100 Jahre Bavaria Film

Perfekte Illusionen vom Münchner Stadtrand

05:14 Minuten
Die Kamerafrau Christine Schlech sitzt in der Bavaria Filmstadt in der Kulisse des Films "Die unendliche Geschichte" auf der Figur des Glücksdrachen Fuchur.
Deutsche Kinogeschichte zum Anfassen: In der Bavaria Filmstadt kann man auf dem Glücksdrachen Fuchur aus der "Unendlichen Geschichte" reiten. © picture alliance / dpa / Felix Hörhager
Von Tobias Krone · 29.06.2019
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Ihren 100. Geburtstag feiern die Bavaria-Filmstudios in diesem Jahr. Sie können nicht nur auf populäre deutsche Filme wie "Das Boot" oder "Die unendliche Geschichte" zurückblicken, sondern auch auf Hollywood-Produktionen wie "Eins, zwei, drei".
Die Geschichte des Films in Bayern beginnt mit Licht. Mit Tageslicht. 1919 lassen sich die filmbegeisterten Brüder Peter, Franz und Ottmar Ostermayr eine Halle aus Glas in den Wald südlich von München bauen.
"Man war, als dieses Gebäude 1919 errichtet wurde, noch auf Tageslicht angewiesen beim Dreh. Das Filmmaterial war relativ lichtunempfindlich, die Scheinwerfer waren Monstren, die aber nicht viel Licht erzeugten. Deshalb bestand das ganze Studio aus Glas."
Sven Femerling, Grafiker und Kurator der Ausstellung "Filmstadt Atelier" hat sich zum 100-jährigen Jubiläum der Bavaria-Film-Studios ein Jahr lang durch die Archive gegraben. Münchens Traumfabrik am Geiselgasteig erlebte in der Stummfilmzeit einen ersten Boom. Der Grundstein war gelegt für die Filmkarriere der Stadt München.

Hitchcock und Wilder nutzten die Studios

Schon 1925 drehte hier ein damals völlig unbekannter Engländer namens Alfred Hitchcock seine Stummfilme. Größerer Ruhm kam nach dem Krieg. Die Bavaria Filmkunst hatte sich im Nationalsozialismus weitestgehend mit seichten Durchhaltefilmen beschäftigt. Nun betrieb Hollywood hier Kriegsaufarbeitung mit Helden wie Steve McQueen in "Gesprengte Ketten", dem Drama um amerikanische Kriegsgefangene in einem deutschen Lager. Hier am Münchner Stadtrand gab es viel dichten deutschen Wald für die Kulisse und die Produktionskosten waren günstiger als in den USA.

Billy Wilder drehte 1961 in Deutschland seine Ost-West-Komödie "Eins, zwei, drei" und wurde vom Mauerbau überrascht. Kurzerhand simulierte man Berlin in den Studios am Münchner Stadtrand. Sven Femerling deutet auf ein Foto:
"Hier sehen wir das Brandenburger Tor, das bestand aus Stahlstreben, die dann mit Holz verkleidet wurden. Die Außenhaut der dorischen Säulen bestand aus Gips und man hatte aber natürlich noch den Hintergrund. Deshalb hat man hier – das sieht man… das hier sind abgeschnittene Buchsbaumhecken, die den Tiergarten simulieren. Dieses Set war vielleicht sechs bis acht Meter tief. Aber der damalige Kameraassistent, Ernst Wild, der dabei war, hat mir erzählt, die Illusion war perfekt."

Science-Fiction aus Bayern

Auch ein kleines, aber beliebtes Kapitel deutsche Science-Fiction-Geschichte hat die Bavaria Film geschrieben. 1966, nur eine gute Woche nach "Star Trek" glitt "Raumschiff Orion" an unsichtbaren Fäden über die deutschen Bildschirme.
Eingang zu den Bavaria Film-Studios.
Eingang zu den Bavaria Film-Studios.© Imago / Stefan Zeitz
Die Studios schafften in den 70-ern einen neuen Aufschwung mit "Cabaret", das acht Oscars erhielt. Auch die Autoren des Neuen Deutschen Films wie Rainer Werner Fassbinder oder Rosa von Praunheim, die eigentlich die Straße vorzogen, griffen auf die Studio-Infrastruktur zurück.

"Die haben ja den klassischen Studiobetrieb eigentlich abgelehnt. 'Opas Kino war tot'. Das war ja eigentlich genau das, was hier über Jahrzehnte entstanden war: Liselotte Pulver, Heinz Rühmann, diese ganzen klassischen Komödien. Aber die haben auch schnell gemerkt, was sie für Möglichkeiten hatten hier. Insbesondere Fassbinder. Weil das, was er umgesetzt hat, waren meist Stücke, die in den 20er-, 30er-Jahren gespielt haben: Bolwieser, Berlin Alexanderplatz, Lili Marleen. Und das kann man halt nicht in München irgendwo in einer Nebenstraße machen."

300 Meter lange Kulissenstraße

Für Fassbinder entstand eine 300 Meter lange Straße nur aus Kulissenwänden. Ab den 80-ern konzentrierte man sich dann in den Studiohallen mehr auf Fernsehproduktionen. Das Kriegsdrama "Das Boot" von Roland Emmerich wurde weltbekannt. Für Unterwasseraufnahmen ließ man ein Modell in einem Bassin aus trübem Spinat-Sud tauchen.
Nach der Wende kehrte mit den Babelsberger Studios Potsdam der alte Konkurrent Ufa wieder zurück ins internationale Filmgeschäft. Mittlerweile verdient man bei der Bavaria vor allem Geld mit der täglichen Telenovela "Sturm der Liebe" – und diversen Tatorten in Köln, Dortmund, Münster, Saarbrücken – und natürlich München.
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