Zensurvorwürfe in Polen

Popfestival wird zum Politikum

Polens bekannteste Sängerin Maryla Rodowicz bei einem Konzert in Danzig im April 2016.
Auch Polens bekannteste Sängerin Maryla Rodowicz hat ihre Teilnahme beim Oppelner Musikfestival abgesagt. © Imago
Von Florian Kellermann · 24.05.2017
Das Musikfestival in Oppeln ist jedes Jahr ein Schaulaufen der Stars der polnischen Rock- und Popmusik. Seit 54 Jahren wird es auch im Fernsehen übertragen. Doch in diesem Jahr fällt das Festival aus, weil viele Künstler abgesagt haben. Der staatliche Sender TVP habe Bands zensiert, so der Vorwurf.
Ein Mann in der Soutane eines katholischen Geistlichen tanzt vor dem Mikrophon: "Heute vertreibt keiner die Händler aus der Kirche", singt er. Ein Junge lässt den Klingelbeutel unter den Besuchern herumgehen. Ein Musik-Clip mit Konsequenzen: Die Band "Dr. Misio" wurde vom Musikfestival in Oppeln ausgeladen, das Anfang Juni stattfinden sollte. Sänger Arkadiusz Jakubik zeigte sich unbeeindruckt:
"Ich kümmere mich nicht um Politik, und ich sehe auch nicht fern. Ja, wenn der Tag 48 Stunden hätte, würde ich es vielleicht tun. Fernsehen kostet zu viel Zeit und zu viele Gefühle."
Jakubiks Kollegen jedoch nahmen den Vorfall sehr ernst. Die Rocksängerin Kayah kündigte an, aus Solidarität werde auch sie nicht am Festival in Oppeln teilnehmen, das vom öffentlichen Fernsehsender TVP organisiert wird. Berichten zufolge soll sich der Leiter des Senders, Jacek Kurski, ohnehin gegen ihre Teilnahme ausgesprochen haben.
Die polnische Sängerin Kayah auf der Bühne bei der Tribute-Show von Robert Wilson in Danzig zum 30. Jubiläum der Gründung von Solidarnosc.
Die polnische Sängerin Kayah © picture alliance / dpa / Adam Warzawa
Kurski widersprach dieser Information: Es gebe keine schwarze Liste beim öffentlichen Fernsehen, erklärte er.

Bekannte Künstler sagen ab

Kayahs Statement löste eine Lawine aus. Über ein Dutzend Musiker sagten ab, darunter auch Maryla Rodowicz, die als Ehrengast vorgesehen war - aus Anlass ihres 50. Bühnenjubiläums.
Internetnutzer veröffentlichten Foto-Montagen: Sie zeigten Jacek Kurski mit Gitarre und dem Hinweis, dass er wohl selbst das Programm bestreiten müsse.
Schließlich zog der Bürgermeister von Oppeln, Arkadiusz Wisniewski, die Reißleine:
"Ich habe den TVP-Präsidenten Kurski dazu aufgerufen, das Festival zu verschieben und ein unabhängiges Expertengremium einzusetzen, das die Musiker einlädt. Das wurde abgelehnt. Nachdem dann reihenweise Künstler abgesagt hatten, habe ich den Vertrag mit TVP gekündigt. Ich konnte nicht zulassen, dass es im Juni zu einem Festival des Kitsches kommt, zu einem Festival, wo irgendwelche Künstler auftreten, nur damit es stattfindet."
Regierungskritische Medien sprechen von der Niederlage, von einem Debakel für den TVP-Chef Jacek Kurski. Der hatte das öffentliche Fernsehen im vergangenen Jahr strikt auf Regierungslinie gebracht. In den Nachrichten kommen fast nur Experten zu Wort, die mit der rechtskonservativen Regierungspartei PiS sympathisieren.

Kurski verlangt Schadensersatz von Oppeln

Nun ließ sich Kurski zum ersten Mal in seinem eigenen Fernsehprogramm TVP Info interviewen:
"Das Festival wird stattfinden, nur nicht in Oppeln, dafür in einer anderen Stadt. Wir haben schon einige Bewerbungen. Wir werden von Oppeln Schadenersatz in Millionenhöhe fordern. Denn das Festival in so kurzer Zeit an einem anderen Ort zu planen, ist kostspielig. Bürgermeister Wisniewski hat ein Festival vernichtet, das die Zierde seiner Stadt war."
Auch die Stadt Oppeln will Schadenersatz fordern, falls das Festival tatsächlich an einem anderen Ort stattfinden sollte.
Jacek Kurski, umstrittener Chef des staatlichen polnischen Fernsehens TVP
Jacek Kurski, umstrittener Chef des staatlichen polnischen Fernsehens TVP© picture alliance / dpa / Marcin Obara
Mit dem Festival sei eine große Tradition in der polnischen Kulturszene in Gefahr, meint Jacek Kecik, langjähriger künstlerischer Direktor des Festivals. Immer wieder hätten Künstler auf der Bühne unerwartet auch politische Statements gegen die jeweilige Regierung abgegeben, sagt er:
"Jeder Künstler konnte dort machen, was er will. Wichtig war nur das künstlerische Niveau. Ich kann mich an keinen Fall von Zensur erinnern. Ja, unter der Vorgängerregierung gab es den Fall, dass einem der TVP-Verantwortlichen das Lied eines Sängers nicht passte. Aber der hat auf seinem Lied bestanden - und konnte damit auch auftreten."
Für den TVP-Chef Kurski wird der Skandal keine Folgen haben. Der Vorsitzende der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, stehe hinter ihm, schreiben polnische Medien.
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