; Hai im deutschen Karpfenteich.
Für die Revue hatten die Autoren Benjamin von Stuckrad-Barre, Peter Huth und Ulrich Waller Stichproben dieses Rummelplatzlebens genommen. Gelegentlich frech und polemisch, vor allem aber chronologisch - zu Beginn mit einem der schönsten Chansons, das in den ersten Nachkriegsmonaten in Hamburg entstand, und Springers Bewerbungsgespräch beim Presse-Offizier der englisch Besatzer. Darin ist ja auch der legendäre Antwortsatz des Jungverlegers auf die Frage des Engländers danach verbürgt, wer ihn, Springer, denn verfolgt habe: Die Frauen, sagt der Verleger in spe, immer nur die Frauen.
Herbert Knaup schlängelt sich in der Titelpartie der Springer-Revue elegant von Presseball zu Presseball, gibt sich richtig (wie das bei Hans Albers hieß) aasig und spannt den hanseatischen Honoratioren regelmäßig die Gattinnen aus. Es menschelt beträchtlich, vielleicht ein bisschen zu sehr im ersten Teil der Revue.
Die Politik kommt im Grunde erst auf Sylt ins Spiel, wo der Erfolgsmensch Springer Seit' an Seite neben dem anderen Hamburger Erfolgsmenschen jener Jahre, Rudolf Augstein, im Strandkorb hockt, fleißig Schampus schlürft und über die Weltlage räsoniert. Das werden die schönsten Momente des Abends - Knaup als Springer und Peter Jordan als Augstein liefern einander kleinere und feinere, größere und gröbere Wortgefechte, als säßen sie wie Waldorf und Statler selig in der Rangloge des Welttheaters und müssten immerzu zuschauen.
Die meisten Dialoge sind wohl bekannt und Kennern vertraut - die Autoren haben sich zugänglicher Quellen bedient, der investigative Eifer der Recherche tendiert gegen Null. Aber an ein paar echte Kuriositäten wird ja auch erinnert - etwa an die Sylter Schnapsidee von Axel und Rudi, mal eben nach Moskau zu reisen, um dem Herrn Chruschtschow zu erklären, wie die deutsche Frage zu lösen wäre: durch Neutralität, will Springer, der Prophet der Wiedervereinigung, im Kreml ernsthaft anbieten. Augstein ist gar nicht erst mitgefahren und macht sich darum auch nicht lächerlich.
Viel zu viel Zeit verwendet Wallers Revue auf die Bespitzelung durch die Stasi - und führt dabei nur einen (von heute aus) sehr ulkigen Desinformations-Film aus DEFA-Produktion vor Augen und Ohren. Aber immerhin: Nie zuvor sicherlich wurde in der Konzern-Zentrale so lauthals "Enteignet Springer!" getönt - in musikalische Arrangements gegossen und von Matthias Stötzels Band ziemlich prächtig präsentiert, bereichert übrigens durch Gastauftritte von Udo Lindenberg und Max Raabe, stürzt sich die Revue für eine Weile in den szenischen Straßenkampf von 1968. 21 Jahre später, und am Ende der Revue, fällt die Mauer, und Springer ist schon vier Jahre tot.
Das letzte Wort gehört dann Gattin und Erbverwalterin Friede Springer - es klinge vielleicht komisch, aber sie habe immer nur sein, Axel Cäsars Leben gelebt, das eigene nie. Die richtige Witwe sitzt natürlich in der ersten Reihe, als Leslie Malton sie auf der Bühne zitiert; und ihr hat's sichtlich gefallen. Die Herren Gauck, Genscher und von Weizsäcker dagegen saßen eher stumm drum herum und sahen nicht ganz so amused aus - alternativ hätten ja womöglich sie die Festreden halten müssen.
So betrachtet war's natürlich besser so - auch wenn Waller kein wirkliches neues Springer-Bild beschwören konnte. Aber mal sehen - vielleicht wird ja auch noch ein Fernsehfilm draus.