Songwriter Peter Perrett

Das One-Hit-Wonder des New Wave

Peter Perrett, sich die Haare zersausend im Halbdunkel (Bild: Steve Gullick)
Er ist wieder da: Songwriter Peter Perrett. © Steve Gullick
Von Ralf von der Kellen · 29.06.2017
Mit seiner Band The Only Ones lieferte Peter Perrett 1978 den einen Song ab, den nahezu alle Bands gecovert haben: "Another Girl, Another Planet". Dann tauchte Perret ab, hätte sich fast durch Drogen ruiniert. Doch sein neues Album klingt erstaunlich frisch.
"Do you want me to just talk? One, two, testing, testing…"
Ein Mann in schwarzem Anzug, mit Sonnenbrille und tiefschwarzem Haar spricht in mein Mikrofon. In mir regt sich das Bedürfnis, ihn anzufassen, um mich seiner Präsenz zu versichern. Aber ich sehe und höre auch so – er ist es. Peter Perrett ist von den Totgeglaubten zurück.
"In Berlin, by the wall, you were five foot, six inches tall… is that okay?"
Im Gegensatz zu seinem großen Vorbild Lou Reed klingt Peter Perretts Stimme auch 40 Jahre später noch wie zu der Zeit, als er für seine damalige Band The Only Ones den Song schrieb, für den ihn bis heute alle kennen. Und verehren – "Another Girl, Another Planet".
John Peel hievte das Stück auf Platz 18 seiner Lieblingssongs-Charts, von Babyshambles bis REM, von The Cure bis zu Blink 182 und den Beatsteaks, fast jeder, scheint es, hat diesen Song schon mal gespielt.
Perrett scheint von seinem Lied manchmal geradezu verfolgt zu werden – sogar auf den Straßen Berlins:
"Nach meiner Ankunft gestern bin ich ein bisschen spazieren gegangen. Ich habe einen Deutschen kennen gelernt, Heiko, wir haben einen Kaffee getrunken. Er fragte, was ich mache und ich erzählte von den Only Ones. Und er sagte: Oh, 'Another Planet'. Ich empfinde es als Privileg, einen Song geschrieben zu haben, den so viele kennen – auch wenn sie oft nicht wissen, dass er von mir ist."

Perretts Songs: energiegeladen, schnell, kurz

1976, kurz vor dem Einschlag des Punk gegründet, hatten die Only Ones für die britische Szene eine ähnliche Funktion wie die New York Dolls für die amerikanische: Sie waren eine Art Katalysator. Sie spielten energiegeladene, schnelle, kurze Stücke, die schon vor Punk dessen Geist atmeten – ohne sich selbst als Punk zu begreifen.
1982 löste sich die Band auf, der Katalysator hatte sein Schuldigkeit getan. Perrett verschwand in der Versenkung:
"Es gibt ein Album von Courtney Barnett mit dem Titel 'Sometimes I Sit And Think, And Sometimes I Just Sit’. Und ich dachte, dass ich genau das für den Rest meines Lebens machen würde: Einfach nur dasitzen und nichts denken. Meine Gitarren schenkte ich meinen Kindern und verschwand im Universum meiner Gedanken. Ich war schon immer ziemlich gut darin, faul und unproduktiv zu sein – wenn ich etwas habe, mit dem ich mir die Zeit vertreiben kann…"

Und in Perretts Fall waren das: die Drogen. Erst Heroin, dann Crack. Auftritte waren sporadisch, die kurze Only Ones-Reunion um 2007 ist ihm heute eher unangenehm, da er einfach nicht fit genug war, wieder auf eine Bühne zu gehen. Dass Perrett überhaupt noch lebt, grenzt an ein Wunder.
"Da können Jahrzehnte vergehen, ohne dass es dir bewusst wird."

Den Schock der Gegenwart verdauen

Wenn Perrett über diese unproduktiven Jahre spricht, zitiert er gerne den amerikanischen Autor Kurt Vonnegut, in dessen Roman "Schlachthof 5" der Protagonist Billy Pilgrim sich von der Zeit löst, aus ihrem linearen Ablauf herausfällt.
Heute ist Perrett wieder in der Gegenwart angekommen – und muss sich an den Schock erstmal gewöhnen, wie er lachend erklärt.
Die Initialzündung zu dem neuen Album kam eher zufällig – 2014 habe er leichtsinnigerweise einen Auftritt angenommen. Dann musste er ein paar Wochen üben. Und dabei bemerkte er, wie viel Spaß ihm das Gitarre Spielen noch immer macht.

Im Titeltrack des Albums "How The West Was Won" betrachtet Perrett die Gegenwart mit all ihren wiedererstarkten Nationalismen sarkastisch. Auf dem Rest des Albums geht es dann aber vor allem um zwei Themen: um den Tod und die Liebe zu seiner Frau Zena, mit der er – ungewöhnlich für einen Rock-Dandy – seit 48 Jahren zusammen ist. Dass sie vor ihm sterben könne, ist das einzige, was er in diesem Leben noch ernsthaft fürchtet.

Mit Galgenhumor

Auf sein doch eigentlich recht gesund wirkendes Äußeres angesprochen, sagt er mit dem typischen Galgenhumor, der seine Texte immer durchzog:
"Äußerlich sieht man mir den Drogenmissbrauch nicht an. Aber wenn Du meine Organe sehen könntest – die haben ganz schön was abbekommen. Ich habe meine Lektion gelernt – wenn auch sehr spät. Ich wünschte, ich wäre früher zu dieser Einsicht gelangt, aber egal. Weißt Du - es gibt schlimmere Dinge im Leben als den Tod."

Als Fan ist man natürlich froh, diese unverwechselbare Stimme nach so langer Zeit nochmal mit neuen Songs hören zu können. Das Album ist ein Werk, das über weite Strecken vom Altern handelt. Andererseits durch den Einfluss seiner beiden Söhne erstaunlich frisch klingt.
Und auch, wenn er im letzten Song des Albums davon singt, dass ihm der Schlüssel zur Zukunft aus der Hand genommen sei und er darauf warte, vom Schicksal überwältigt zu werden – Peter Perrett schreibt schon an den Songs für das nächste Album. Totgesagte leben eben länger. Hoffentlich.
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