100.000 Pfund für ein Hochzeitskleid

Von Jochen Spengler |
In dieser Woche war es wieder soweit: Das weltberühmte Londoner Auktionshaus Christies versteigerte Memorabilien aus den letzten 120 Jahren populärer Kultur - von James Bond bis Amy Winehouse. Sammler boten lebhaft für Autogramme, Briefe und Elizabeth Taylors erstes Hochzeitskleid.
"Beatles."
"Beatles?"
"We are originally from Liverpool."

Alan und Jean sind aufgeregt. Das ergraute Ehepaar sitzt in einer der hinteren Reihen des langen, schmalen Auktionssaals und ist extra aus der Beatles-Stadt angereist.

"I was seventeen and I asked John to marry me."
"John?"
"Lennon."
"And what did he say?"
"He said no, I was too young."

Und weil John Lennon partout nicht Jean heiraten wollte, nahm sie eben Alan vor 46 Jahren und sammelt seither mit ihm Erinnerungsstücke der vier Pilzköpfe:

"We are here today to get a single Lennon-Autograph."

Das Paar möchte ein Autogramm mit Selbstkarikatur von John Lennon ersteigern, Los-Nummer 96. In der ersten Reihe fläzt sich ein stattlicher Italiener auf dem zu kleinen Polsterstuhl. Red Ronnie heißt er, Fernsehmoderator, Rock-Enthusiast und 62 Jahre alt; sein Namen gebendes einst rotes Haar ist grau-braun. Red Ronnie will heute einen großen Teil seiner Sammlung unter den Hammer bringen, um damit sein Internet-Fernsehen zu finanzieren:

"60 bis 70 Stücke habe ich hier. Die wichtigsten sind Texte von Jimi Hendrix und der Original Songtext von Jim Morrisons "L. A. Woman". Ich hab das schon mal 1982 gemacht. Ich war der Besitzer von Jimi Hendrix Gitarre, - der spielt hier gerade auf meinem Handy - auf der er in Woodstock gespielt hat. Es ist schwer, wenn man die Entscheidung trifft, sich von Stücken zu trennen, danach aber ... jeder fragt, wie fühlst Du Dich?"

"And how do you feel?"

"Ruhig, normal. Für mich sind das nicht mehr meine Stücke. Sie sind schon weg. Wenn Du Dich entschieden hast, Dich zu trennen, sind sie bereits weg."

Punkt eins startet die Auktion Pop Culture. Ein erster Höhepunkt schon nach zehn Minuten: die Losnummer 25:

"Lot 25. There we have this wonderful wedding dress worn by Elizabeth Taylor for her first Wedding to Conrad Hilton in 1950 - and we start at 20.000 Pounds ..."

20.000 Pfund für das champagnerfarbene Seiden-Hochzeitskleid von Liz Taylor - als Mindestgebot. Die Taylor war 18 bei ihrer ersten Eheschließung, der noch einige folgen sollten.

Vorn im modernen Saal dirigiert Helen Hall auf einer alten Holz-Kanzel das Geschehen mit eleganten Gesten ihrer rechten Hand. Links hält sie den kleinen Auktionshammer. Helen erinnert mit ihrer schlanken Gestalt und dem kurzen roten Haarschopf an die junge Mia Farrow. Sie trägt ein lilafarbenes Kleid und hat alles gleichzeitig im Auge: den Monitor an der Decke, auf dem die Gebote aus dem Internet angezeigt werden, die zehn Mitarbeiter hinter dem Tresen an der linken, pinkfarbenen Wand, die per Telefon die Kundenanrufe entgegennehmen und anzeigen und den mit etwa 70 Bietern fast voll besetzten Parkettsaal:

Wie jedes Auktionshaus versucht Christie's für den Verkäufer den bestmöglichen Preis zu erzielen. Mit Charme, geschicktem Verzögern und Beschleunigen und persönlicher Ansprache versucht Helen die Bieter zu animieren. Den Preis für Liz Taylors Kleid hat Christie's zwischen 20.000 und 50.000 Pfund taxiert:

"100.000 - da ist das Gebot am Telefon. 100.000 gegen Sie, Online. Machen Sie weiter, Online? Noch ein Gebot? 110.000 das nächste, wenn Sie es wollen. Es ist Ruhe - man denkt noch darüber nach. Ruhe, jetzt online. Ich werde es verkaufen an den Telefonbieter - für 100.000 Pfund."

Ein Museum hat das Kleid erworben und will noch anonym bleiben. Schlag auf Schlag geht es weiter - 243 Auktionsstücke in knapp dreieinhalb Stunden. Ein stetiger Lärmpegel im Saal und ein lockeres, unkontrolliertes Kommen und Gehen.

13.000 Pfund für Marilyn Monroes Trennungsbrief, 85.000 für James-Bond-Armbanduhr aus "Thunderball", die der Verkäufer auf einem Flohmarkt für 25 Pfund entdeckt hat. Dann sind die Beatles dran. Lot 96 - John Lennons Karikatur. Schätzpreis bis 3.500 Pfund.

Alan und Jean heben tapfer ihr Bieter-Schild in die Höhe. Danach reicht ein Kopfnicken, um von Helen registriert zu werden. Bis 4.800 Pfund halten die Beatles-Fans noch mit.

"Fourthousand five on telephone line. 4.800? yeah, in the room than 4.800 pounds there it is. 5.000 pounds on telephone line, 5.500 I see online ahead of you both. Who wants 6.000? No? Have you all done? ... .if you all sure - at 6.000"

Alan und Jean stehen auf. Man sieht ihnen die Enttäuschung an, aber Alan nimmt's sportlich. Auf den Auktionspreis von 6.000 Pfund hätte er auch noch 25 Prozent plus Mehrwertsteuer an Christie's abführen müssen:

"Fast achttausend Pfund - das ist es nicht wert. Aber so ist das Leben. Wir waren schon bei anderen Auktionen, wo wir für die Hälfte des Schätzpreises ersteigert haben. Manchmal gewinnst Du manchmal verlierst Du."

Red Ronnies, der seine Sammlung verkaufen wollte, ist am Ende der Auktion nicht hundertprozentig zufrieden:

"Ja und Nein, Ja, weil manches wirklich sehr gut gelaufen ist, wie die 50.000 Pfund für Jim Morissons Originaltext von "L. A. Woman". Aber ich habe viel mehr erwartet für den Brief, in dem John Lennon verkündet hat, dass es die Beatles nicht länger mehr gibt. Das haben sie hier nicht verstanden."

Doch immerhin wurden dafür 22.500 Pfund bezahlt. Der Schätzpreis lag zwischen 10 und 15.000. Am Ende noch ein Höhepunkt - ein schulterloses Kleidchen der Modekette Liz Claiborne erzielte 38.000 Pfund - weil Amy Winehouse es einst getragen hat.

"Thank you Ladies and Gentlemen for your attention today. Look forward to see back at Christie's sometimes soon."
John Lennon (1940-1980), undatiertes Foto
John Lennon lehnte den Heiratsantrag der 17-jährigen Jean ab.© AP
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