Skandal-Künstler

Bayreuther Festspiele trennen sich von Jonathan Meese

Der Künstler Jonathan Meese führt am 26.06.2013 im Nationaltheater Mannheim (Baden-Württemberg) das Stück "Generaltanz den Erzschiller" auf. Die Performance ist Teil der 17. Internationalen Schillertage.
Jonathan Meese macht "Hitlergruß": Politisch oder nur die Jagd nach der Schlagzeile? © picture alliance / dpa / Uli Deck
Frieder Reininghaus im Gespräch mit Sigrid Brinkmann |
Jonathan Meese sieht sich als Gesamtkunstwerk, die Leitung der Bayreuther Festspiele hat sich trotzdem von ihm getrennt. Die Verantwortlichen nennen finanzielle Gründe, aber Opernkritiker Frieder Reininghaus hat noch andere Erklärungen parat.
Die Leitung der Bayreuther Festspiele hat sich, wie sie sagt, aus Kostengründen vom Vielzweckkünstler Jonathan Meese getrennt. Dieser sollte im Sommer 2016 das Bühnenweihfestspiel "Parsifal" auf dem Grünen Hügel neu ausstatten und inszenieren. Nun aber, so teilte der Kaufmännische Geschäftsführer Heinz-Dieter Sense mit, habe sich Meeses Konzept als nicht finanzierbar erwiesen. Bei den Vorbereitungen seien, so verlautete in schönstem Bürokraten-Deutsch, "von Anfang an erhebliche Finanzierungsprobleme hinsichtlich der bühnenbildnerischen und kostümlichen Gesamtausstattung aufgetreten".
Es ist nach gegenwärtiger Schätzung von einem Finanzierungsbedarf in der Größenordnung von Millionen Euro die Rede – das ist selbst für die größten und finanzkräftigsten Opernunternehmen ein Betrag weit jenseits des Limits. "Die Folge wäre eine erhebliche Überschreitung der zur Verfügung stehenden Budgets. Dies ist für die Bayreuther Festspiele GmbH nicht akzeptabel", meinte jetzt Sense, der zu Beginn des Jahrhunderts nach dem unrühmlichen Abgang von Intendant Udo Zimmermann als Niveauabsenker der Deutschen Oper Berlin erstmals ins Rampenlicht geriet.
Meeses Provokationsmuster als Auslaufmodell
"Nach reiflicher Überlegung" und "in Abstimmung mit den Gesellschaftern" habe die Geschäftsführung entschieden, sich von Meese zu trennen. Der Hinweis auf "reifliche Überlegung" klingt wie eine Selbstverständlichkeit, ist dies wohl aber im Hinblick auf die Leitungstätigkeit der Katharina Wagner nicht. Denn wenn sie und ihr Tross rechtzeitig und "reiflich" nachgedacht hätten, wäre es wohl kaum zu einem Engagement des fortdauernd mit Nazi-Symbolen hantierenden (und deshalb gelegentlich vor den Kadi zitierten) Aktionisten gekommen. Ziemlich oft hat Meese, leibes- statt geistesübend, die rechte Hand zur verbotensten aller verbotenen Gesten erhoben, ohne damit einen weiterreichenden gesellschaftlichen Diskurs auslösen zu können. Ohnedies runzelte nicht nur der engere Kennerkreis schon bei Bekanntgabe des Namens Meese die Stirn: ausgerechnet der für ein Stück, das dezidiert und aus guten Gründen unter Antisemitismusverdacht steht?
Die über die neueste Nachricht aus Bayreuth mäßig erschütterte Öffentlichkeit kann die Sense-Verlautbarung als das nehmen, was sie ist: Als Mitteilung, dass aus finanziellen Erwägungen die Notbremse gezogen wurde und die Herrin des Hügels keine Lust hat auf langanhalten Stress mit dem als "schwer steuerbaren" (d.h.: erziehungsresistenten) Meese wg. finanzieller Forderungen. Es kann jedoch ebenso gut sein, dass das Musiktheater-Management am auratischen Ort gewahr wurde, dass das Provokationsmuster des Jonathan M. ein Auslaufmodell ist, da die politische Großwetterlage sich geändert hat. Der kauzig-komisch-"künstlerische" Umgang mit Diktaturen (samt deren Insignien und Geruchsbildungen) trifft aus mancherlei Gründen gegenwärtig auf sensiblere Augen und Ohren als noch vor ein paar Jahren.
Es hagelte schon Absagen
Möglicherweise dämmerte der partiell recht geschäftstüchtigen Managerin Katharina W., mit ihrem (ggf. auch rechtslastigen) "Aufmischen" der Ware des Urgroßvaters in eine Sackgasse geraten zu sein. Für das Festspiel-Unternehmen und seine auch als Regisseurin tätige Leiterin, die mit besonderem Nachdruck seitens der Kanzlerin Dr. Merkel ins Amt gelangte, rächt sich nun, dass die "neue Ära" sich primär auf ein wirtschaftlich orientiertes Konzept stützt, nicht – zumindest auch – auf reifliche künstlerische Überlegungen und ästhetisch fundierte Konzeptionen (oder wenigstens das Schwadronieren darüber).
Die Opernfirmenleitung im Oberfränkischen hat nun ein weiteres Problem, nachdem ihr schon der gelegentlich auch nazisymbolaffine Lars von Trier, Wim Wenders, Martin Kušej und selbst kleinere Lichter auf der Regisseurstorte (wie Willy Decker oder Sebastian Nübling) abgesagt haben. Denn wer sich jetzt für Regie, Bühnenbild und Kostüme der "Parsifal"-Neuinszenierung 2016 etwas grell Neues ausdenken und das in der fortgeschrittenen Zeit auch verantwortlich umsetzen soll, steht im Himmel über Bayreuth.
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