In Polen geliebt und gehasst
Am Dienstag beginnt der Weltjugendtag in Krakau: Hunderttausende werden kommen, um Papst Franziskus zu sehen. Dabei sind nicht alle Polen gut auf den Papst zu sprechen. Manchen ist er zu liberal - gerade Flüchtlingen oder auch Homosexuellen gegenüber.
"Abba Vater" - das Begrüßungslied wird geübt. Die Vorbereitungen in Krakau sind fast abgeschlossen. Auf dem Marktplatz zählt die Weltjugendtag-Uhr die Stunden bis zum Beginn der Veranstaltung. Auf dem Feld, wo die Messe mit Papst Franziskus stattfinden soll, wird noch intensiv gebaut. Ehrenamtliche aus ganz Polen und der Welt arbeiten rund um die Uhr. Auch viele Passanten fiebern mit.
"Ich freue mich, dass er kommt. Ich mag ihn und schätze sehr, was er tut. Er ist so offen gegenüber den Menschen und so einzigartig. Ganz anders als seine Vorgänger. Er ist bescheiden und er lebt nach seinen Regeln."
"Klar, bin ich beim Weltjugendtag dabei und freue mich auch auf Papst. Er ist einfach fantastisch! Ich habe nie im Leben einen solch positiv denkenden Menschen gesehen",
…sagt auch Piotr. Der dreißigjährige Akademiker ist engagierter Katholik und wirkt in vielen ökumenischen Gemeinschaften aktiv mit. Aber ihm ist klar, dass nicht alle Polen seine Meinung teilen.
"Vielen Leuten geht Franziskus auf die Nerven. Viele Katholiken in Polen sehen ihn mit Skepsis. Einige sagen, dass er die katholische Lehre verwässert, andere, dass er zulässt, dass Europa durch den Islam zerstört wird. Es gibt viele Vorwürfe."
In den Straßen Krakaus hängen neben den Weltjugendtagsflaggen auch kleine Papstporträts: Allerdings ist auf diesen nur Johannes Paul der Zweite zu sehen. Er war Gründer dieser Veranstaltung, heißt es zur Erklärung. Doch vielleicht liegt es nicht nur daran.
92 Prozent der Polen sind katholisch. Entscheidend für die Konfession ist die Taufe, eine Kirchensteuer gibt es nicht.
Barmherzigkeit geht vielen zu weit
Weniger als die Hälfte polnischen Katholiken besuchen wöchentlich den Gottesdienst, mehr als die Hälfte finden Verhütung und Sex vor der Ehe in Ordnung. In Sachen Sexualität und Familienleben sind die Polen liberaler als ihre Kirchenoberen. Das Verständnis, das Franziskus den Geschiedenen entgegenbringt, hat ein Großteil der Gläubigen begrüßt. Doch die Barmherzigkeit gegenüber den Flüchtlingen oder die Toleranz gegenüber Homosexuellen, zu der er aufgerufen hat, geht vielen zu weit.
Die Worte eines Papst infrage zu stellen, das sei in Polen etwas ganz Neues, sagt Priester Tomasz Jaklewicz, der stellvertretender Chefredakteur von "Gosc Niedzielny", auf Deutsch "Sonntagsgast", der auflagenstärksten katholischen Wochenzeitung in Polen.
"Auch in unserer Redaktion streiten wir oft über Franziskus. Er ist der Papst, der starke Emotionen weckt. Die einen sagen, er sei derjenige, auf den sie schon immer gewartet haben, andere wiederum distanzieren sich von ihm. In Polen sind viele Gläubige und Priester etwas verunsichert. Sie sind sich nicht mehr sicher, in welche Richtung der Papst die Kirche führt."
Auch er habe manchmal einen Groll gegen den Papst, sagt Priester Jaklewicz. Denn seine Worte und ihre offene Interpretation machen ihm als stellvertretendem Chefredakteur das Leben nicht gerade einfach.
"Ich weiß nicht, was ich den Lesern schreiben soll, denn ich weiß selber nicht, was ich davon halten soll. Seine Lehre richtet sich so sehr auf Liebe, dass dabei oft die klaren Regeln verschwinden. Das ist wohl das Problem mit Franziskus."
Offiziell bleibt die Kirche dem Papst treu. Der Sprecher des Episkopats hat vor Kurzem in einer Presseerklärung versichert, dass die Katholiken in Polen Franziskus lieben und gehorchen. Wenn man eine Erklärung abgeben muss, dann stimmt doch etwas nicht, sagt Adam Szostkiewicz. Der Publizist ist seit über 30 Jahren Beobachter der katholischen Kirche. Die Einstellung zu Franziskus sei schizophren, meint Szostkiewicz.
"Sie werfen dem Papst die Fortschrittlichkeit vor"
"Ein Bischof sagte mir unter vier Augen: Ich darf nicht alles offen sagen, aber viele Sachen, die Franziskus macht, gefallen mir nicht, er ist dabei einfach unseriös. Ein Kasper, der alles anders macht als Johannes Paul der Zweite oder Benedikt der Sechzehnte."
Seine Spontaneität, seine Offenheit und Herzlichkeit - wofür viele Polen Franziskus lieben, ist für andere ein Grund, ihn anzugreifen, vor allem im Internet. "Verräter", "falscher Prophet", "Linksradikaler" - mit solchen Worten machen die Franziskus-Gegner ihrem Ärger Luft.
"Sie mögen fast nichts, was er macht: Vor allem aber stößt ihnen auf, dass er dazu auffordert, den Flüchtlingen zu helfen. Aber sie werfen dem Papst auch die Fortschrittlichkeit vor, oder die offene Kirche - die momentan in Polen als negativ betrachtet wird."
Diese Missverständnisse und Spannungen können vielleicht in Krakau abgebaut werden, sagt Priester Jaklewicz, der stellvertretende Chefredakteur von "Sonntagsgast". Es hänge davon ab, wie offen die Polen dafür sein werden, was Franziskus mitbringt, aber auch, was er selbst sagen wird.
Keine Vorbehalte hat dagegen Piotr. Zumindest, was den Papst angeht. Die Katholiken in Polen sollen sich endlich der Zukunft öffnen und begreifen, dass die polnische Kirche nicht das Zentrum der katholischen Welt sei.
"Es wäre schön, wenn die polnischen Katholiken einfach auf den Papst hören würden, auf jeden Papst. Es war toll, einen Papst aus Polen zu haben, aber es ist vorbei. Jetzt haben wir Franziskus, und wenn wir katholisch sind, sollten wir ihn folgen."