Thementag Enthinderung - die Gäste

    Besuch von Aktivisten, Bloggern und Wissenschaftlern

    Laura Gehlhaar ist Bloggerin, Autorin und Coach.
    Laura Gehlhaar ist Bloggerin, Autorin und Coach. © Andi Weiland
    19.10.2017
    "Enthinderung" lautet das Stichwort für unseren heutigen Thementag. Zu Gast im Programm sind dazu heute die Bloggerin und Autorin Laura Gehlhaar, die Schauspielerin Carina Kühne, der Rapper Graf Fidi, der Wissenschaftler Bertolt Meyer und der Student Janis McDavid.
    Laura Gehlhaar ist Autorin und Coach. Sie hält Vorträge über Inklusion und Barrierefreiheit und schreibt in ihrem Blog Frau Gehlhaar über das Großstadtleben und das Rollstuhlfahren. Wegen einer Muskelerkrankung sitzt sie im Rollstuhl, seit sie 22 Jahre alt ist. Aus den dümmsten Sprüchen, die sie sich anhören musste, hat Gehlhaars vor Jahren ein Bullshit-Bingo gemacht. Darin einer der Evergreens: "Toll, dass Sie trotzdem rausgehen!"
    In einem Interview sagte sie: "Mein Körper ist, wie er ist. Ich möchte erreichen, dass meine Behinderung als gesellschaftliches Problem angesehen wird." Im vergangenen Jahr erschien Gehlhaars erstes Buch: "Kann man da noch was machen?".
    Gespräch mit Laura Gehlhaar über das Bloggen mit Behinderung:
    Ihre Sicht vom Rollstuhl auf die Welt:

    Die Schauspielerin und Aktivistin Carina Kühne 
    Die Schauspielerin und Aktivistin Carina Kühne © Jörg Farys, Die Andersmacher

    Die Schauspielerin und Bloggerin Carina Kühne

    Carina Kühne ist Schauspielerin, Aktivistin und Bloggerin - und hat das Down-Syndrom.
    Einem größeren Publikum bekannt wurde sie durch ihre Hauptrolle in dem Film "Be My Baby". Darin spielt Kühne ein Mädchen mit Downsyndrom, das sich ein eigenes Kind wünscht. Die 32-Jährige nennt sich selbst "Inklusions-Aktivistin" - seit Jahren tritt sie als Rednerin auf zu diesem Thema bei Fachkonferenzen, Workshops und Seminaren.
    In ihrem Blog zitiert Kühne Walter Bagehot und ergänzt dessen Ausspruch folgendermaßen:
    "Das größte Vergnügen im Leben besteht darin, das zu tun, von dem die (Fach)Leute sagen, du könntest es nicht!"
    Gespräch mit Carina Kühne: Selbstbewusst mit Downsyndrom!

    Bertolt Meyer mit seiner bionischen Hand
    Bertolt Meyer mit seiner bionischen Hand© picture alliance / dpa / Philipp Brandstädter

    Bertolt Meyer, Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie

    Bertolt Meyer ist Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Technischen Universität Chemnitz. In seiner Forschung befasst er sich unter anderem mit Vorurteilen, und damit hat er selbst auch persönlich Erfahrungen gemacht. Denn er wurde ohne linken Unterarm geboren. Seit 2009 trägt Meyer eine bionische Prothese. Für den britischen Fernsehsender Channel 4 moderierte er die Sendung "How to Build a Bionic Man" - "Wie man den bionischen Menschen baut". Meyer sagte in einem Interview, er wünsche sich eine Berichterstattung, die Menschen mit Behinderung weder als bemitleidenswerte Opfer noch als übermenschliche Superhelden inszeniere.

    Der Rapper Graf Fidi

    Der erste Kontakt von Graf Fidi mit Rap? Das weiß der 34-jährige Berliner noch ganz genau. "Das Album 'Hell On Earth' von Mobb Deep", sagt Graf Fidi, der eigentlich Hans-Friedrich Baum heißt. 2003 verschlägt es Graf Fidi eher zufällig in den Club SO36 in Berlin-Kreuzberg, wo er bei einem Beatbox-Battle das erste Mal vor dem Publikum ein paar spontane Freestyle-Raps zum Besten gibt. Noch im selben Jahr erscheint sein erstes Album "Aller Anfang ist schwer".
    Wenngleich Graf Fidi heute nicht mehr als Battle-Rapper wahrgenommen werden möchte, sieht er die Erfahrung als wichtige Entwicklungsstufe an. "Ich habe gelernt, mich unter Zeitdruck auf den Rap-Gegner einzustellen", blickt Graf Fidi zurück. Etwas das dem studierten Sozialarbeiter, wenn auch in etwas anderer Form, bei seiner täglichen Arbeit mit Jugendlichen und Podiumsdiskussionen zum Thema Inklusion immer wieder hilft. Dabei weiß Graf Fidi ganz genau, wovon er spricht. Er sitzt im Rollstuhl und seine rechte Hand besteht aus nur einem Finger.

