Teure Konzerttickets

Wo landet mein Geld?

Sänger Dave Gahan von der britischen Band Depeche Mode bei einem Konzert am 11.1.2018 in der Barcley-Card-Arena Hamburg
Depeche Mode auf Deutschland-Tour: Sänger Dave Gahan beim Konzert in Hamburg © imago / snapshot
Von Christoph Möller · 25.01.2018
Fast 100 Euro für Depeche Mode, Lady Gaga bis zu 132, Roger Waters für 295: Seitdem Konzerte für Pop-Musiker zur Haupteinnahmequelle geworden sind, steigen die Preise. Verlangen die Künstler immer größere Gagen oder sind die Veranstalter schuld?
Berlin, Mitte Januar. 15.000 Menschen strömen in Richtung Mercedes-Benz Arena, einer der größten Veranstaltungshallen in Deutschland. Hier werden gleich Depeche Mode eines von zwei ausverkauften Konzerten spielen. Die teuren Tickets – innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Fans bezahlen immer mehr, um ihre Lieblingsband live zu sehen.
"96 Euro und ein bisschen. Früher war es günstiger, aber was soll man machen?"
"100 Euro."
"Knapp 100, ja."
"Hier steht 93,90 drauf."
Für einen Preis im Innenraum?
"Ja, Innenraum."
"Ersteigert über eBay, zwei Karten, Sitzplatz, für 230 Euro."
"Sind teurer geworden, auch das ganze Ringsherum, Merchandising, die Sachen sind so teuer geworden."

Depeche Mode mehr als doppelt so teuer

Zum Vergleich: 2001 kostete ein Depeche-Mode-Konzert auf der Leipziger Festwiese 45 Euro. Ein Stehplatz in der Berliner Waldbühne 2006 schon 62 Euro. Und 2018 in der Mercedes-Benz Arena: 93 Euro, also mehr als doppelt so viel wie vor 17 Jahren.
Ist der Preis gerechtfertigt? Eine teure Bühne, wie sie etwa U2 durch die Welt schifft, haben Depeche Mode nicht. Vier Musiker vor einer großen Videoleinwand, teuer sieht anders aus.
Angenommen ein Ticket kostet im Schnitt 80 Euro. Bei etwa 15.000 Besucherinnen und Besuchern wird an diesem Abend ein Umsatz von 1,2 Million Euro gemacht.
Wo landet das Geld?
"Es geht los damit, dass zwei Potenziale existieren. Das ist auf der einen Seite die Veranstaltungsstätte, die Veranstaltungsinfrastruktur, und das andere ist der Content, der Inhalt, der hier stattfindet."
Erklärt Ole Hertel, der den Veranstaltungsbereich der Mercedes-Benz Arena leitet. Er vermietet die Halle spielfertig an den Veranstalter, im Fall von Depeche Mode: Live Nation, nach eigenen Angaben der größte Konzertveranstalter der Welt. Live Nation gehört das Verkaufsportal Ticketmaster, dazu kommen Veranstaltungshallen rund um den Globus.
Weil Depeche Mode große Hallen bespielen wollen, kommen sie an Playern wie Live Nation nicht vorbei. Noch mal Ole Hertel:
"Unsere Miete, unser Nutzungsentgelt berechnet sich aus der Ticketeinnahme, die mit der jeweiligen Veranstaltung generiert wird."

