Schweizer Energiewende

Von Pascal Lechner · 01.09.2011
Im Moment ist das neue Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance - in Sichtweite des Mont Blanc - noch eine Riesenbaustelle. Fast 1,5 Milliarden Euro investieren hier der Stromkonzern Alpiq und die Schweizer Bundesbahnen. 2017 sollen die Turbinen mit der Kraft des herabstürzenden Wassers 900 Megawatt Strom pro Tag produzieren.
Herzstück des Projektes sind die beiden Stauseen Lac d'Émosson und Lac du Vieux Émosson, erklärt Jörg Aeberhard von Alpiq:

"Die eigentlich simple Idee ist, dass man diese beiden Seen miteinander verbindet. Dann kann man zu Zeiten, in denen es viel Strom im Markt gibt, den produzierten Strom nutzen, um das Wasser nach oben zu pumpen. Wenn es dann Verbrauchsspitzen gibt, kann man das Wasser wieder hinunterlassen und so Strom produzieren."

Die 40 Pumpspeicherkraftwerke der Schweiz haben vor allem eine Batteriefunktion. Der überschüssige Strom in der Nacht wird genutzt, um Wasser in einen Stausee hoch zu pumpen. Tagsüber, wenn viel Strom gebraucht wird, wird die Energie durch das Herunterlassen des Wassers wieder freigesetzt. Betriebswirtschaftlich geht die Rechnung aber nur auf, weil nachts der Strom billiger ist als am Tag. Damit ein Pumpspeicherkraftwerk rentabel ist, muss die Preisdifferenz 30 Prozent betragen.

Doch ob diese Preisdifferenz noch lange Bestand hat, das bezweifelt Jürg Buri von der Schweizerischen Energiestiftung:

"Es könnte passieren, dass Sie die 30 Prozent Preisunterschied, die Sie brauchen, damit sich das Geschäft überhaupt lohnt, in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren gar nicht mehr finden, weil es schlicht und einfach diese Überschussproduktion gar nicht mehr gibt."

Sind die vielen Milliarden, die jetzt in den Ausbau der Pumpspeicherung in der Schweiz investiert werden, am Ende nichts anderes als eine Fehlinvestition? Auch Jörg Aeberhardt von Alpiq kann das nicht ganz ausschließen und spricht von einem unternehmerischen Risiko.
"Jedes Kraftwerk ist am Anfang defizitär und wird erst später rentabel. Wir rechnen eigentlich damit, dass die ersten paar Jahrzehnte schwierig sind."

Wie alle Pumpspeicherkraftwerke wird auch Nant de Drance mehr Strom verbrauchen, als es produzieren wird. Gefüttert werden soll Nant de Drance mit sogenanntem Euro-Mixstrom. Der besteht zu 95 Prozent aus Atom- und Kohlestrom. In den Augen von Umweltverbänden wie dem WWF machen Pumpspeicherkraftwerke im Moment nichts anderes als Atom- und Kohlestrom zu veredeln. Hier könne wohl kaum von einer zu 100 Prozent sauberen Energie gesprochen werden, meint auch Jürg Buri von der Schweizerischen Energiestiftung:

"Heute machen Sie aus Dreckstrom, aus Atom- und Kohlestrom, im Prinzip sauberen Spitzenstrom, für den Sie das Doppelte oder vielleicht mehr auf dem Markt verlangen können."

Doch glaubt man den Stromversorgern, dann sollen die Pumpspeicherkraftwerke mal zu so etwas wie der Ökobatterie Europas werden. Statt wie jetzt schmutzigen Kohlestrom sollen sie irgendwann sauberen Strom aus Sonnenenergie und Windkraft speichern. Doch wie kommt dieser überschüssige Strom in die Alpen? Genauso wie es momentan noch ein Problem ist, den Windstrom aus Nord- nach Süddeutschland zu bringen, genauso hapert es auch noch an der Weiterleitung in die Schweiz und nach Nant de Drance, räumt Jörg Aeberhard ein:

"Da haben wir einen Engpass, das stimmt. Wir haben den Engpass im schweizerischen Übertragungsnetz und wenn wir dann im größeren Stil Energie aus Deutschland, vor allem eben Windenergie, in die Schweiz importieren möchten, um hier Pumpenstrom zu generieren, dann müssen die internationalen Verbindungen verstärkt werden, das stimmt ja."

Ob sich das unternehmerische Wagnis Nant de Drance lohnen wird, wird Jörg Aeberhard zu Lebzeiten wohl nicht mehr erfahren. 80-Jahre beträgt die Amortisationszeit des Kraftwerks. Erst Aeberhards Urenkel werden also abschließend beurteilen können, ob das Pumpspeicherkraftwerk unweit des Mont Blanc eine kluge oder am Ende doch eine Fehlinvestition war.
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