"Wir brauchen Gelder für den Umweltschutz in der Fläche"

Fragen von Marietta Schwarz an Karin Holm-Müller · 07.02.2013
Mit knapp 37 Prozent ist die Agrarpolitik der zweitgrößte Ausgabenblock der EU. Unter dem Stichwort Greening wird angestrebt, Direktzahlungen als Umweltprämien für bestimmte ökologische Leistungen auszuzahlen. Karin Holm-Müller, Vize-Vorsitzende des Deutschen Umweltrats, sieht die Umgestaltungschancen allerdings als gering an.
Marietta Schwarz: Es geht um eine Billion Euro bei den Verhandlungen in Brüssel zum EU-Haushalt der nächsten sieben Jahre, und es geht um viel, viel Geld für die Bauern europaweit. Mit knapp 37 Prozent ist die Agrarpolitik der zweitgrößte Ausgabenblock der EU, das entspricht etwa 370 Milliarden Euro, die überwiegend in Direktzahlung an die Betriebe fließen. Die Landwirte also werden diesen Sondergipfel zum EU-Haushalt, der heute beginnt, ganz genau beobachten, zumal die Budgetplanung für eine Reform der Agrarpolitik hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft genutzt werden soll. Und am Telefon ist Karin Holm-Müller, Professorin für Ressourcen- und Umweltökonomik an der Uni Bonn und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Umweltrats. Guten Morgen, Frau Holm-Müller.

Karin Holm-Müller: Ja, guten Morgen!

Schwarz: Wie schätzen Sie die Chancen für eine durchschlagende EU-Agrarreform unter der Überschrift Greening denn noch ein?

Holm-Müller: Also hoch sind die Chancen nicht, wir geben trotzdem nicht auf, und werden auch heute unseren Kommentar vorstellen, der heißt Reformchancen nutzen für eine Umgestaltung der Agrarpolitik. Aber die Chancen stehen schlecht, das denke ich schon.

Schwarz: Wie könnte man denn Chancen nutzen, wie sehen die Chancen denn aus?
Holm-Müller: Es gibt einen großen Druck eigentlich auf alle Budgets, Sie haben es eben selber gesagt. Wir brauchen das Geld dringend für andere Aufgaben, das heißt, Zahlungen ohne Gegenleistung lassen sich eigentlich gesellschaftlich gar nicht mehr rechtfertigen, und damit sollte es einen Druck geben in Richtung, wenn die Landwirtschaft ihre Zahlungen behalten möchte, die Zahlungen, die an die Landwirtschaft gehen, dass es dafür auch Gegenleistungen gibt.

Schwarz: Sie sprechen jetzt vermutlich vor allem die Direktzahlungen an, die an die Umweltauflagen gebunden werden sollen, zum Beispiel sollen Ackerflächen vorübergehend stillgelegt werden. Warum ist das so schwierig durchzusetzen, wenn es doch eigentlich gar nicht so viele Argumente dagegen gibt?

Holm-Müller: Der Hauptgrund liegt schon daran, dass dort sehr große Einkommensinteressen sind, dass die Landwirtschaft sehr gut organisiert ist, und, wie Sie schon gesagt haben, insbesondere in Frankreich, aber auch in Deutschland, große Interessen daran sind, auch die eigene Landwirtschaft zu schützen und möglichst ungeschoren davonkommen zu lassen.

Schwarz: Geht es denn hier nur um Besitzstandswahrung oder sind tatsächlich, wie der deutsche Bauernverband zum Beispiel argumentiert, Existenzen bedroht?

Holm-Müller: Es können auch Existenzen bedroht sein, aber da geht es um ganz kleine Landwirte oder kleinere Landwirte, die dieses Geld wirklich brauchen. Das ist aber noch lange kein Grund, dass jeder etwa in Deutschland 300 Euro pro Hektar kriegt, auch wenn er 1000 Hektar hat. Damit, mit diesem System, wie wir das jetzt haben, wird den großen Bauern viel mehr geholfen als den kleinen Bauern.

Schwarz: Das EU-Parlament hat erstmals Vetorecht, Berichterstatter ist ein CSU-Mann, die Mehrheit der Abgeordneten hat das Reformpapier verwässert. Hier braucht es also eigentlich ja gar keinen Lobbyismus mehr, die Landwirte sitzen ja direkt im Parlament. Ist dies auch ein politisches Lehrstück darüber, wie künftig Entscheidungen in der EU getroffen oder verhindert werden?

Holm-Müller: Ob das ein politisches Lehrstück ist, das weiß ich nicht. Man muss sehen, es gibt den Agrarausschuss, der federführend ist im Europäischen Parlament, aber es gibt auch den Umweltausschuss, der zu einer anderen Stellung gekommen ist, und ich weiß noch nicht, was im Europaparlament dann letztendlich entschieden wird.

Schwarz: Diese Direktzahlungen, die wir eben schon angesprochen haben, die gehen ja auch an – die gehen vor allem an – große Agrarbetriebe, aber auch an Firmen wie Haribo oder Südzucker. Sollte man sie nicht einfach komplett streichen?

Holm-Müller: Ja, wir haben gesagt, wir brauchen Gelder für den Umweltschutz in der Fläche, und dafür brauchen wir die Landwirte. Und insofern gibt es durchaus eine Begründung, auch langfristig zu sagen, es gibt Gelder für die, die etwas tun für den Umweltschutz, und wenn alle Landwirte etwas für den Umweltschutz tun, ist uns damit auch geholfen. Das, was aber im Moment herauskommt – und insofern kann man vielleicht wirklich von einem Lehrstück sprechen – ist, dass man den einen Teil der Forderungen gerne mitnimmt, nämlich lasst uns die Gelder weiter zahlen, dass man aber den anderen Teil, der sagt, dafür muss es substanzielle Gegenleistungen geben, nicht mit aufnimmt.

Schwarz: Wird sich die Landwirtschaft ohne diese Reform in den nächsten Jahren verändern?

Holm-Müller: Ja, die Landwirtschaft wird noch stärker intensivieren, das ergibt sich ja einfach daraus, dass wir zusätzliche Anforderungen haben über zusätzliche Nachfrage für Fleisch aus den Ländern, in denen das Einkommen langsam anzieht, dass wir mehr Nachfrage haben für Energiepflanzen – das alles lässt die Preise steigen, und wenn die Preise steigen, gibt es noch mehr Druck, die Fläche möglichst intensiv zu nutzen, was letztlich auf Kosten des Naturschutzes geht.

Schwarz: Karin Holm-Müller, Professorin für Ressourcen und Umweltökonomie an der Uni Bonn und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Umweltrates. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

Holm-Müller: Danke!

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