Steigende Kosten für die Veranstalter

Je teurer der Ticketpreis, den der Veranstalter festlegt, umso mehr verdient auch die Halle. Zur Miete kommen Nebenkosten. GEMA-Gebühren, Versicherung, Sicherheitspersonal, Sanitätsdienst, Reinigung, Techniker, Gastro-Mitarbeiter. 250 bis 300 Menschen arbeiten bei einem durchschnittlichen Konzert in der Arena.
"Das kann aber auch bis zu Fünf-, Sechs-, oder Siebenhundert hochgehen, wenn man an ein wirklich voll ausverkauftes Konzert denkt, das kann die Mitarbeiterzahlen deutlich in die Höhe treiben."
Hertel bestätigt: Tickets werden teurer. Aber auch die Kosten, ein Konzert zu veranstalten. Die Gehälter im Sicherheitsbereich etwa seien in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent gestiegen.
Der größte Teil der Ticketeinnahmen geht aber nicht an die Konzerthalle, sondern an den Veranstalter. Er zahlt Künstlergage und bewirbt die Tournee. Marek Lieberberg jedoch, Chef von Live Nation in Deutschland, teilt per E-Mail mit: Man sollte "insbesondere die Gruppen/Künstler hinterfragen, die den Ticketpreis weitgehend bestimmen".

Prozente für die Ticketdienstleister

Sind also die Künstler schuld an den hohen Preisen? So einfach ist es nicht. Neben Hallenbetreiber und Tourveranstalter wollen noch andere etwas vom Kuchen abhaben: etwa Ticketdienstleister wie CTS Eventim. Sie verkaufen Tickets online und betreiben Verkaufssysteme, die von Vorverkaufsstellen genutzt werden. Wie viel Prozent sie bekommen, ist ein gut gehütetes Geheimnis und von Vertrag zu Vertrag unterschiedlich. Es scheint aber ein Anteil von bis zu 10 Prozent des Verkaufspreises zu sein. Überhaupt: Eventim …
"Fast alle Tickets werden über Eventim verkauft."
Sagt Marcus Kleiner, Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Hochschule der populären Künste in Berlin:
"Wenn dann ein Anbieter so eine große Macht hat, eigentlich alle müssen mit Eventim zusammenarbeiten, werden natürlich auch Preise hochgetrieben, damit Eventim seine Prozente bekommt. Und dann wird es problematisch auf dem Markt."

Kartellamt will mehr Wettbewerb

Weil der Wettbewerb fehlt. Das bemängelt auch das Bundeskartellamt. Die Marktwächter wollen Eventim untersagen, Veranstalter und Vorverkaufsstellen exklusiv an ihr Ticketsystem zu binden. Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig. Doch Eventim hat schon Beschwerde eingelegt, weil sie glauben, das Kartellamt habe rein digitale Anbieter wie Eventbrite, die nicht mit Vorverkaufsstellen kooperieren, in ihrer Markteinschätzung zu wenig berücksichtigt.
Konzerttickets kaufen kann kompliziert sein. Der größte unabhängige Ticketanbieter in Deutschland, Reservix, führt ein Glossar mit 85 Begriffen, die den Verkaufsprozess erleichtern sollen. Hinzu kommt der undurchsichtige Zweitmarkt. Auf Ticketbörsen wie Viagogo werden Karten für ausverkaufte Konzerte zu horrenden Preisen angeboten. Die Plattform gaukelt vor, ein offizielles Verkaufsportal zu sein.
"Es wird sozusagen der Schwarzmarkt, der vor einer Konzertveranstaltung, also vor der Halle, stattfindet, so ein bisschen ins Internet verlagert."
Bemängelt Frithjof Jönsson von der Verbraucherzentrale Berlin:
"Den Vorwurf, den die Verbraucherzentralen gemacht haben, im vergangenen Jahr, ist, dass das den Kunden, dem Verbraucher so nicht ganz klar ist, dass Verkäufer eben nicht direkt Viagogo ist, sondern dass es eine Plattform ist."

Undurchsichtiger Ticketmarkt

Der Konzertticketmarkt ist undurchsichtig, viele verdienen am Kuchen mit. Der Gesetzgeber versucht eifrig, die Marktmacht der Ticketanbieter zu regulieren. Bislang mit mäßigem Erfolg. Sind Tickets zu teuer? Die Antwort darauf ist meist ein "ja, aber ..." – die Band könnte sich auflösen, das Konzerterlebnis ist so einmalig. Und so lange die Nachfrage vorhanden ist, werden Ticketpreise weiter steigen.
Diskutieren Sie diesen Beitrag auch in unserer Facebook-Community:
Mehr zum Thema