Verteidigungspolitik

Wie Sicherheit schaffen ohne Waffen?

Ein ukrainischer Soldat in Lugansk neben einem Panzer. Er stapelt Patronen.
Meldungen über Rüstungsexporte führen regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen Opposition und Bundesregierung. © Ivan Boberskyy, dpa
Von Andreas Rinke · 08.12.2014
Nationaler Egoismus und Ressortdenken bestimmten die Debatte über innere und äußere Sicherheit, meint der Chefkorrespondent der Nachrichtenagentur "Reuters" Andreas Rinke. Die Debatte werde nie zu Ende geführt - auch weil die Akteure so widersprüchliche Interessen verfolgten.
Es ist wieder soweit: Regelmäßig geraten Rüstungsschmieden und Waffenexporte skandalträchtig in die Schlagzeilen – und regelmäßig geraten Politiker darüber in Streit. Nie aber wird die Debatte zu Ende geführt, fast immer wirkt sie unvollständig. Gern wird moralisiert und gefordert, gern werden Argumente auf Kassenlage oder Brancheninteressen hin getrimmt.
Widersprüchliche Ziele
Dabei konkurrieren viele Ziele miteinander: die Bundeswehr gut auszurüsten, Arbeitsplätze in High-Tech-Industrien zu erhalten, im sensiblen Bereich der Verteidigung unabhängig zu bleiben; dazu kommt das Verbot, militärisch verwendbare Güter in Krisengebiete zu exportieren und schließlich das Unbehagen über einen weltweiten Waffenhandel, der unternehmerisch zwingend ist, aber teilweise zwielichtig und korrupt betrieben wird.
Vor allem aber werden Produkte und Leistungen nur ausschnitthaft betrachtet. Die Technologien, auf die nationale Sicherheit angewiesen ist, gehen weit über klassische Waffensysteme wie Panzer, U-Boote, Hubschrauber oder Gewehre hinaus. Eben diese seien gar keine Schlüsseltechnologien mehr, stellte kürzlich eine für Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen erstellte Studie fest. Sie hält Kommunikationstechnik von der Aufklärung über Sensorik bis zur Operationsführung für viel bedeutender.
Fast von Amts wegen widersprach Sigmar Gabriel. Einerseits will er weniger deutsche Waffen exportieren lassen. Andererseits liegen ihm aber 90.000 Beschäftigte der deutschen Rüstungsindustrie am Herzen – als Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef.
Uneinigkeit auch innerhalb der EU
So widersprüchlich geht es auch auf europäischer Ebene zu. Schon seit Jahren planen die Regierungen einen übernationalen militärischen Verbund, um knappe Haushaltsmittel zu sparen, erwogen gar eine europäische Armee. Vor allem aber wollten sie ihre Truppen kostengünstig mit gleichem Material ausstatten.
Doch am Ende kamen zumindest die großen EU-Staaten wieder zu dem Schluss, dass sie gerne fast die ganze Bandbreite an Rüstungsgütern im eigenen Land halten wollen. Sogar im deutsch-französischen Luftfahrtkonzern Airbus rangen Paris und Berlin so lange um ihre nationalen Arbeitsanteile und Jobs, dass Airbus-Chef Tom Enders den staatlichen Einfluss ganz loswerden wollte.
Die Macht der Informatiker
Nationaler Egoismus und Ressortdenken bestimmen eine Debatte, welche noch nicht einmal die technologische Entwicklung erfasst. Denn Software wird eine entscheidende Komponente für die Zukunft der Bundeswehr. In modernen Konflikten gelten Informatiker als mindestens so wichtig wie Panzerfahrer. In Cyberkriegen können Hacker gefährlicher sein als U-Boot-Kommandanten.
Einen Schreck bekam die Bundesregierung etwa, als jetzt die kleine deutsche Firma Secusmart an den kanadischen Smartphone-Riesen Blackberry verkauft wurde. Immerhin sollen die Düsseldorfer Experten, bekannt geworden durch ihr "Kanzlerinnen-Handy", für eine abhörsichere Kommunikation der Bundesbehörden sorgen.
Deutschland sollte sich dank der Düsseldorfer Technologie besser gegen verstärkte Abhöranstrengungen ausländischer Geheimdienste schützen können. Monatelang prüfte das politische Berlin den Verkauf. Am Ende kam das 'ok', nachdem Blackberry Einblick in seine Software zugesichert hat.
Mehr Forschung bei Sicherheitstechnologien nötig
Der Satz "Frieden schaffen ohne Waffen" ändert also völlig seine Bedeutung, denn nationaler Schutz hängt auf einmal an Sensorik und Trojanern, an Verschlüsselung und an einer Firewall um Datensysteme. Fließender als früher sind zudem die Übergänge von ziviler zu militärischer Nutzung von Technologie geworden.
Und zivile Sicherheitsrisiken tun sich täglich auf – anders als militärische Ernstfälle, die in unseren Breitengraden selten geworden sind. Deswegen sind nicht Rüstungsschmieden unser deutsches Hauptproblem. Schon eher, dass Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet von Sicherheitstechnologien hierzulande unterentwickelt sind.
Andreas Rinke, Jahrgang 1961, ist ausgebildeter Historiker und hat über das Schicksal der französischen "Displaced Persons" im Zweiten Weltkrieg promoviert. Er hat als politischer Beobachter bei der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" und dem "Handelsblatt" gearbeitet. Heute ist er politischer Chefkorrespondent der internationalen Nachrichtenagentur "Reuters" in Berlin.
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