    Graf Fidi ist Co-Moderator in der Tonart am Nachmittag ab 16:05 Uhr


    Janis McDavid, Student der Wirtschaftswissenschaften

    Janis McDavid ist Student der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Witten-Herdecke und Motivationstrainer. Vergangenes Jahr erschien sein Buch "Dein bestes Leben".
    Der 26-Jährige kam ohne Arme und Beine zur Welt. McDavid fordert einen radikalen Bewusstseinswechsel in Bezug auf das Thema Behinderung, denn in Debatten gehe es fast ausschließlich um das, was nicht geht. Dem hält er entgegen: Barrierefreiheit ist die Voraussetzung für alles weitere, denn: "Bei der Büroarbeit ist es auch ganz klar, dass die Leute einen Schreibtisch brauchen, das wird niemals besonders thematisiert."

    Studio 9 mit Janis McDavid ab 17:05 Uhr


    Der Berliner Schauspieler und Synchronsprecher Sebastian Urbanski
    Der Berliner Schauspieler und Synchronsprecher Sebastian Urbanski © dpa / picture alliance / Thalia Engel
    Sebastian Urbanski ist Theaterschauspieler, Synchronsprecher und auch Buch-Autor – mit Down-Syndrom. Viele kennen ihn aus dem Theater Ramba-Zamba in Berlin, noch viel mehr werden ihn bei seinem bislang größten Auftritt gesehen haben: als erster Mensch mit geistiger Behinderung sprach Sebastian Urbanski im deutschen Bundestag: Am Tag als den Opfern der Euthanasie im Nationalsozialismus gedacht wurde las Sebastian Urbanski dort den "Opferbrief" von Ernst Putzki vor, der 1945 von den Nazis ermordet wurde. Seine Autobiografie heißt "Am liebsten bin ich Hamlet".

    Raul Krauthausen
    Raul Krauthausen, Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit, in der RBB-Talksendung "Thadeusz" im Juni 2014. © picture alliance / dpa/ Karlheinz Schindler
    Raul Krauthausen ist vielleicht das bekannteste Gesicht der Behindertenbewegung in Deutschland. Bei den Protesten gegen das Bundesteilhabegesetz kettete er sich öffentlichkeiteswirksam zusammen mit anderen Menschen mit Behinderung am Reichstagsufer an. Krauthausen ist studierter Volkswirt, ausgebildeter Telefonseelsorger, und hat den "Sozialhelden e.V gegründet, der sich mit kreativen Projekten für die Inklusion einsetzt. Er sitzt selbst im E-Rolli, weil er, wie er sag "Inhaber sogenannter Glasknochen" ist. Seit 2015 moderiert er mit "KRAUTHAUSEN – face to face" seine eigene Talksendung zu den Themen Kultur und Inklusion auf Sport1.

    Patricia Carl ist 32, lebt in Berlin und arbeitet im Bundesministerum für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Seit 2013 ist sie Vorsitzende des Bundesverbands Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien e.V. (BKMF). Patricia Carl ist ein Motiv – nämlich eins aus der Fotodatenbank "Gesellschaftsbilder", ein Projekt, das Bilder von Behinderten Menschen jenseits von Klischees und Mitleid in die Medien bringt. Bei den Protesten gegen das Bundesteilhabegesetz hatte sie der Fotograf Andi Weiland abgelichtet. Patricia Carl ist natürlich Inklusions-Aktivistin, die gängigen Bilder von Behinderung aufzubrechen, liegt ihr am Herzen.
    Judyta Smykowski ist Kulturjournalistin und schreibt über Behinderung, Kultur und Polen. Sie ist Redakteurin und Referentin bei Leidmedien.de, einem Online-Projekt, das sich seit 2012 mit der Darstellung von Behinderung in den Medien befasst. Das betrifft die Präsenz von Menschen mit Behinderung in den Medien überhaupt aber auch sprachliche Klischees wie "an den Rollstuhl gefesselt" oder "sie leidet am Down-Syndrom". Behinderung sollte nicht automatisch mit Düsternis und Leid verbunden werden – weder sprachlich noch bildlich. Judyta Smykowski ist nicht an ihren Rollstuhl "gefesselt", der Rollstuhl ist für sie ein Mittel, das ihr zu Freiheit verhilft.

    Der Vorsitzende von Cyborgs e.V., Enno Park, aufgenommen 2016 auf dem Panel "Freaks, Cyborgs, Prototyps" von Deutschlandradio Kultur auf dem Festival Pop-Kultur in Berlin
    Der Vorsitzende von Cyborgs e.V., Enno Park© Deutschlandradio / Cara Wuchold
    Enno Park trägt ein Cochlea Implantat, ein technisches Gerät, das direkt mit seinem Nervensystem verbunden ist und mit dem er (wieder) hören kann. Enno Park sieht das CI für sich abslolut positiv. Als selbsternannter Cyborg - also Mensch-Maschine-Wesen – und Vorsitzender des Cyborg e.V. ist er an der Verbesserung der Technologie interessiert und würde sein CI gerne so umprogrammieren, dass sein Gehör besser ist als das normaler Menschen. Zu Themen wie Technologie, Kultur und Inklusion ist Enno Park regelmäßig im Deutschlandfunk Kultur zu hören.