#MeToo und Volksbühne

Die Theaterdebatten des Jahres 2017

Chris Dercon, der Intendant der Volksbühne, im ehemaligen Flughafen in Tempelhof. Die Volksbühne lädt zum Saisonauftakt am 10.09.2017 zur Open-air-Aufführung "Fous de danse - Ganz Berlin tanzt auf Tempelhof" bei freiem Eintritt auf das Tempelhofer Feld.
Chris Dercon, der neue Intendant der Volksbühne in Berlin. Über kaum eine Personalie wurde so energisch gestritten. © dpa / Jens Kalaene
Elena Philipp im Gespräch mit Susanne Burkhardt · 16.12.2017
Es war ein Jahr der harten Kontroversen: Deutschlandfunk-Kultur-Redakteurin Susanne Burkhardt und Elena Philipp von dem Theaterportal nachtkritik blicken auf das Theaterjahr 2017 zurück - diskutieren unter anderem über #MeToo und die Volksbühne unter Chris Dercon.
Das Theaterjahr 2017 hatte es in sich: mit angriffslustigen Initiativen und harten Kontroversen. Es ging um Sexismus und krasse Geschlechterungerechtigkeit, ein umstrittenes Denkmal der Schande und natürlich die unter Chris Dercon gestartete Volksbühne.

Umetikettierung in der Dercon-Volksbühne

Ist das, was im Theater am Rosa-Luxemburg-Platz mit dem Leitungswechsel vollzogen wurde ein verschleierter Systemwechsel? "Im Endeffekt muss man jetzt sagen: Ja", sagt die Redakteurin des Theaterportals nachtkritik Elena Philipp und verweist darauf, dass viele nachtkritik-Kommentatoren bereits bei der Programmvorstellung von Chris Dercon und seiner Programmleiterin Marietta Piekenbrock bemerkt hätten, dass "von dem, was hier als Uraufführung oder Premiere tituliert wird, das allermeiste schon irgendwo auf der Bühne war. Das heißt, dass es hier so eine Umetikettierung gab."

"Kulturpolitik hat sich in Luft aufgelöst"

Das wäre nicht so schlimm, meint Philipp: Wenn es deutlich gemacht worden wäre. Dann würde die Volksbühne anders dastehen. Verständlich sei, dass sich die anderen Theaterleiter, die mit wesentlich geringerem Etat viel näher an Fragestellungen dran sind, die die Gesellschaft beschäftigen, "auf die Schuhspitzen getreten fühlen."
"Was aber für mich das Skandalon an diesem Vorgang ist: Dass sich die Kulturpolitik in Luft aufgelöst hat. Michael Müller, der ja eigentlich als damaliger Kultursenator verantwortlich ist, als Tim Renner die Ernennung von Chris Dercon vorgenommen hat, der hat sich noch nicht zur Causa geäußert. Dabei müsste er doch eigentlich mal sagen, was da Sache ist: Ist das tatsächlich jetzt ein Umbau? Will man eines der größten renommiertesten Sprechtheaterhäuser in was Freies umwandeln?"
Dercon habe es, so Philipp, noch geschafft, den "Plattform-für-die-Künste-Begriff" in seinen Vertrag aufzunehmen. "Wenn man dieses Leuchtturmhaus verschleudert, was bedeutet das für die Wertschätzung der Struktur? Das betrifft nicht nur Berlin, das geht schon alle Bühnen an."
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