Wahl in Ungarn

Am besten souverän auf Orbans Wahlsieg reagieren

Viktor Orban (Fidesz-Partei) mit seinem Team und Unterstützern während einer Ansprache nach der gewonnenen Wahl.
Viktor Orban (Fidesz-Partei) mit seinem Team und Unterstützern während einer Ansprache nach der gewonnenen Wahl. © dpa / Darko Vojinovic
Von Bettina Klein · 09.04.2018
Dass Viktor Orban als Ungarns Staatschef wiedergewählt worden ist, bereitet Europa-Politikern Bauchschmerzen. Dabei will Orban an entscheidenden europäischen Normen gar nicht rütteln, meint die Journalistin Bettina Klein.
Popanz, Sündenbock, Schreckgespenst: Mit einfachen Stereotypen lässt sich Politik bestens verkaufen. Doch Orban als Buhmann Europas - damit ist im Augenblick niemandem geholfen, denn das kann nach hinten losgehen.
Seine Politik passt vielen politisch nicht, das ist verständlich. Es ist allerdings die souveräne Entscheidung in einem nicht allzu großen und - noch – einigermaßen demokratisch verfassten Land. Acht Millionen Wahlberechtigte hat Ungarn, davon haben rund fünfeinhalb Millionen abgestimmt. Etwa zweieinhalb Millionen davon für Orban. Es ist ein beträchtliches Ergebnis für Ungarn. Für die EU nicht so sehr. Alle, die sich jetzt aufregen, sollten sich zunächst mal auf das etwas grundsätzlichere Problem konzentrieren.
Sinn und Zweck dieser Gemeinschaftsveranstaltung namens Europäischer Union ist es, ein Europa mit einem sehr vielgestaltigen, teils zwiespältigen historischen Erbe zusammenzuhalten. Widersprüche und beunruhigende politische Entwicklungen inbegriffen.
Ist es eigentlich ein Zufall, dass es in Zeiten des Ostblocks auch gerade Polen und Ungarn waren, die besonders eigensinnig versuchten, ihren eigenen Weg zu gehen - und weniger vorbildlich als andere Staaten darin, sich stets auf Weisung Moskaus zu berufen? Auch aus dieser Sonderrolle leiten beide Länder heute ein Beharren auf nationale Identitäten ab.

Ungarn profitierte stark von EU-Geldern

Man kann darüber den Kopf schütteln, es kritisieren oder verurteilen. Interessant wird es aus EU- Perspektive dann, wenn Ungarn dabei gegen europäische Normen verstößt, die – wenn man so will - Voraussetzung für die Clubmitgliedschaft sind. Da lohnt sich genaues Hinschauen.
Doch genau daran will Orban - aller drohenden Töne zum Trotz - gerade nicht rütteln. Zu bedeutend sind die Vorteile, die das Land durch sie genießt. Ohne EU-Gelder und andere wirtschaftliche Vorteile wäre auch Ungarn nicht da, wo es jetzt ist. Und daher ist es eine überfällige Idee, die Vergabe der Fördermittel an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu knüpfen. Genau dies könnte schon bald beim neuen Finanzrahmen entschieden werden.
"Wir freuen uns darauf, mit der ungarischen Regierung weiter zusammenzuarbeiten", lautet die offizielle Reaktion des Kommissionspräsidenten. Der gleichzeitig darauf hinweisen lässt: "Die EU ist eine Union der Demokratie und der Werte. Und die Verteidigung dieser Werte ist eine Pflicht aller Mitgliedstaaten."
Dass auch Juncker der christdemokratischen Parteienfamilie angehört, sollte ihn nicht davon abhalten, Klartext zu sprechen. Werden diese Grundwerte verletzt, muss die EU handeln. Das könnte wie im Falle Polens auf ein Vertragsverletzungsverfahren hinauslaufen.

Auch die mit dem Freudengeheul sind mitverantwortlich

Dass die Europäische Volkspartei Orbans Parteifreunde in der Fraktion halten will, auch um sie - simpel gesprochen - einzuhegen, ist noch nachvollziehbar. Die Kritik an offen antisemitischen und xenophoben Äußerungen könnte indes deutlicher ausfallen. Wie an der Weigerung, einmal geschlossene Abmachungen umzusetzen.
Wenn bayrische Politiker Orbans Kurs stattdessen feiern, um mit Blick auf ihre Landtagswahlen AfD-Wähler von sich zu überzeugen, dann ist das für Europa keine Politik, die uns voranbringt.
Besonders, da hier ein Spaltpilz weiter gedeiht, ist Vorsicht geboten. Denn es kann den EU-Gegnern weiter Auftrieb geben. Schon jetzt ist das Freudengeheul etwa bei AfD und Front National deutlich vernehmbar. Jeder der sich in diesen Chor einreiht, trägt Verantwortung für die Konsequenzen.
Aber Ungarn ist zu klein, um das ganze Werk einer Europäischen Union in Frage zu stellen. An dieser Tatsache sollten sich die Reaktionen ausrichten. Kühl, souverän und notfalls zum Handeln entschlossen.
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